Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103297/9/Weg/Ri

Linz, 26.03.1996

VwSen-103297/9/Weg/Ri Linz, am 26. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des K L vom 2. November 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 13. Oktober 1995, VerkR96..., nach der am 19. März 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: I. Hinsichtlich der Erfüllung des Tatbildes iSd § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 wird die Berufung abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Gemäß § 21 Abs.1 VStG wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 21 Abs.1, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden verhängt, weil dieser am 24. Oktober 1994 um ca. 7.10 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... auf der Bundesstraße ... von ...

kommend in Richtung ... gelenkt und dabei im Ortsbereich ..., Gemeinde ..., unmittelbar nach der Kreuzung B... - ...

Bezirksstraße - ... Landstraße, ein Fahrzeug überholt hat, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 150 S in Vorschreibung gebracht.

2. Der Berufungswerber wendet dagegen in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß ein, es sei zwar richtig, daß er das gegenständliche Überholmanöver durchgeführt habe, daß es aber zu keiner Gefährdung bzw. Behinderung anderer Straßenbenützer gekommen sei. Die Situation habe sich für ihn so dargestellt, daß ein Autobus der "..." aus der unmittelbar nach der Kreuzung gelegenen Haltestelle unvermittelt ausfuhr, wodurch er vor die Wahl gestellt gewesen sei, diesen Autobus zu überholen oder sein Fahrzeug plötzlich abzubremsen und dadurch unter Umständen hinter ihm befindliche Fahrzeuge zu gefährden. Er habe sich für das Überholmanöver entschieden, um eben andere Straßenbenützer nicht zu gefährden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch zeugenschaftliche Befragung der Gendarmerieorgane Gr. Insp. ... und Rev. Insp.

..., welche als dem Beschuldigten entgegenkommende Besatzung eines Gendarmeriefahrzeuges den Vorfall beobachten konnten und im Überholmanöver des Beschuldigten eine vor allem das Patrouillenfahrzeug gefährdende Handlung erkennen konnten.

Die angeführten Vernehmungen fanden anläßlich einer mündlichen Verhandlung am 19. März 1996 statt, bei welcher auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde.

Auf Grund der angeführten Beweismittel, welche durch ein telefonisch eingeholtes Kurzgutachten des Ing. ...

(straßenverkehrstechnischer Amtssachverständiger) ergänzt wurde, wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Berufungswerber fuhr mit seinem PKW auf der B... in Richtung ... und führte dabei eine Kolonne von weiteren Fahrzeugen an. Die erlaubte Geschwindigkeit im Tatortbereich betrug 100 km/h, der Berufungswerber fuhr jedoch nach eigenen Angaben langsamer und vermeint, ohne auf den Tacho geblickt zu haben, mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h bis 80 km/h gefahren zu sein. Der Straßenverlauf ist im Tatortbereich übersichtlich und so konnte der Beschuldigte einen an einer Haltestelle haltenden Linienbus erblicken.

Kurz vor der Vorbeifahrt an diesem haltenden Linienbus fuhr jedoch der Lenker für den Berufungswerber überraschend aus der Haltestellenbucht in die Fahrbahn ein, sodaß der Berufungswerber in Sekundenbruchteilen entscheiden mußte dieser Gefahrensituation entweder mit einer Notbremsung zu begegnen oder (trotz vorhandender Sperrlinie und Sperrfläche) ein Überholmanöver durchzuführen. Er entschloß sich - weil ihm die Notbremsung wegen des nachfolgenden Verkehrs gefährlicher erschien als das Überholmanöver, zu letzterem. Über den Abstand des dem Beschuldigten folgenden Fahrzeuges waren keine zuverlässigen Ermittlungen möglich.

Immerhin hat der Lenker des Patrouillenfahrzeuges Rev. Insp.

... bestätigt, daß einerseits reges Verkehrsaufkommen herrschte und andererseits die Verantwortung des Beschuldigten hinsichtlich des aus der Haltestelle abfahrenden Busses zutreffend ist. Nachdem der voll besetzte Bus bei Beginn des Überholmanövers gerade erst auf die Fahrbahn ausgefahren war, ist anzunehmen, daß die Geschwindigkeit des Busses zum Zeitpunkt des Überholmanövers ca. 15 km/h betrug. Dem Beschuldigten kam nun im Zuge des Überholmanövers ein Patrouillenfahrzeug entgegen, welches der Berufungswerber schon zu Beginn des Überholmanövers sehen konnte. Es ist auf Grund der Aussage des Rev. Insp.

... als erwiesen anzunehmen, daß zum Zeitpunkt des Überholbeginns das Beschuldigtenfahrzeug vom Patrouillenfahrzeug ca. 200 m bis 220 m entfernt war. Die Geschwindigkeit des Patrouillenfahrzeuges betrug ca. 70 km/h, hätte jedoch - weil Freilandstraße - 100 km/h betragen können. Das Überholmanöver führte der Beschuldigte so durch, daß er in rundem Bogen den Fahrstreifen wechselte, sich am Bus in einem Seitenabstand von ca. 1 m bis 2 m vorbeibewegte und dann wieder den rechten Fahrstreifen aufsuchte. Dem Beschuldigten ist eine Gefährdung des Gegenverkehrs nicht erinnerlich gewesen. Das entgegenkommende Patrouillenfahrzeug mußte jedoch vom Lenker nach Aussage des Rev. Insp. ... abgebremst werden, weil sonst die Gefahr eines Frontalzusammenstoßes nicht auszuschließen gewesen sei.

Der Beschuldigte hat anläßlich der mündlichen Verhandlung das objektive Fehlverhalten eingestanden, jedoch die subjektive Tatseite insofern bestritten, als er von zwei möglichen Übeln das ihm geringer erscheinende gewählt hat.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, daß der Verursacher dieser Verkehrssituation in erster Linie der Lenker des Busses war, der trotz des herannahenden Nachfolgeverkehrs die Haltestellenbucht verließ. Zwischenzeitig ist wegen der in diesem Kreuzungsbereich latenten Gefahren und wahrscheinlich auch, um einem Bus das Abfahren auf der Haltestelle zu erleichtern, eine 70 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet worden.

Im Anschluß an die mündliche Verhandlung wurde - wie schon oben erwähnt - der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige Ing. ... befragt, ob unter Zugrundelegung der oben angeführten Parameter und der Annahme, daß der Bus 12 m und das Beschuldigtenfahrzeug 5 m lang war, bei diesem Überholmanöver andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende gefährdet oder behindert hätten werden können. Es ging bei dieser gestellten Frage vor allem darum, wie weit der Gegenverkehr entfernt gewesen sein müßte, damit es einerseits zu keiner Gefährdung und Behinderung des Gegenverkehrs und andererseits zu keiner Gefährdung und Behinderung des Busses kommt.

Der Sachverständige hat dabei auch die rechnerischen Mindestsicherheitsabstände mitberücksichtigt. Er kommt in seinem telefonischen Gutachten zu dem Ergebnis, daß beim gegenständlichen Überholmanöver der Gegenverkehr mindestens 220 m entfernt hätte sein müssen, damit es zu keiner Behinderung und Gefährdung der angeführten Verkehrsteilnehmer kommt.

Nachdem die Entfernung des Gendarmeriefahrzeuges zum Beschuldigtenfahrzeug bei Beginn des Überholmanövers ca.

200 m bis 220 m betragen hat, liegt hier ein Grenzfall zu Ungunsten des Berufungswerbers vor. Es wird deshalb als erwiesen angenommen, daß das Überholmanöver zumindest zu einer Behinderung des Gegenverkehrs geführt hat.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der als erwiesen angenommene Sachverhalt läßt sich unter die Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 subsumieren, wonach der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen darf, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten.

Zur subjektiven Tatseite wird bemerkt, daß der Beschuldigte in Sekundenbruchteilen entscheiden mußte, welche der Varianten (Notbremsung oder Überholen) er durchführt. Unter Berücksichtigung der für diese Wahlmöglichkeit zur Verfügung gestandenen Zeit und unter Berücksichtigung der nicht auszuschließenden Möglichkeit, daß auch das Abbremsmanöver eine Gefahrensituation herbeiführen hätte können (dies jedoch nur bei nicht ausreichendem Sicherheitsabstand des Nachfolgeverkehrs) wird das Verschulden des Beschuldigten als geringfügig bewertet. Die Folgen der Übertretung sind (gottlob) unbedeutend geblieben.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann (hat) die Behörde von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Nachdem beide Tatbestandselemente vorliegen, war (auch weil es sich um einen vom Buslenker ausgelösten Grenzfall handelt) von der Rechtswohltat des § 21 VStG Gebrauch zu machen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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