Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103364/14/Ki/Shn

Linz, 19.01.1996

VwSen-103364/14/Ki/Shn Linz, am 19. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des S M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Karl H, vom 17.

November 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 10. November 1995, Zl.VerkR96-2284-3-1995, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. Jänner 1996 zu Recht erkannt:

Die Berufung wird wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 63 Abs.4 und § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat am 10. November 1995 unter Zahl VerkR96-2284-3-1995 gegen den Berufungswerber durch mündliche Verkündung ein Straferkenntnis erlassen. Der Berufungswerber verzichtete ausdrücklich sowohl auf eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides bzw auf die Verlesung der Niederschrift als auch auf das Rechtsmittel der Berufung.

2. Mit Schriftsatz vom 17. November 1995 erhebt der Berufungswerber - rechtsfreundlich vertreten - dennoch Berufung gegen das oben angeführte Straferkenntnis mit den Anträgen, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen bzw in eventu die verhängte Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe zu reduzieren.

Die Zulässigkeit der Berufung trotz abgegebenem Rechtsmittelverzicht wird damit begründet, daß der Beschuldigte kroatischer Staatsbürger und der deutschen Sprache so gut wie nicht mächtig sei. Er habe nicht nur den Inhalt des mündlich verkündeten Bescheides aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse nicht erfaßt, geschweige denn, eine etwaige erteilte Rechtsmittelbelehrung in Ansehung des abgegebenen Rechtsmittelverzichtes.

Die geleisteten Unterschriften seien durch den Beschuldigten aufgrund einer Aufforderung bzw eines Ersuchens seitens der Behörde geleistet worden und es sei dem Beschuldigten die Konsequenz der abgegebenen Erklärung mangels Sprachkenntnissen nicht bekannt gewesen. Eine für die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes notwendige Willenserklärung des Beschuldigten liege daher nicht vor.

Für die Erstbehörde sei es offensichtlich gewesen, daß der Beschuldigte weder für die inhaltliche Erfassung des Bescheidinhaltes noch für das Verstehen der etwaigen erteilten Rechtsmittelbelehrung der deutschen Sprache iSd § 39 AVG nicht hinreichend kundig gewesen sei. Abgesehen von der fehlenden Willenserklärung des Beschuldigten liege daher auch ein Verfahrensfehler vor ohne den der Beschuldigte einen Rechtsmittelverzicht nicht erklärt hätte.

3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt bzw durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. Jänner 1996.

Bei der Berufungsverhandlung wurden der Berufungswerber sowie als Zeugen RI Hubert K, BI Arnold K, Herr Josef H und Frau Gertrude G einvernommen. Ein Rechtsvertreter des Berufungswerbers sowie ein Vertreter der belangten Behörde haben an der Verhandlung ebenfalls teilgenommen.

5. Der Berufungswerber hat bei seiner Einvernahme ausgeführt, daß er seit fünf Jahren in Österreich sei. Er sei wegen des Vorfalles selber zur Bezirkshauptmannschaft gekommen und der Sachbearbeiter habe ihn gefragt, wieviel er getrunken habe.

Er habe dem Sachbearbeiter nur gesagt, daß er in der Nacht getrunken habe. Der Beamte habe ihm gesagt, daß er 20.000 S zahlen müsse und er den Führerschein für sechs Monate hergeben müsse. Er habe daraufhin ersucht, daß er die Strafe in Raten bezahlen könne, dies wurde ihm zugesagt. Ihn habe damals nur interessiert, daß ihm nicht wieder Handfesseln angelegt werden und er habe daher alles unterschrieben. Was der Beamte genau gesagt habe, könne er heute nicht mehr sagen. Er könne nur schlecht deutsch lesen bzw schreiben.

Er habe nach der Bestrafung zuerst mit seinen Kollegen gesprochen, diese hätten ihm gesagt, daß die Strafe viel zu hoch sei und er sei daraufhin zu einem Rechtsanwalt gegangen.

Sämtliche Zeugen haben im wesentlichen bestätigt, daß sie im Rahmen ihrer Amtshandlungen den Eindruck hatten, daß der Berufungswerber diese sehr wohl verstanden hat. Insbesondere der als Zeuge einvernommene Leiter der erstinstanzlichen Strafverhandlung hat den Verlauf der gegenständlichen Verhandlung exakt beschrieben. Der Berufungswerber hätte sich gerechtfertigt, daß er mit seiner Freundin Probleme gehabt und er deswegen sehr viel Alkohol getrunken habe. Auf den Hinweis, daß die Strafe ca 20.000 S ausmache, hätte ihm der Berufungswerber geantwortet, daß er wisse, daß er eine Strafe bekomme, weil er einen Blödsinn gemacht habe. Der Bearbeiter habe daraufhin das mündliche Straferkenntnis verfaßt und dieses dem Berufungswerber verkündet bzw ihm das Straferkenntnis vorgelegt und alles erklärt. Er habe ihm unter anderem die Rechtsmittelbelehrung erklärt und ihn dann ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er, wenn er die zweite Unterschrift leistet, gegen dieses Straferkenntnis nichts mehr unternehmen könne. Er habe dabei ausdrücklich mit dem Kugelschreiber auf die entsprechende Textpassage in der Niederschrift hingewiesen. Er habe den Berufungswerber ausdrücklich belehrt, daß, wenn er "hier" (gemeint ist der Rechtsmittelverzicht) unterschreibe, keine Berufung und nichts mehr dagegen möglich sei, daß er zahlen müsse. Er habe den Eindruck gehabt, daß der Berufungswerber auch den Begriff Berufung verstanden habe, zumal dieses Wort ein allgemeiner Gebrauch sei, der auch für Einsprüche oder Rekurse etc verwendet werde. Er habe dem Berufungswerber wörtlich gesagt, daß, nachdem er die Unterschrift geleistet habe, nichts mehr gehe.

Die Amtshandlung habe ca 15 bis 20 min gedauert, verglichen zu anderen Amtshandlungen kristallisiere sich gerade bei Geständnissen dieser Zeitraum heraus.

6. In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß den Aussagen der Zeugen Glauben zu schenken ist. Die Aussagen wurden unter Wahrheitspflicht getätigt und sind in sich schlüssig und den Denkgesetzen nachvollziehbar. Insbesondere erhärtet sich diese Auffassung durch die Einvernahme des Berufungswerbers selbst. Dieser hat im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung auf sämtliche - sowohl fallspezifische als auch allgemeine - Fragen, wenn auch gelegentlich in gebrochenem Deutsch, klare Antworten gegeben, was nur darauf zurückzuführen sein kann, daß er diese Fragen auch eindeutig verstanden hat.

7. Unter Zugrundelegung des im Berufungsverfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisses hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 63 Abs.4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

Diese Norm steht im Spannungsverhältnis zwischen der Rechtskraftwirkung verwaltungsbehördlicher Entscheidungen einerseits und dem individuellen Rechtsschutzbedürfnis des Normunterworfenen andererseits. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Rechtsmittelverzicht eine unwiderrufliche Prozeßerklärung darstellt und derjenige, der auf das Rechtsmittel verzichtet hat, sich nicht nachträglich rechtswirksam auf einen Irrtum oder auf eine mangelnde Anleitung durch die Behörde über die mit der Unterschrift verbundenen Rechtsfolgen berufen kann. Allerdings wäre ein anläßlich der Unterzeichnung des Berufungsverzichts vorliegender Willensmangel zugunsten des Rechtsmittelwerbers zu beachten. Diesbezüglich hat der VwGH ausgesprochen, daß, wenn die Muttersprache eines Fremden nicht Deutsch ist, der Umstand, daß der Fremde sich im normalen Leben hinreichend verständigen kann, nicht zu dem Schluß berechtigt, er sei auch in der Lage, ihm gegenüber mündlich gebrauchte verfahrensrechtliche Ausdrücke zu verstehen und die Auswirkungen insbesondere eines Verzichtes auf seine künftige prozeßrechtliche Situation zu begreifen (VwGH 11.1.1989, 88/01/0188).

Unter Zugrundelegung des oben dargelegten Ermittlungsverfahrens ist jedoch die erkennende Behörde der Auffassung, daß im vorliegenden konkreten Falle der Berufungswerber sehr wohl verstanden hat, welche Konsequenzen die von ihm geleisteten Unterschriften auf das gegenständliche Verfahren nach sich ziehen. Der Sachbearbeiter der belangten Behörde hat den Berufungswerber in einer auch für einen Laien verständigen Art auf die Konsequenzen des Rechtsmittelverzichtes hingewiesen und der Berufungswerber erweckte bei der mündlichen Berufungsverhandlung im Rahmen seiner eingehenden Einvernahme den Eindruck, daß er sehr wohl der deutschen Sprache so weit mächtig ist, daß er die Prozeßhandlung bzw die aus der Unterschriftsleistung erfließenden Konsequenzen begriffen hat. Offensichtlich kamen ihm erst nach Aussprache mit seinen Kollegen Bedenken, daß die Strafe möglicherweise zu hoch bemessen wurde. Ein allfälliger Irrtum zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung dahingehend, daß ein Rechtsmittel ohnehin aussichtslos wäre, stellt einen rechtlich unerheblichen Motivirrtum dar.

Zusammenfassend wird daher festgestellt, daß der Berufungswerber auch ohne Beiziehung eines Dolmetschers iSd § 39 AVG die nunmehr angefochtene Amtshandlung eindeutig verstanden hat und er sich über die Konsequenzen des Rechtsmittelverzichtes im klaren sein mußte. Durch den abgegebenen Rechtsmittelverzicht wurde das angefochtene Straferkenntnis sofort rechtskräftig und es war eine Berufung gegen dieses Straferkenntnis nicht mehr zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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