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VwSen-103456/2/Le/La

Linz, 07.02.1996

VwSen-103456/2/Le/La Linz, am 7. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des W F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.12.1995, VerkR96-12843-1995-Za, wegen Zurückweisung eines Einspruches als verspätet zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land verwiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 51 Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid vom 7.12.1995 wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land den Einspruch des Herrn W F gegen die Strafverfügung vom 10.8.1995 als verspätet zurück.

2. Dagegen erhob Herr F (im folgenden kurz: Bw) Berufung, die er damit begründete, daß er sich bis 8.9.1995 aus geschäftlichen Gründen in Deutschland bzw. in Italien aufgehalten habe und sohin erst ab diesem Zeitpunkt von der Strafverfügung Kenntnis erlangt habe. Er rügte, daß sich die Behörde mit diesem Vorbringen, das er bereits in seinem Einspruch vorgebracht hatte, in keiner Weise auseinandergesetzt hätte. Diese Vorgangsweise erscheine umso erstaunlicher, als die Behörde für 6.12.1995 einen Verhandlungstermin ausgeschrieben hätte, in dem neuerdings die Sach- und Rechtslage erörtert worden sei.

Der Rechtsvertreter habe auch eine eidesstattliche Erklärung des Bw vom 1.12.1995 mitgebracht, wozu der zuständige Sachbearbeiter mitgeteilt hätte, daß er von Amts wegen Erhebungen beim Postbeamten sowie über die Zustelladresse machen würde. Der Sachbearbeiter hätte angekündigt, nach Vorliegen dieser Unterlagen neuerdings einen Verhandlungstermin auszuschreiben und über die Rechtzeitigkeit des Einspruches zu entscheiden und hätte der Rechtsvertreter angeboten, den Bw zu diesem Termin stellig zu machen, damit er die Situation aus seiner Sicht schildern könne.

Aus diesen Überlegungen erscheine das Verfahren erster Instanz mangelhaft, weil sich die Behörde in keiner Weise mit den Behauptungen des Bw auseinandergesetzt hätte.

Insbesonders hätte die Erstbehörde in unzulässiger Weise von der Einvernahme des Bw zur Frage, ob er sich bis 8.9.1995 im Ausland befunden hätte, Abstand genommen.

Darüber hinaus wies der Bw darauf hin, daß die Adresse O H, A, die Adresse seiner Eltern sei und er sich dort nur sporadisch aufhalte.

Es wurde aus diesem Grund beantragt, das Beweisverfahren zu ergänzen.

3. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt steht fest, daß der nunmehrige Bw mit Anzeige des Gendarmeriepostens Neuhofen a.d. Krems wegen des Verdachtes der Übertretung nach §§ 4 und 5 StVO angezeigt wurde.

Mit Strafverfügung vom 10.8.1995 wurde der nunmehrige Bw wegen dreier Delikte zu insgesamt 5.500 S bestraft.

Laut Rückschein des Postamtes A konnte diese Strafverfügung nicht persönlich zugestellt werden, sodaß sie beim Postamt A hinterlegt wurde. Die Abholfrist begann am 21.8.1995.

In seinem Einspruch vom 22.9.1995, am selben Tage zur Post gegeben, wies der nunmehrige Bw darauf hin, daß er sich bis 8.9.1995 aus geschäftlichen Gründen in Deutschland bzw.

Italien aufgehalten hätte und erst am 8.9.1995 an die Zustelladresse zurückgekehrt sei. Er habe an diesem Tage von der Hinterlegung des Schriftstückes Kenntnis erlangt und hätte dieses an diesem Tage noch bei der Post behoben.

Mit Ladung vom 13.11.1995 wurde Herr F geladen, um zum Vorfall vom 23.7.1995 Auskunft zu geben.

Mit Schreiben vom 16.11.1995 wandte sich der Bw an die Erstbehörde mit der Bitte, bis zur rechtskräftigen Erledigung der Angelegenheit die Vollzugsabteilung, die ihm bereits eine Zahlungsaufforderung geschickt hatte, davon zu informieren, daß die Strafverfügung nicht rechtskräftig sei.

Ohne weitere Ermittlungen wurde sodann mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7.12.1995 der Einspruch als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 66 Abs.4 hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Bei der Auslegung des Begriffes "Sache" ist zu beachten, daß die Berufungsbehörde nur über die Angelegenheit zu entscheiden befugt ist, die den Gegenstand des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat.

Das bedeutet, daß "Sache" des gegenständlichen Falls daher ausschließlich die Prüfung der Frage ist, ob die Zurückweisung des Einspruches vom 22.9.1995 als verspätet zu Recht erfolgt ist oder nicht.

4.2. Als "zugestellt" gilt eine hinterlegte Sendung mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger ... wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte (§ 17 Abs.3 ZustellG).

Im gegenständlichen Fall hat der nunmehrige Bw bereits in seinem Einspruch vom 22.9.1995 behauptet, aus geschäftlichen Gründen ortsabwesend gewesen zu sein. Er sei erst am 8.9.1995 zurückgekommen und hätte am selben Tag noch die hinterlegte Sendung bei der Post behoben.

In Ansehung des Zustelldatums 8.9.1995 wäre der Einspruch daher rechtzeitig erhoben worden.

Daher kam der Klärung der Frage, ob als Tag der Zustellung der 21.8.1995 (= Tag der erstmaligen Bereithaltung der hinterlegten Sendung beim Postamt) oder der 8.9.1995 (= Tag der tatsächlichen Behebung der hinterlegten Sendung) anzusehen ist, wesentliche Bedeutung für die Frage der Rechtzeitigkeit des erhobenen Rechtsmittels zu.

Die belangte Behörde hätte daher zunächst die Rechtzeitigkeit des erhobenen Einspruches prüfen müssen. Sie hat jedoch diese Prüfung unterlassen und ist auf das Vorbringen im Einspruch vom 22.9.1995 auch im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht eingegangen. Damit aber hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Die belangte Behörde hat zwar mit Ladung vom 13.11.1995 den nunmehrigen Bw für Mittwoch den 6.12.1995 ins Amt geladen, doch hat sie als Gegenstand der Amtshandlung ausdrücklich nur den "Vorfall vom 23.7.1995 ..." bezeichnet. Mit keinem Wort wurde in dieser Ladung erwähnt, daß der Beschuldigte irgendwelche Unterlagen hinsichtlich der behaupteten Rechtzeitigkeit seines Einspruches mitnehmen sollte. Dadurch, daß sich die Behörde ausdrücklich nur auf den Vorfall vom 23.7.1995 und die Übertretungen des § 4 StVO bezog, konnte er davon ausgehen, daß die Behörde den Einspruch als rechtzeitig angesehen hatte.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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