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des Landes Oberösterreich
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VwSen-103487/2/Gb/Km

Linz, 31.05.1996

VwSen-103487/2/Gb/Km Linz, am 31. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung der S. K. gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 10. Jänner 1996, VerkR96-8948-1995-Li, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z.2, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.c iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 800 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil sie am 16.12.1994, um ca. 16.15 Uhr, den PKW Kennzeichen ..........., in die ........., von der S.

Vorstadt kommend bis nächst Haus ............, ............, gelenkt habe und es nach dem beim Fußgängerübergang vor dem Haus .......... Nr. .. verursachten Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, unterlassen habe, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, zumal sie sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernt habe.

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 80 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, die Berufung dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt und somit seine Zuständigkeit begründet. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG). Da zudem bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt steht folgender Sachverhalt in entscheidungsrelevanter Hinsicht fest, der aufgrund der inhaltlichen übereinstimmenden Aussagen der Unfallszeugen I. A. und T. S. sowie der Aussagen der Berufungswerberin als erwiesen anzusehen ist:

Zur im Spruch angeführten Zeit und am dort angegebenen Ort, kam es zu einem Verkehrsunfall, als deren Folge M. P. S., geb. am 7.1.1992, der Sohn der I. A., eine Fraktur des linken Schienbeines erlitt. Unmittelbar nach dem Unfall blieb die Berufungswerberin mit ihrem Fahrzeug sofort stehen, kam zur Unfallstelle und fragte die Mutter, die sich bei ihrem verletzten Kind befand, ob sie dieses ins Krankenhaus bringen sollte. Dies wurde aber von der Kindesmutter deshalb verneint, da die Rettung bereits verständigt worden war und wenige Minuten später am Unfallort eintraf. Eine weitere Unfallszeugin, Frau T. S. hatte nämlich mitgeteilt, daß ihre Tochter S. B., die den Unfall auch wahrgenommen hat, die Rettung bereits verständigt hatte. Als das verletzte Kind bereits im Rettungswagen des Roten Kreuzes erstversorgt wurde, trafen die Beamten des Gendarmeriepostens Braunau/Inn am Unfallort ein, die Sachverhaltsfeststellungen zur Verkehrsunfallsanzeige dauerten von 16.20 Uhr bis 16.40 Uhr.

Die Berufungswerberin war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Unfallort: Nachdem ihr nämlich die Mutter mitgeteilt hatte, daß die Rettung bereits verständigt worden sei und eine andere Person angegeben hatte, daß auch die Gendarmerie bald kommen werde, hat die Berufungswerberin ihr Fahrzeug zu ihrer in unmittelbarer Nähe zum Unfallort gelegenen Wohnung in die .......... gestellt, ihren an Grippe erkrankten Lebensgefährten R. R. vom Unfall verständigt, das gemeinsame Kind hierauf zur Großmutter in die ............. gebracht und ist schließlich ins Krankenhaus Braunau gefahren, um sich hinsichtlich des Gesundheitszustandes des verunfallten Kindes zu erkundigen bzw. Erkundigungen einzuholen, ob das verletzte Kind überhaupt ins Krankenhaus Braunau eingeliefert worden ist. Anschließend wurde die Berufungswerberin von Beamten des GP Braunau/Inn aufgefordert auf den Gendarmerieposten zu kommen. Dieser Aufforderung kam die Berufungswerberin unverzüglich nach, sodaß eine niederschriftliche Vernehmung zum gegenständlichen Verkehrsunfall um 17.00 Uhr desselben Tages beginnen konnte und bis 17.50 Uhr dauerte.

Weiters ist beim Landesgericht Ried zu 2Cg 295/95b eine Zivilklage des verletzten Kindes mit einem Klagsbetrag von 100.680 S anhängig.

Im durchgeführten Strafverfahren vor dem Bezirksgericht Braunau/Inn wurde ein Schuldspruch wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB gefällt und ist rechtskräftig.

In der Berufung wird nun unter anderem vorgebracht, daß ein Fall einer Doppelbestrafung vorliege, da das Strafgericht im Sinne des Berufungsurteiles vom 20.11.1995, 10 Bl 137/95, das Verhalten der Berufungswerberin nach der Tat im Sinne des § 4 StVO, damit sei unmißverständlich das kurzfristige Entfernen vom Unfallort gemeint, sanktioniert und deswegen nicht eine bedingte, sondern eine unbedingte Geldstrafe verhängt habe. Zu diesem Einwand ist festzuhalten, daß dieses Verhalten lediglich und ausschließlich hinsichtlich der Art und des Ausmaßes der Strafe, nicht aber im Hinblick auf die Schuldfrage als solche bewertet wurde, und schon aus diesem Grund eine Verletzung des Art.4 des 7. Zusatzprotokolles zur EMRK nicht vorliegt.

Weiters beruft sich die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin auf § 6 VStG und behauptet eine Kollision von Pflichten und Rechten, da ihr kleines Kind zu Hause beim schwererkrankten Lebensgefährten gewesen und somit unbeaufsichtigt gewesen sei. Ein Verweilen an der Unfallstelle sei ihr daher nicht zuzumuten gewesen. Auch dieses Argument mag an sich nicht überzeugen, da es der Berufungswerberin durchaus zumutbar gewesen wäre, zumindest bis zum Eintreffen der Beamten zu warten, um die Situation bezüglich des eigenen Kindes zu Hause zu erklären und dann möglicherweise aus den erwähnten Gründen nach Hause zu fahren.

Dessen ungeachtet war aber das angefochtene Straferkenntnis deshalb aufzuheben, da die objektive Tatseite des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 nicht erfüllt ist: Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Mit dieser Bestimmung wird vor allem eine möglichst unmittelbare, in den meisten Fällen vor allem vor Ort zu erfolgende Sachverhaltsermittlung bezweckt. Diese Pflicht reicht aber nur soweit, als dies zur Feststellung von Sachverhaltselementen erforderlich ist. Die Verpflichtung zur - zumindest passiven - Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes kann aber auch außerhalb des Unfallortes bestehen und besteht jedenfalls solange, als die Untersuchungen noch ein brauchbares Ergebnis zeigen können. Ist aber der Sachverhalt einschließlich des Verschuldens auch nach Wegschaffen des Fahrzeuges klar und ohne Schwierigkeiten zu rekonstruieren, besteht eine derartige Verpflichtung nicht. Im gegenständlichen Fall sind die Aussagen der Berufungswerberin sowie der Kindesmutter des verletzten Unfallbeteiligten und der Unfallzeugin T. S. inhaltlich deckungsgleich, sodaß die Unfallendlage des Pkw's nicht weiter zur Klärung des Sachverhaltes hätte beitragen können.

Insoferne war das Stehenlassen des Fahrzeuges in Unfallsendlage nicht erforderlich.

Wenn nun der Berufungswerberin weiters vorgeworfen wird, daß sie sich selbst vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernt hat, so entspricht dies unbestrittenermaßen der Wahrheit. Dennoch sind hiebei die besonderen Umstände zu berücksichtigen: Zuvor hat sich die Berufungswerberin sofort um das Unfallopfer gekümmert und mit der Kindesmutter Kontakt aufgenommen. Wenn sie auch dann kurzzeitig weggefahren ist, und zwar nachdem ihr mitgeteilt worden war, daß Rettung und Gendarmerie bereits verständigt worden waren, konnte dennoch davon ausgegangen werden, daß in zeitlichem Zusammenhang gesehen eine unmittelbare Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes durch die Vernehmung am Gendarmerieposten Braunau/Inn vorliegt. Diese Vernehmung hat lediglich 45 Minuten nach dem Unfallszeitpunkt, wenn auch nicht an der Unfallstelle selbst, bzw.

lediglich 20 Minuten nach Ende der Unfallsaufnahme vor Ort durch die Gendarmeriebeamten begonnen. Die Berufungswerberin hat eine umfassende und mit den Aussagen der übrigen Unfallzeugen inhaltlich deckungsgleiche Aussage gemacht. Die Beamten konnten sich anläßlich dieser Vernehmung ein im Bezug zum Unfallgeschehen unmittelbares Bild über die Person der Berufungswerberin machen, sodaß der Zweck der Bestimmung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 gewahrt war, sodaß in diesem Fall eine Verletzung der Mitwirkungspflicht an der Feststellung des Sachverhaltes nicht vorliegt. Da aber dadurch schon die objektive Tatseite des gegenständlichen Verwaltungsstraftatbestandes nicht verwirklicht wurde, war auf die weiteren Ausführungen in der Berufung nicht näher einzugehen, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen, da die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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