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VwSen-103524/14/Gu/Mm

Linz, 26.11.1996

VwSen-103524/14/Gu/Mm Linz, am 26. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des J. L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P.

gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B. vom 15.1.1996, Zl., wegen Übertretung der StVO 1960 nach der am 22. Oktober 1996 in Gegenwart der Parteien durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruch beim Tatort anstelle der Straßenkilometerbezeichnung "2,500" die Ziffern "2,215" zu stehen haben und die Zitierweise der verletzten Norm einerseits und die angewendete Strafzumessungsnorm mit StVO 1960 "in der Fassung der 18.

StVO Novelle" ergänzt wird.

Der Rechtsmittelwerber hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 1.400 S zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 idF der 18. StVO Novelle, § 19 VStG, § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft B. hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 14.9.1994 um 19.40 Uhr den PKW Audi 100, Kennzeichen W...

auf der W. Landesstraße in H., Gemeindegebiet A. in Richtung A. bei Straßenkilometer 2,500 (richtig wohl: 2,215) gelenkt zu haben und hiebei die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit unter besonders gefährlichen Verhältnissen (starke Dämmerung, regennasse Fahrbahn, mehrere unübersichtliche, ungleichrangige Kreuzungen bzw. Grundstücksausfahrten, die von den Bewohnern der Ortschaften H.

und W. regelmäßig benützt werden) erheblich überschritten zu haben wobei er eine durch Laser-Geschwindigkeits-Meßgerät ermittelte Geschwindigkeit von 175 km/h gefahren sei.

Wegen Verletzung des § 20 Abs.2 StVO 1960 wurde ihm in Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 7.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit eine EFS von 7 Tagen) und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 700 S auferlegt.

In seiner dagegen eingebrachten Berufung macht der rechtsfreundliche Vertreter des Rechtsmittelwerbers im wesentlichen geltend, daß der Tatort unrichtig bezeichnet worden sei, weil Straßenkilometer 2,500 laut Bescheidbegründung der Standort des messenden Gendarmeriebeamten gewesen sei.

Ferner sei als Strafnorm § 99 Abs.2 lit.c StVO herangezogen worden, was nicht ausreiche, weil diese Strafnorm während der Anhängigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens in I.

Instanz durch die 19. Novelle der StVO geändert worden sei.

Dies habe hinsichtlich der Mindeststrafe bezüglich des Ausschlusses der außerordentlichen Strafmilderung Bedeutung.

Unter Zitierung der Angaben der Meßreichweite des Lasermeßgerätes von 300 bis 600 m (offensichtlicher Druckfehler von 30-600 m) in der Ausgabe Manz n.g.A. 24 b Messiner StVO idF der 19. StVO Novelle, wird ferner ausgeführt, daß die vorliegende Meßweite von 284,3 m zu gering gewesen sei.

Laut Auskunft der Flugwetterwarte S. sei am fraglichen Tag, nämlich am 14.9.1994, die Sonne um 19.23 Uhr untergegangen.

Um 19.40 Uhr sei es daher zweifellos dämmrig gewesen. Der gesamte Straßenverlauf im Bereich des Tatortes von 1,5 km Länge habe jedoch eingesehen werden können. Aus dem Beiblatt zur Anzeige des GPK A. vom 17.9.1994, welche drei Tage nach dem Vorfall erstattet worden sei, ergebe sich, daß auf der W. Landesstraße schwacher Verkehr geherrscht habe, daß es bedeckt gewesen sei, die Fahrbahn nach einem Regen naß war und daß starke Dämmerung geherrscht habe. Es sei also noch nicht finster gewesen, weshalb die erstbehördlichen Feststellungen, die Sichtstrecke sei wegen der vom Scheinwerferlicht ausgeleuchteten Strecke von nur 130 m beschränkt gewesen, nicht haltbar seien. Es sei zu berücksichtigen, daß er immerhin, ohne daß er eine Vollbremsung habe machen müssen, am Standort des Gendarmeriebeamten leicht zu stehen gekommen ist.

Besonders gefährliche Verhältnisse aufgrund von Dunkelheit, könnten daher nicht angenommen werden. Richtig sei wohl, daß die Straße noch nicht ganz trocken gewesen sei. Die Fahrbahn sei bereits im Abtrocknen begriffen gewesen. Keinesfalls stimme, daß die Fahrbahn rutschig gewesen sei. Diese sei völlig sauber gewesen. Auch aus dem Umstand, daß die Fahrbahn noch leicht naß gewesen sei, habe die Bezirkshauptmannschaft falsche Schlüsse gezogen. Ein Traktor oder ein Fußgänger habe die Fahrbahn nicht gequert. Die bloße Möglichkeit könne an der Beurteilung der Frage des Vorliegens besonders gefährlicher Verhältnisse keine Änderung herbeiführen. Er habe sein Fahrzeug jederzeit auf eine Distanz von 196 m zum Stillstand bringen können und dies beim ungünstigen Umstand, wenn man als Reaktionszeit eine Sekunde annehme, was einen dazwischen zurückgelegten Weg von 48,6 m bedeute. Der Bremsweg habe lediglich 148 m bei Heranziehung eines erreichbaren Verzögerungswertes von 8 m pro Sekunde, betragen. Im übrigen sei er sehr konzentriert und bremsbereit gefahren.

Die Differenzen bei den Berechnungen seien marginaler Natur, weil man hinsichtlich der Reaktionszeit und des Verzögerungswertes lediglich nicht völlig objektivierbare Werte ansetzen könne.

Die Kreuzungen und Ausfahrten befänden sich überdies nicht bei Straßenkilometer 2,5 sondern in teils mehreren hundert Metern, teils sogar noch weiter davon entfernten Abständen.

Bis dahin hätte er seine Geschwindigkeit jeweils bis zum Stillstand herabsetzen können. Unter Zitierung von ausgewählten Entscheidungen, abgedruckt in Messiner Straßenverkehrsordnung in der Fassung der 19. Novelle, Seite 1287 ff, könne man aus dem vorliegenden Sachverhalt keine besonders gefährlichen Verhältnisse ableiten.

Aus diesen Gründen beantragt der Rechtsmittelwerber das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu eine schuld- und tatangemessene Strafe nach § 99 Abs.3 lit.a StVO zu verhängen.

Aufgrund der Berufung wurde am 22.10.1996 die öffentliche mündliche Verhandlung verbunden mit Lokalaugenschein durchgeführt und in deren Rahmen die Zeugen J. D. und K. Z.

vernommen, ein vom kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen Ing. S. vorgängig erstelltes Gutachten zur Erörterung gestellt und von letzterem Fragen des Beschuldigtenvertreters hiezu gutächtlich beantwortet.

Aufgrund der erhobenen Beweise steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschuldigte J. L. lenkte am 14.9.1994 um 19.40 Uhr den PKW Audi 100 mit dem Kennzeichen W... auf der W.

Landesstraße in Richtung A. Zu diesem Zeitpunkt hatte eine Gendarmeriepatrouille bei Straßenkilometer 2,500 Aufstellung bezogen. Nachdem der PKW durch starkes Reifen- und Motorgeräusch auffällig war, nahm der Gendarmeriebeamte Z.

den herannahenden PKW, dessen Scheinwerfer eingeschaltet waren, ins Visier des geeichten Laser-Geschwindigkeits-Meßgerätes LTI 20/20 104219. Zwischenzeitig begab sich der Gendarmeriebeamte J. D. auf die andere Straßenseite (Seite des herannahenden PKWs). Der Beamte wies den herannahenden Lenker durch ein Zeichen mit der Kelle zum Anhalten an. Dieser konnte sein Fahrzeug nicht mehr vor dem Gendarmeriebeamten anhalten, sondern fuhr ca. 42 - 45 m weiter um dann im Rückgang zum Beamten mit der Kelle zurückzufahren. Zwischenzeitig hatte der Meßbeamte das Ergebnis seiner Messung, nämlich 181 km/h, dem die Anhaltung vornehmenden Kollegen mitgeteilt, was nach Abzug der Meßfehlertoleranz eine Geschwindigkeit von 175 km/h bedeutete.

Der Meßpunkt wurde im Gerät mit 284,3 m vor dem Standort des Meßbeamten (2,500 km im Sinne der Kilometrierung) angezeigt.

Demnach lag der Meßort bei km 2,215 auf der W. Landesstraße.

Dies wurde durch die zeugenschaftliche Vernehmung des Insp.

Klaus Z. am 3.1.1995 vor dem Marktgemeindeamt A.

klargestellt und dem Beschuldigtenvertreter mit Verständigung vom 12.1.1995 durch die Bezirkshauptmannschaft B. zur Kenntnis gebracht. Ca. 20 Minuten vor dem Herannahen des Beschuldigten in seinem PKW hatte ein Wolkenbruch geherrscht und war während der Messung die Fahrbahn noch naß. Nachdem bereits die Sonne untergegangen war und sich die Wolken noch nicht verzogen hatten, herrschte starke Dämmerung. Im zeitlichen Gefolge herrschte auf der W. Landesstraße schwacher Verkehr. Zum Meßzeitpunkt selbst war nur der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug unterwegs. Einen Querverkehr von einmündenden bzw. kreuzenden Straßen in der Nähe des Meßortes bzw. der zu durchfahrenden Strecke, konnten die anwesenden Gendarmeriebeamten nicht wahrnehmen.

Die W. Landesstraße verläuft im gegenständlichen Bereich geradlinig. Die Sichtweite auf dem eigentlichen Fahrbahnverlauf liegt bei günstigen Verhältnissen des Tages bei klarer Sicht bei mehr als 1,5 km. Nähert man sich dem Straßenkilometer 2,0, so führt die W. Landesstraße vorerst in eine Höhenkrümmung und in der Folge über ein leichtes Gefälle von ca. 3 Prozent zu den Rampen 2 und 3, bei welchen die untergeordnete I. Bezirksstraße in die W. Landesstraße über Beschleunigungs- bzw. Verzögerungsspuren eingebunden ist. Dieser Beschleunigungs- bzw. Verzögerungsbereich der untergeordneten I. Straße liegt zwischen Straßenkilometer 2,140 bis Straßenkilometer 2,240. Linksseitig ist in der Folge die W. Landesstraße von einem Gehweg begleitet. Dieser Gehweg ist durch eine Hecke und teilweise durch eine Leitschiene von der Straße getrennt. Der Gehweg endet bei Straßenkilometer 2,416, wo linksseitig eine Straße in die W.

Landesstraße eingebunden ist. Auf dieser Straße ist ein Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge und nach Überquerung des dort beginnenden Geh- und Radweges ein Fahrverbot für alle Fahrzeuge kundgemacht. Von diesen Verboten sind jedoch die Anrainer ausgenommen. Bei Straßenkilometer 2,450 ist rechts im Sinne der Kilometrierung eine Schotterstraße eingebunden.

Ab Straßenkilometer 2,416 begleitet ein Geh- und Radweg die W. Landesstraße linksseitig bis zum Straßenkilometer 2,510.

Bei der dortigen Kreuzung ist linksseitig, im Sinne der Kilometrierung gesehen, eine landwirtschaftliche Zufahrt in die W. Landesstraße eingebunden und rechtsseitig im Sinn der Kilometrierung die S.straße. Der Geh- und Radweg ist durch eine Hecke von der W. Landesstraße getrennt. Weiters ist die W. Landesstraße links und rechts teilweise durch Bäume begleitet, welche die Sicht auf die einmündenden Querstraßen, selbst bei guter Ausleuchtung, nimmt bzw.

wesentlich erschwert (vergl. die Abb. 1,3,4 und 5 - Beilagen zum Gutachten des verkehrs- bzw. kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen Ing. S. vom 30. Juli 1996, BauME-010.191/402-1996/sal/prie). Die W. Landesstraße weist eine mit Bitukies ausgebildete Fahrbahnbreite von 6 m auf.

Die Fahrbahn ist alterungsbedingt poliert und es kann aufgrund der Fahrbahnoberfläche eine maximale Bremsverzögerung, je nach Bereifung eines Fahrzeuges, von 7,5 bis 8,5 m pro Sekundenquadrat erreicht werden. Ein sich der übergeordneten Straße näherndes Fahrzeug bzw. ein sich nähernder Fußgänger ist erst nach Durchfahren bzw.

Überschreiten der Randlinie sichtbar. Die Anfahrtssichtweiten für den untergeordneten Verkehrsteilnehmer sind allerdings so dimensioniert, daß sie ein sicheres Anfahren oder Gasgeben auch dann zulassen, wenn sich der übergeordnete Verkehr aus beiden Richtungen mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h nähert.

Durch die gefahrene Geschwindigkeit hat der Beschuldigte den zulässigen Anhalteweg auf das 2,65-fache vergrößert.

Nachdem die Wahrnehmbarkeit von Gegenständen neben bzw. auf der Straße vom Unterschied der Leuchtdichte abhängt, hätte in der starken Dämmerung der Beschuldigte einen unauffällig gekleideten Fußgänger mit einem durchschnittlich ausgebildeten Abschätzungsvermögen bezüglich Zeit und Weg eines herannahenden Fahrzeuges im Vergleich zu Zeit und Weg für eine von ihm zu überquerende Straße (W. Landesstraße), sohin von einem maßgerechten Fußgänger, der unter Anwendung des Vertrauensgrundsatzes ein auf der W. Landesstraße - einer Freilandstraße - fahrendes Fahrzeug, geschwindigkeitsmäßig auf 100 km/h eingeschätzt hätte und die überschießende Geschwindigkeit schwerlich zu taxieren vermochte, unweigerlich gefährdet oder auch schwerst verletzt, wobei auch Todesfolgen nahe lagen (siehe Gutachten des ASV v. 30.

Juli 1996, Seite 19 und 20). Vom Blickwinkel des fahrenden Beschuldigten aus, war nicht vorhersehbar, daß sich kein solcher Fußgänger an einem vor ihm liegenden Kreuzungsbereich befand, oder daß ein solcher Fußgänger zum Überqueren der Straße nicht angesetzt hätte.

Was die Würdigung der Beweise anlangt, so konnten die vernommenen Zeugen J. D. und K. Z. sowie das Gutachten des Amtssachverständigen überzeugen.

Wenn D.bei seiner Aussage am 22.10.1996 die Dämmerung als leicht bezeichnete, wo hingegen der Gendarmeriekollege K. Z.

von fortgeschrittener Dämmerung sprach, so konnte letztere Aussage in Zusammenhalt mit der Beschreibung der Witterung in der Anzeige vom 17.9.1994 mit "starker Dämmerung, bedeckt", überzeugen, zumal schon eine Zeit nach Sonnenuntergang herrschte und die Wolkendecke aufgrund des vorangegangenen Gewitters letztere Darstellung als plausibel erscheinen ließ. Die noch ursprünglich in der Anzeige aufscheinende und in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3.11.1994 wiedergegebene Bezeichnung des Tatortes mit 2,500 auf der W. Landesstraße wurde durch die zeugenschaftliche Vernehmung des Insp. K. Z. im Amtshilfeweg durch die Gemeinde A. aufgeklärt bzw. richtiggestellt und blieb dadurch auch ein vorgeworfener Sachverhalt, auch wenn das Straferkenntnis keine Notiz davon nahm. Die durch die Zeugenaussagen geschilderte Verfolgungshandlung wurde in der mündlichen Verhandlung durch die ergänzenden Aussagen der Zeugen D. und Z., die den Standort, von dem aus gemessen wurde, von früheren Messungen her genau kannten und mit 2,500 im Sinne der Kilometrierung der W. Landesstraße bezeichneten, bekräftigt. Demzufolge war der Tatort durch Abzug des am Display des Meßgerätes aufscheinenden Distanzpunktes von 284,3 m zu ermitteln.

Bei dem festgestellten Sachverhalt war folgendes rechtlich zu bedenken:

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist.

Die Verjährungsfrist beträgt im gegenständlichen Fall gemäß § 31 Abs.2 leg.cit., da keine Sonderfristen im Materiengesetz genannt sind, sechs Monate.

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung, Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl. und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Die vorstehende erwähnte Vernehmung des Zeugen Z. vor dem Marktgemeindeamt A. erfolgte am 3.1.1994 und erreichte den Vertreter des Beschuldigten durch Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Bezirkshauptmannschaft B. am 17.1.1995. Sie war, was die Beschreibung des Tatortes anlangt, ergänzend zur ersten Aufforderung zur Rechtfertigung, rechtzeitig.

Zum Zeitpunkt der Begehung der Tat war die StVO 1960 noch in der Fassung der 18. StVO-Novelle in Kraft. Da die 19.

StVO-Novelle das für das Delikt noch vorgesehene außerordentliche Milderungsrecht nicht mehr kannte (vergl.

§ 100 Abs.5 StVO 1960 idF der 19. Novelle) vorher aber die Anwendung desselben nicht ausgeschlossen war, war im Sinn des § 1 Abs.2 VStG das alte Recht anzuwenden. Wenn daher in der Folge von StVO die Rede ist, bezieht sich dies auf die Fassung der StVO 1960 nach der 18. Novelle, BGBl.Nr.522/1993. Eine diesbezügliche Präzisierung konnte im Berufungsweg noch erfolgen.

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, auf Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, z.B. beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesonders Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert.

Gemäß § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine in Abs.2, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Gemäß § 89 StGB ist, wer in den in § 81 Z1 u. 2 bezeichneten Fällen, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt, mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

Gemäß § 81 Z1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zu bestrafen, wer fahrlässig den Tod eines anderen unter besonders gefährlichen Verhältnissen herbeiführt.

Bei dem vom Gericht zu ahndenden Delikt der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89, muß es sich um eine konkrete Gefährdung handeln. Dies ergibt schon die Wortfolge aus ihrem Zusammenhang .... wer eine Gefahr für .... eines anderen herbeiführt ....

Da sowohl die gerichtlich strafbare Handlung als auch die Verwaltungsübertretung die Begehungsform "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" nennt, die Verwaltungsübertretung bei Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung subsidiär ist, muß es also bei der Verwaltungsübertretung um eine andere Art der Gefährdung als beim gerichtlich strafbaren Tatbestand handeln, soll der Gesetzgeber, was ihm nicht unterlegt werden darf, nicht als unvernünftig angesehen werden.

In diese Richtung weist auch das Erkenntnis des VwGH vom 20.12.1971, Zl.304/71. Demnach sind Dunkelheit, nasse Fahrbahn und überhöhte Geschwindigkeit besonders gefährliche Verhältnisse.

In Abgrenzung zum Gerichtsdelikt wird sohin die Auffassung vertreten, daß besonders gefährliche Verhältnisse im Sinne der StVO 1960 nicht erst dann vorliegen, wenn eine Person konkret gefährdet wurde oder wenn deren Tod oder Verletzung der körperlichen Integrität nur durch Zufall unterblieben ist, sondern wenn der Lenker des Fahrzeuges unter den gegebenen Verhältnissen z.B. so fährt, daß auf ein vor ihm auftauchendes Hindernis, wie z.B. ein anderer Verkehrsteilnehmer, nicht mehr ausreichend reagiert werden kann und schwerste Folgen im Zusammenhang mit seiner Fahrweise zu befürchten sind, wobei er andererseits nicht darauf vertrauen durfte, daß keine solche rechtmäßige Dazwischenkunft eines Hindernisses eintreten werde.

Dies war gegenständlich der Fall, indem der Beschuldigte eine Geschwindigkeit von 175 km/h fuhr, starke Dämmerung herrschte, die Fahrbahn noch vom Regen naß war und die Einsehbarkeit auf bestehende, ungleichrangige Kreuzungen und Grundstücksausfahrten, die von den Bewohnern der Ortschaften H. und W. regelmäßig benützt werden - und somit auf einen möglichen Querverkehr - durch Büsche, Bäume und Planken zum Teil gänzlich genommen und zum Teil wesentlich erschwert war. Beim Auftauchen eines Querverkehrs wäre der Beschuldigte, wie der Anhalteversuch des an sich für ihn weit sichtbaren Gendarmen zeigte, nicht mehr rechtzeitig zum Stehen gekommen und hätte der Beschuldigte mit schweren und schwersten Folgen der Übertretung rechnen müssen.

In der Zusammenschau der Umstände kommt daher der O.ö. Verwaltungssenat zur Ansicht, daß er die Geschwindigkeitsübertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen hat.

Zur Strafbemessung selbst hat der Rechtsmittelwerber konkret nichts vorgebracht.

Auch im Berufungsverfahren ist nichts hervorgetreten, was die Annahmen der I. Instanz und deren Würdigung in Zweifel gezogen hat, wird aus diesem Grunde hinsichtlich der Strafbemessung ausdrücklich auf die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwiesen.

Nachdem keine tragfähigen Milderungsgründe vorliegen, war die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes ausgeschlossen.

Die Erfolglosigkeit der Berufung brachte es mit sich, daß der Rechtsmittelwerber Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung 20 Prozent der bestätigten Geldstrafe als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat (§ 64 Abs.1 und 2 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G u s c h l b a u e r

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