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des Landes Oberösterreich
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VwSen-103572/14/Gu/Atz

Linz, 19.06.1996

VwSen-103572/14/Gu/Atz Linz, am 19. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Ewald LANGEDER sowie durch den Berichter Dr. Hans GUSCHLBAUER und den Beisitzer Dr. Hermann BLEIER über die Berufung des Alfred L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 24.1.1996, Zl. VU/P/4466/95 H, wegen Übertretung der StVO 1960, unmittelbar nach der am 13. Juni 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5 Abs.1 StVO 1960, § 45 Abs.1 Z1 1. Sachverhalt VStG, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 17.7.1995, um ca. 18.20 Uhr, in L, auf der L Straße von der Kreuzung mit der K kommend, in Richtung T, Kreuzung mit der K bei Strkm 5.306, den Kombi mit dem Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt zu haben und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 begangen zu haben. In Anwendung des § 99 Abs.1a StVO 1960 wurde ihm deswegen eine Geldstrafe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 2.000 S auferlegt.

Die erste Instanz stützt ihr Straferkenntnis im wesentlichen auf den Umstand, daß, nach dem zur vorstehenden Tatzeit erfolgten Unfall, an dem der Beschuldigte beteiligt war, bei letzterem um 19.39 Uhr eine Untersuchung der Atemluft ein Ergebnis von 0,37 mg/l erbracht hätte und in Folge eines nach Aufforderung am 18.9.1995 erstatteten Aktengutachtens eines medizinischen Sachverständigen sowohl unter der Annahme der Alkoholelimination ab Tatzeit die 0,4 mg/l-Grenze als auch unter der Annahme der Alkoholelimination eine Stunde nach Trinkende die 0,4 mg/l-Grenze erreicht bzw. überschritten gewesen sei und somit für den Tatzeitpunkt eine Alkoholbeeinträchtigung vorgelegen sei.

In der durch seinen Rechtsfreund verfaßten Berufung macht der Rechtsmittelwerber anders als bei seiner Erstvernehmung, welche im Anschluß an den Unfall erfolgte und wo er angab, 40 Minuten vor dem Unfall einen halben Liter Most aufgespritzt mit Mineralwasser getrunken zu haben, geltend, daß er zwei gespritzte Most getrunken habe und zwar in einem Zeitraum von 10 - maximal 20 Minuten. Unmittelbar nach dem Austrinken um 18.10 Uhr habe er sich mit dem Zeugen H zum Fahrzeug begeben und sei Richtung Unfallstelle gefahren.

In Verkennung der Ausführungen des Aktengutachtens führt er aus, daß der Sachverständige gemeint habe, der Atemalkoholgehalt zu Beginn der Eliminationsphase der Atemalkoholgehalt 0,4 mg/l betragen habe und die Eliminationsphase 50 Minuten nach dem Unfall gelegen sei, wobei der Rechtsmittelwerber zum Schluß kommt, daß auf die Tatzeit berechnet der Blutalkoholgehalt maximal 0,05 - 0,01 mg/l betragen habe.

Die Ausführungen des Amtssachverständigen seien insofern nicht nachvollziehbar, als ausgeführt werde, es habe eine Alkoholbeeinträchtigung bestanden. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Beurteilung der Alkoholisierungssymptome durch den Meldungsleger zu verweisen, welcher einen sicheren Gang, eine deutliche Sprache sowie beherrschtes Benehmen angeführt und keine sonstigen Merkmale festgestellt habe.

Die leichte Rötung der Bindehäute sei beim Berufungswerber zum Vorfallszeitpunkt berufsbedingt gegeben gewesen. Er habe nämlich vorher Schweißarbeiten verrichten müssen. Der deutliche Geruch der Atemluft nach Alkohol resultiere zweifelsohne daraus, daß er kurz vor den Feststellungen Alkohol zu sich genommen hatte. Bei einem Alkoholgehalt von 0,05 - 0,1 mg/l könne mit Sicherheit eine relevante Alkoholbeeinträchtigung oder Fahruntüchtigkeit ausgeschlossen werden. Jedenfalls sei zum Tatzeitpunkt kein Blutalkoholwert von knapp unter 0,8 %0 vorgelegen.

Aufgrund der Berufung wurde am 13. Juni 1996 in Gegenwart des Beschuldigten und seines Vertreters die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen der Beschuldigte vernommen und ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten wurde. Des weiteren wurden die Zeugen Rev.Insp. O und Günther Franz H vernommen. Auf den Grundlagen der vorgelegenen Ergebnisse hat der ärztliche Amtssachverständige ein Gutachten erstattet.

Aufgrund der aufgenommenen Beweise ergeben sich folgende Feststellungen:

Der Beschuldigte konsumierte in Gesellschaft des ihm bekannten Franz H und eines Jugendlichen namens M am 17.7.1995 um ca. 17.50 Uhr bis 18.10 Uhr zwei gespritzte Obstmöste und lenkte anschließend den PKW Kombi mit dem Kennzeichen auf der L Bezirksstraße von der geregelten Kreuzung mit der K kommend in Richtung T, wobei er die vorstehend erwähnten Personen als Beifahrer mitführte.

Um ca. 18.20 Uhr stieß er mit dem von Robert S gelenkten Kombi mit dem Kennzeichen, Marke Fiat Tipo und den von diesem mitgeführten Einachsanhänger, Kennzeichen, welcher von der K einbog, zusammen, wobei es zu erheblichen Personen- und Sachschäden kam.

Nach der Unfallaufnahme durch Beamte des Gendarmeriepostens Leonding wurde der Beschuldigte von einem geschulten und ermächtigten Organ der Straßenaufsicht zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomaten aufgefordert, weil der einschreitende Gendarmeriebeamte einen deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol festgestellt hatte. Im übrigen wies der Beschuldigte einen sicheren Gang, eine deutliche Sprache, eine leichte Rötung der Bindehäute, ein beherrschtes Benehmen und keine sonstigen auf Alkoholisierung hinweisende Symptome auf. Sein Körpergewicht betrug 80 kg und er hatte zu Mittag ein Paar Würstel verzehrt. Das Meßergebnis am 17.7.1995 um 19.39 Uhr erbrachte einen Atemluftalkoholgehalt von 0,37 mg/l. Die eine Minute später erfolgte zweite Messung ergab einen Gehalt von 0,39 mg/l.

Diese Feststellungen mit Ausnahme jener über die Trinkmenge stehen im Einklang mit den Erstangaben des Beschuldigten bei seiner Vernehmung nach dem Unfall, welche Angaben nach der Lebenserfahrung wegen des frischen unmittelbaren und durch keine Absprache beeinflußten Charakters ein erhöhtes Maß an Glaubwürdigkeit zukommt. Die Erstangabe von einem gespritzten Most konnte schon deswegen nicht überzeugen, weil auch einem medizinischen Laien, aber geprüften Kfz-Lenker geläufig ist, daß eine solche Alkoholmenge nach 1 1/2 Stunden keinen Atemalkoholgehalt von 0,37 mg/l an Alkohol ausweisen kann. Demzufolge lagen die Rechtfertigungsangaben in der Berufung und bei der Vernehmung des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung von zwei gespritzten Most - allerdings bei nicht näher nachvollziehbaren Mischungs- und Alkoholverhältnissen schon näher bei den allgemein bekannten Erfahrungswerten im Umgang mit Alkohol.

Wenn man das Trinkverhalten aufgrund der Erfahrungen und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ausgehend von den bloßen Meßwerten und den herrschenden Berechnungsmethoden zu ermitteln versucht, so kann der im Berufungsverfahren zugezogene medizinische Amtssachverständige bei seinen Berechnungen unter dem Bezugspunkt der unwiderlegbaren Rechtsvermutung eine Alkoholisierung von 0,4 mg/l Alkohol bzw. O,8 mg Blutalkohol einerseits, aber auch hinsichtlich der Phänomene einer Anflutung, welche bereits vor Erreichen des gesetzlichen Grenzwertes eine die Fahrtauglichkeit beeinträchtigende Alkoholisierung ausgewiesen hätte, zum Ergebnis, daß eine Grauzone vorlag, die eine verläßliche Aussage nicht erlaubte.

Wörtlich führt der medizinische Amtssachverständige unter Zugrundelegung der Aussage des einschreitenden Gendarmeriebeamten O - der bei L nach dem Unfall einen Geruch der Atemluft nach Alkohol und eine leichte Rötung der Bindehäute festgestellt hatte, im übrigen einen sicheren Gang, eine deutliche Sprache und sonst keine Merkmale der Alkoholisierung konstatierte - aus: "Der um 19.30 Uhr gemessene Atemalkoholgehalt von 0,37 mg/l entspricht einem Blutalkoholgehalt von 0,74 %o. Die Tatzeit lag im gegenständlichen Fall um 18.20 Uhr, somit 1 Std. 20 Min. vor dem Meßzeitpunkt. Zu den 0,74 %o muß somit zur Ermittlung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit der bereits abgebaute Alkoholanteil (in 1 Std. 20 Min. werden unter Annahme der minimalsten Eliminationsrate 0,13 %0 Blutalkohol abgebaut) berücksichtigt werden. Es ergibt sich dadurch zunächst rechnerisch eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 0,87 %0. Im konkreten Fall muß jedoch berücksichtigt werden, daß die Alkoholzufuhr erst kurz vor der Tatzeit, nämlich um 18.10 Uhr beendet wurde und daher diese Alkoholmenge zur Tatzeit noch nicht zur Gänze resorbiert war. Dieser nicht resorbierte Anteil des konsumierten gespritzten Mostes muß von der oben errechneten Blutalkoholkonzentration in Abzug gebracht werden, wobei sich diese komplexen biologischen Vorgänge jedoch nicht durch eine einfach schematische Rechnung darstellen lassen.

Im vorliegenden Fall kann aber davon ausgegangen werden, daß durch die nicht abgeschlossene Resorption zur Tatzeit womöglich ein Blutalkoholgehalt von weniger als 0,8 %0 vorgelegen hat.

Es ist eine wissenschaftlich unbestrittene Tatsache, daß die Beeinträchtigung durch Alkohol in der Anflutungsphase auch vor Erreichen eines Blutalkoholgehaltes von 0,8 %0 schwerwiegender ist als bei gleichen oder sogar niedrigeren Blutalkoholwerten in der postresorptiven Phase. Aufgrund der Tatsache, daß Herr L die zwei gespritzten Most in einem Zeitraum von nur 10 Minuten getrunken hat, kann auch grundsätzlich eine Anflutungswirkung angenommen werden. Für eine erhebliche Alkoholbeeinträchtigung fehlen aber eindeutige Hinweise. Es kommt lediglich der Geruch der Atemluft nach Alkohol in Betracht und die geröteten Bindehäute. Die Rötung der Bindehäute läßt sich auch durch die am gleichen Tag durchgeführten Arbeiten erklären. Es läßt sich folglich nicht sicher sagen, daß das Phänomen der Anflutung bei Herrn L eine Beeinträchtigung durch Alkohol bewirkt hat, die eine Fahruntüchtigkeit bewirken würde." Auch bei Würdigung der ständigen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich des Phänomens der Anflutungsphase war an den feststehenden Fakten des Einzelfalles Maß zu nehmen und wurden solche, die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Verhaltensweisen vom einschreitenden Gendarmeriebeamten gleich nach geschehenem Unfall und auch später nicht konstatiert. Der Unabhängige Verwaltungssenat versteht die Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes nicht verallgemeinernd, sondern immer aus der Spezifität des Einzelfalles heraus. Eine Anflutung nach einem Sturztrunk von Alkohol tritt regelmäßig ein. Eine die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Anflutung ist jedoch an der Menge des im Sturztrunk genossenen Alkohols allenfalls in der Zusammenschau mit dem vorher genossenen Alkohol zu würdigen und an den Verhaltensweisen, allenfalls durch eine klinische Untersuchung zu verifizieren.

Der vorliegende Fall hätte die klassische Grundlage für die Anwendung des § 5 Abs.5 Z1 StVO geboten.

Aufgrund des medizinischen Sachverständigen-Gutachtens ist es nicht gelungen, den Beschuldigten in einem für eine Bestrafung hinreichendem Maße zu überführen, daß er den PKW zur Tatzeit im alkoholisierten Zustand gelenkt hat.

Im Ergebnis war daher die Berufung erfolgreich und muß das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 erster Sachverhalt VStG eingestellt werden.

Dies hatte auf der Kostenseite zur Folge, daß der Rechtsmittelwerber für das Berufungsverfahren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Kostenbeiträge zu leisten hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Langeder

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