Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103575/13/Fra/Ka

Linz, 12.06.1996

VwSen-103575/13/Fra/Ka Linz, am 12. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Schieferer) über die Berufung des B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 12.2.1996, VerkR96-9887-1995-Li, betreffend Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960, nach der am 29.5.1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Schuld als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) herabgesetzt wird.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafe, ds 1.200 S.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.471/1995, iVm §§ 16, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995; zu II: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.1 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 16.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Tage) verhängt, weil er am 6. Mai 1995, gegen 22.15 Uhr, den PKW, Kz. , auf der Holzleitner Gemeindestraße im Ortschaftsbereich von Schalchen von Straßwalchen kommend in Richtung Mauerkirchen bis auf Höhe des Hauses H Nr. gelenkt hat und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 29.5.1996 erwogen:

I.3.1. Der Bw bringt im wesentlichen vor, daß er zum Vorfallszeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen sei. Das von der Erstbehörde eingeholte amtsärztliche Gutachten spreche zwar unter Berücksichtigung des günstigsten Umstandes von einer Alkoholisierung von 0,818 Promille BAG, dieses Gutachten berücksichtige jedoch nicht, daß er vor Antritt der Fahrt eine fette Nahrung zu sich genommen habe, was naturgemäß dazu führe, daß eine verzögerte Resorption des Alkoholes erfolgte, sodaß die zum Vorfallszeitpunkt errechnete Blutalkoholmenge nicht gegeben gewesen sei. Das amtsärztliche Gutachten sei somit nicht nachvollziehbar. Der Bw bemängelt weiters die Beweiswürdigung des Straferkenntnisses insoferne, als er die Auffassung vertritt, die Erstbehörde hätte nicht davon ausgehen dürfen, daß er keine Speckbrote verzehrt hat. Der Bw vertritt weiters die Auffassung, daß, wollte man theoretisch vom Vorliegen einer Alkoholisierung ausgehen, diese jedenfalls im Grenzbereich läge, sodaß die verhängte Strafe jedenfalls als zu hoch angesetzt erscheine. Aufgrund der Einwendungen des Bw hat der O.ö. Verwaltungssenat im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung den Meldungsleger Rev.Insp. A, GPK F, zeugenschaftlich vernommen. Weiters wurde die Mutter des Bw zur Frage des Konsums der Speckbrote als Zeugin vernommen. Die medizinische Sachverständige, Frau Dr. S H hat zu dem im folgenden näher dargestellten Beweisthema ein Gutachten erstattet.

I.3.2. Unstrittig im gegenständlichen Fall ist, daß der Bw zu der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Zeit am angegebenen Ort das in Rede stehende Kraftfahrzeug gelenkt hat und am angeführten Tag bei ihm eine Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat W 451 am GPK Mattighofen durchgeführt wurde. Die erste Messung um 23.53 Uhr erbrachte ein Ergebnis von 0,34 mg/l AAG, die zweite Messung um 23.55 Uhr einen AAG von 0,35 mg/l. Dieses Meßergebnis ist unstrittig. Irgendwelche Anhaltspunkte für eine nicht richtige Funktionsweise des Alkomaten oder für ein falsches Meßergebnis sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch vom Bw nicht vorgebracht. Die zur Berufungsverhandlung beigezogene Amtssachverständige Frau Dr. H hat zur Frage, welchen Alkoholgehalt der Bw zum Lenkzeitpunkt aufwies, wenn man von dem unbestrittenen Meßergebnis von 0,34 mg/l AAG um 23.53 Uhr ausgeht, ua ausgeführt, daß der um 23.53 Uhr festgestellte Atemalkoholgehalt von 0,34 mg/l einem Blutalkoholgehalt von 0,68 Promille im günstigsten Fall entspricht. Zur Ermittlung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration muß der bereits abgebaute Alkoholanteil berücksichtigt werden. Die stündliche Abbaurate - die sogenannte Elimination - schwankt zwischen minimal 0,1 Promille stündlich und maximal 0,2 Promille pro Stunde. Unter der für Herrn B günstigsten Annahme, nämlich, daß in einer Stunde minimal 0,1 Promille abgebaut wird, werden in einer Stunde und 40 Minuten 0,166 Promille abgebaut. Dieser Wert muß zu den 0,68 Promille BAG hinzugerechnet werden und das ergibt eine rechnerische minimale Tatzeitblutalkoholkonzentration von 0,846 Promille, weshalb Herr B mit Sicherheit zur Tatzeit alkoholbeeinträchtigt ausgehend von diesen Angaben war. Die Amtssachverständige hat in ihrem Gutachten vorerst irrtümlich angenommen, daß zwischen Tat- und Meßzeit lediglich 1 Stunde und 20 Minuten vergangen sind. Doch selbst bei Annahme dieses Zeitraumes hätte der Bw zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 0,813 Promille aufgewiesen.

Dieses Gutachten ist schlüssig und steht mit dem Stand der medizinischen Wissenschaften im Einklang, wurde auch vom Bw nicht in Zweifel gezogen und wird daher dieser Entscheidung zugrundegelegt.

I.3.3. Hauptargument des Bw ist das Vorbringen, daß er aufgrund von konsumierten Speckbroten gegen 20.00 Uhr sowie aufgrund des Umstandes, daß er die letzten Schlucke Bier kurz vor dem Lenken des Fahrzeuges getrunken hat, er sich noch in der Resorptionsphase befand, worauf in Verbindung mit seinem Körpergewicht von 90 kg zum Vorfallszeitpunkt im Sachverständigengutachten entsprechend Bedacht zu nehmen wäre. Die Amtssachverständige hat hiezu bei der Berufungsverhandlung ua folgendes ausgeführt: "Es ist folgende Befundlage zu berücksichtigen: 1/2 Bier von etwa 21.45 Uhr bis 22.00 Uhr, zwei fette Speckbrote gegen 20.00 Uhr, damals wurde ein Körpergewicht von 90 kg bei der heutigen Verhandlung angegeben. Zur Überprüfung dieser Trinkangaben muß die sogenannte Widmarkformel herangezogen werden, welche lautet:

Alkoholmenge in Gramm : kg-Körpergewicht x 0,7.

Eine Halbe Bier enthält 20 g Äthanol.

Das reduzierte Körpergewicht von 90 kg beträgt 90 kg x 0,7 = 63 kg. 20 g : 63 = 0,317 %o.

Von diesen 0,317 %o muß nun das generell vorhandene Resorptionsdefizit berücksichtigt werden. Im konkreten Fall:

Es wurde angegeben, daß zwei fette Speckbrote zuvor konsumiert wurden, ist dieses Resorptionsdefizit besonders hoch anzusetzen, wahrscheinlich sogar zwischen 30 und 50 %.

Zugunsten wird im vorliegenden Fall lediglich ein 30 %iges Resorptionsdefizit angenommen. Es müssen somit von den 0,317 %o 30 % abgezogen werden und es ergeben sich 0,22 %o.

Diese 0,22 %o stellen den max. Blutalkoholgehalt aus einer Halben Bier dar bei einer 90 kg schweren Person unter besonderer Berücksichtigung der fettreichen Mahlzeit. Von diesen 0,22 %o muß nun die Elimination, dh der stündliche Abbau berücksichtigt werden, welcher ab Trinkbeginn einsetzt. Zwischen 21.45 Uhr und Meßzeitpunkt um 23.53 Uhr sind etwa 2 1/4 Stunden vergangen. In einer Stunde wird minimal 0,1 %o abgebaut. In 2 1/4 Stunden zumindestens 0,2 %o. Diese 0,2 %o müssen von den 0,22 %o in Abzug gebracht werden und es ergibt sich ein 0-Wert aus dieser Trinkangabe. Aus medizinischer Sicht ist daraus der Schluß zu ziehen, daß diese Trinkangabe unvollständig oder unrichtig ist. Der Meßwert läßt sich daraus in keinster Weise erklären." Zur Frage, ob isoliert betrachtet, das letzte Bier, wenn es kurz vor Fahrtantritt genossen wurde, zur Tatzeit noch nicht resorbiert war, und daher der Blutalkoholgehalt unter 0,8 Promille liegen würde, hat die Amtssachverständige ausgeführt:

"Isoliert betrachtet, wäre dies aus medizinischer Sicht richtig. Jedoch wurde im Gutachten ausgeführt, daß diese halbe Bier in keinster Weise den Meßwert erklären kann und somit diese Angaben unrichtig bzw. unvollständig sind. Zur Frage, wie hoch dieser resorbierte Anteil genau wäre, wird ausgeführt, daß dies medizinisch nicht exakt beantwortet werden kann, möglicherweise sind bereits 50 % resorbiert, vielleicht sogar 75 %. Zur weiteren Frage, ob die um 20.00 Uhr genossenen Speckbrote noch einen Einfluß auf die Resorption haben, wird ausgeführt, daß durch diese fettreiche Mahlzeit möglicherweise die Resorption verzögert war, somit eben vielleicht doch nur 50 % resorbiert waren." Zur Frage, wenn man von einem Trinkbeginn um 21.00 Uhr ausgeht und die letzten Schlucke Bier kurz vor 22.00 Uhr konsumiert wurden, welchen Alkoholgehalt dies um 23.53 Uhr ergibt und ob die Resorptionsphase zur Lenkzeit bereits abgeschlossen war, führte die Amtssachverständige aus: "Zur ersten Frage, inwieweit sich der Trinkbeginn ab 21.00 Uhr auf den Meßzeitpunkt um 23.53 Uhr auswirkt, wird medizinisch ergänzt, daß unter dieser Annahme ein noch wesentlich größerer Anteil abgebaut wurde und sich natürlich weiterhin ein 0-Wert errechnet zum Meßzeitpunkt aus der halben Bier, wenn diese bereits um 21.00 Uhr getrunken wurde." Zur zweiten Frage, inwieweit sich diese Trinkangaben auf die Resorption auswirkt, wird ausgeführt, daß die Resorption üblicherweise nach 1 Stunde abgeschlossen ist. Wenn man aber davon ausgeht, daß eine fettreiche Mahlzeit zuvor konsumiert wurde, möglicherweise die Resorption erst 1 1/2 Stunden nach Trinkende abgeschlossen war. Es war somit zur Tatzeit um 22.15 Uhr sicherlich noch nicht die Resorption vollständig abgeschlossen. Wie groß der resorbierte bzw nicht resorbierte Anteil war, kann auch in diesem Fall nicht exakt angegeben werden." Resümierend stellt daher der O.ö. Verwaltungssenat fest: Die Trinkangaben des Bw in ihren verschiedensten Versionen (laut Beilage zur Anzeige vom 6.5.1995: 1/2 Bier von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr, laut Stellungnahme vom 23.8.1995: 1/2 Bier nach 21.00 Uhr und Austrinken dieses Bieres kurz vor der Fahrt sowie Konsum von zwei Speckbroten gegen 20.00 Uhr - diese Version wurde in den späteren Stellungnahmen aufrechterhalten und auch bei der Berufungsverhandlung wiederholt -) können in keinster Weise den gemessenen Atemalkoholwert um 23.53 Uhr erklären. Die Behauptung des Bw bei der Berufungsverhandlung, daß er möglicherweise auch eine zweite 1/2 Bier getrunken hat, wurde nicht den Berechnungen zugrundegelegt, weil diese Behauptung erstmals im gesamten Verfahren aufgestellt und im übrigen auch in der Möglichkeitsform vorgebracht wurde, sodaß der O.ö.

Verwaltungssenat dieser Behauptung keinen Glauben schenkte.

Glauben schenkte der O.ö. Verwaltungssenat - im Gegensatz zur Erstbehörde - jedoch dem Bw den Konsum der Speckbrote um ca. 20.00 Uhr, weil diese Behauptung von der Mutter des Bw glaubwürdig bestätigt wurde. Doch kann auch dieser Umstand siehe oben - den Bw nicht entlasten. Ob sich nun der Bw allenfalls zur Lenkzeit noch in der Resorptionsphase befand, ist aufgrund der unvollständigen bzw unrichtigen Angaben des Bw hinsichtlich seiner Trinkversionen eine reine Spekulation und kann daher ein allfälliges zur Lenkzeit bestehendes Resorptionsdefizit auch nicht berücksichtigt werden. Hätte der Bw von Anfang eine Trinkversion vorgebracht, die sich mit dem Alkomatergebnis in Üereinstimmung hätte bringen lassen, so hätte sich unter der Annahme, daß ein Teil des Alkoholkonsums vor Antritt der Fahrt genossen wurde, auch der Umstand, daß während der Lenkzeit die Resorptionsphase noch nicht abgeschlossen war, entsprechend begründen lassen.

Abgesehen von der Unglaubwürdigkeit der Trinkverantwortung insgesamt ist jedoch im gegenständlichen Fall festzustellen, daß der Bw nicht einmal versucht hat, den Konsum des Bieres vor Antritt der Fahrt unter Beweis zu stellen.

Auch der Einwand des Bw, daß Verfolgungsverjährung eingetreten sei, weil in den Verfolgungshandlungen der Alkoholisierungsgrad nicht angeführt wurde, ist unzutreffend. Es wird diesbezüglich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach der Grad der Alkoholbeeinträchtigung kein Tatbestandselement der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 bildet (VwGH vom 27.2.1992, 92/02/0065).

Die Berufung erweist sich daher hinsichtlich der Schuldfrage als unbegründet, weshalb sie abzuweisen war.

I.3.4. Zur Strafe wird ausgeführt:

Der O.ö. Verwaltungssenat sah sich zu einer schuldangemessenen Strafreduzierung veranlaßt, weil der Bw den gesetzlichen Grenzwert gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 nur geringfügig überschritten hat. Zudem wurde bedacht, daß die einschlägige Vormerkung aus dem Jahre 1991 stammt und in rund einem halben Jahr getilgt wird. Weiters waren dafür die bescheidenen Einkommensverhältnisse des Bw ausschlaggebend.

Eine weitere Herabsetzung erschien jedoch aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht vertretbar.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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