Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103633/2/Sch/<< Rd>> Linz, am 21. Mai 1996 VwSen103633/2/Sch/<< Rd>>

Linz, 21.05.1996

VwSen 103633/2/Sch/<< Rd>> Linz, am 21. Mai 1996
VwSen-103633/2/Sch/<< Rd>> Linz, am 21. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des WH, vertreten durch die RAe, vom 19. März 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 1. März 1996, VerkR96-3649/1994/Win, wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren eingestellt.

Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruch die Ziffer "1.)" anstelle in der Präambel nach den Worten "... Überholens gewechselt, ..." angefügt wird.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 200 S (Fakten 2 und 3).

Hinsichtlich Faktum 1 entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 400 S (20 % der zu Fakten 2 und 3 verhängten Geldstrafen) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 19 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Straferkenntnis vom 1. März 1996, VerkR96-3649/1994/Win, über Herrn WH, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960, 2) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 3) § 4 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 2.000 S, 2) 1.000 S und 3) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 72 Stunden, 2) 72 Stunden und 3) 72 Stunden verhängt, weil er 1) am 13. Dezember 1994 um ca. 11.05 Uhr als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen auf der Landshaager Bezirksstraße bei Kilometer 5,6 auf der Fahrt von St.

Martin iM in Richtung Landshaag den Fahrstreifen zum Zwecke des Überholens gewechselt habe, obwohl dadurch der Lenker des LKW mit dem behördlichen Kennzeichen zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt worden sei.

2) Nach dem dabei entstandenen Verkehrsunfall mit Sachschaden habe er es unterlassen, sofort anzuhalten und 3) die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl er dem am Unfall Beteiligten nicht seinen Namen und seine Anschrift nachgewiesen habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 400 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 und Abs.2 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

a) Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 (Faktum 1):

Gemäß § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960 ist unter Überholen das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug zu verstehen.

Von einem Überholen kann nur so lange die Rede sein, als sich die beiden Fahrzeuge ganz oder teilweise auf gleicher Höhe befinden. Die Phasen "Ansetzen zum Überholen" und "Einreihen vor das überholte Fahrzeug" können dagegen nicht dem Begriff "Überholen" zugerechnet werden; sie unterliegen gegebenenfalls vielmehr den Vorschriften des § 11 StVO 1960 über den Wechsel des Fahrstreifens (VwGH 23.3.1965, 1925/64).

Die Erstbehörde hat aber das Fahrverhalten des Berufungswerbers, nämlich einen Fahrstreifenwechsel, der Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 unterstellt, was allerdings weder in Einklang zu bringen ist mit der obgenannten Begriffsbestimmung noch mit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Dieses Fahrmanöver könnte allenfalls als Überholversuch gewertet werden (vgl. VwGH 6.9.1973, 84/72), dies hätte allerdings einer entsprechenden Formulierung im Spruch des Straferkenntnisses bedurft.

Unbeschadet dessen, daß es nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich grundsätzlich nicht dessen Aufgabe sein kann, allfällige erstbehördliche Subsumtionsfehler zu korrigieren, hätte eine Tatumschreibung, die der Bestimmung des § 11 Abs.1 StVO 1960 gerecht werden soll, die Formulierung enthalten müssen, daß der Fahrstreifenwechsel erfolgt sei, obwohl sich der Berufungswerber nicht davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei.

Das angefochtene Straferkenntnis war daher in diesem Punkt ohne Eingehen auf das Berufungsvorbringen und dessen Glaubwürdigkeit zu beheben.

b) Zu den Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO 1960 (Fakten 2 und 3):

In diesem Zusammenhang wird vom Berufungswerber im wesentlichen ausgeführt, er habe von einem Verkehrsunfall nichts wahrgenommen. Unmittelbar nach dem von ihm durchgeführten Zurücklenken auf den rechten Fahrstreifen habe er seinen Sohn ersucht, sich umzudrehen um zu schauen, ob "etwas passiert" sei. Diese Frage wurde verneint, weshalb der Berufungswerber zu der Ansicht gelangte, er habe seiner Pflicht genüge getan.

Die Berufungsbehörde vermag sich allerdings dieser Argumentation nicht anzuschließen. Zum einen wird von einem Fahrzeuglenker dann ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit verlangt, wenn eine potentiell gefährliche Verkehrssituation, wie etwa nach einem abgebrochenen Überholversuch, vorliegt. Dem Berufungswerber hätte also angesichts des vorhanden gewesenen Gegenverkehrs dessen Lenkmanöver wahrnehmen müssen. Sogar der Sohn des Berufungswerbers hat zeugenschaftlich angegeben, daß der Lenker des entgegenkommenden Postfahrzeuges, an welchem durch den Unfall Sachschaden entstand, einen erschrockenen Eindruck machte.

Dies habe er als Beifahrer des Berufungswerbers wahrnehmen können.

Überhaupt erscheint die Verantwortung des Berufungswerbers deshalb befremdend, da er sich offensichtlich einer anderen Person bedienen muß, um Informationen über Vorgänge im Straßenverkehr, an dem er als Fahrzeuglenker teilnimmt, zu erhalten. Es kann aber nicht so sein, daß ein Fahrzeuglenker einen Teil seiner Pflichten auf einen Beifahrer "delegiert".

Unbeschadet dessen bleibt letztlich der Lenker für sein Tun oder Unterlassen verantwortlich, also gehen auch allfällige mangelhafte Wahrnehmungen oder Fehlinformationen durch einen Beifahrer zu Lasten des Lenkers.

Auf die Frage, wie sich der Berufungswerber dann verhält, wenn er gerade keinen Beifahrer mithat, soll hier nicht eingegangen werden.

Die Berufungsbehörde schließt sich daher der Argumentation der Erstbehörde an, wonach der Berufungswerber den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen müssen bzw. ihm aufgrund des Geschehnisablaufes zumindest entsprechende Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, die auf einen Verkehrsunfall hindeuteten. Es geht nicht an, allein aus dem Umstand, daß das (möglicherweise) zweitbeteiligte Unfallfahrzeug noch fährt, zu schließen, es sei ohnedies nichts passiert. Im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 kommt hinzu, daß der Berufungswerber in der Folge von einem unbeteiligten Fahrzeuglenker auf den Verkehrsunfall aufmerksam gemacht worden ist, er aber dennoch keine Meldung erstattete. Lediglich der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, daß es für die Pflichten nach § 4 StVO 1960 nicht darauf ankommt, ob sich ein Unfallbeteiligter am Verkehrsunfall schuldig fühlt oder nicht, sondern nur darauf, ob er hieran beteiligt ist oder nicht.

Nach der Beweislage kann die Beteiligung des Berufungswerbers am Verkehrsunfall mit Sachschaden am Fahrzeug des Zweitbeteiligten nicht ernsthaft bestritten werden.

Schließlich ist zu der vom Berufungswerber gemachten Einrede der Verfolgungsverjährung im Zusammenhang mit dem Tatort zu bemerken, daß dieser für die Übertretungen nach § 4 StVO 1960 nicht in Eferding gelegen sein konnte, wo der Berufungswerber von dem obgenannten Fahrzeuglenker wegen des Verkehrsunfalles "zur Rede gestellt" wurde. Würde man der Argumentation des Rechtsmittelwerbers folgen, käme man zu dem Ergebnis, daß Tatort jeder beliebige Ort sein müßte, an dem der Verkehrsunfall nicht gemeldet wurde. Im vorliegenden Fall kämen also zwischen dem Unfallort und Eferding zahlreiche "Tatorte" in Frage.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 ist ein mehrfacher.

Insbesondere sollen hiedurch mögliche weitergehende Folgen eines Verkehrsunfalles hintangehalten, die Ursachen eines solchen möglichst umgehend ermittelt werden können, aber auch soll ein Unfallgeschädigter in die Lage versetzt werden, ohne unverhältnismäßigen Aufwand davon Kenntnis zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen haben wird. Der Unrechtsgehalt von Übertretungen des § 4 StVO 1960 muß daher als erheblich angesehen werden, worauf bei der Strafbemessung anhand der Kriterien des § 19 Abs.1 VStG Bedacht zu nehmen ist.

Erschwerungsgründe lagen nicht vor, der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde von der Erstbehörde berücksichtigt.

Dem Berufungswerber wurde Gelegenheit gegeben, seine persönlichen Verhältnisse bekanntzugeben. Diese hat er jedoch nicht wahrgenommen, sodaß von einem monatlichen Durchschnittseinkommen von ca. 15.000 S netto ausgegangen wurde, welches die Bezahlung der Geldstrafen ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Lebensführung bzw. allfälliger Gefährdung von Sorgepflichten zuläßt.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n




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