Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103642/8/Ki/Shn

Linz, 10.05.1996

VwSen-103642/8/Ki/Shn Linz, am 10. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Günther J, vom 19. März 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 14. März 1996, Zl.VerkR96-11244-1995-Ro, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 7. Mai 1996 hinsichtlich Faktum 2 zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 2 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 14. März 1996, VerkR96-11244-1995-Ro, über den Berufungswerber ua gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt, weil er am 15.7.1995 um 21.30 Uhr den PKW, Marke und Type Mercedes Benz (D), Kennzeichen, auf der R Bundesstraße 141 in I, Gemeinde P, Bezirk Braunau/Inn, in Richtung A bis zur Anhaltung in O, Gemeinde P nächst Haus Nr., gelenkt hat, wobei er bei Strkm in einen Verkehrsunfall verwickelt war und eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (zwei Leitpflöcke) beschädigt hat und nach diesem Unfall mit Sachschaden die nächste Gendarmeriedienststelle oder den Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe seiner Identität nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt hat (verletzte Rechtsvorschrift § 31 Abs.1 StVO 1960). Außerdem wurde er diesbezüglich gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 150 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber hat gegen das Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 19. März 1996 Berufung erhoben und beantragt, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Im wesentlichen argumentiert der Berufungswerber damit, daß ihn am verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall kein Verschulden treffe. Entgegen den Bestimmungen des § 4 StVO reiche ein Mitverursachen des Verkehrsunfalles nicht aus, um diese rechtliche Verpflichtung entstehen zu lassen.

Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat der Berufungswerber diesbezüglich vorgebracht, daß er von einem anderen Fahrzeug abgedrängt wurde.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, hinsichtlich Faktum 2 des Straferkenntnisses, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. Mai 1996 Beweis erhoben.

Bei der Verhandlung wurden der Berufungswerber sowie als Zeugen RI Georg M und Insp. Günther K einvernommen. Die belangte Behörde hat an der Verhandlung ohne Angabe von Gründen nicht teilgenommen.

I.5. Der Berufungswerber hat ausgesagt, daß ihm im verfahrensgegenständlichen Bereich in einer leichten Linkskurve ein Audi 80 oder 100 mit eingeschalteten Hallogenscheinwerfern entgegengekommen sei. Dieses Fahrzeug sei auf ihn zugefahren und habe auch glaublich sein Fahrzeug vorne touchiert, sodaß er daraufhin in den Straßengraben gefahren sei. Er sei bei dem Vorfall gegen die Windschutzscheibe gestoßen und wisse ab diesem Zeitpunkt eigentlich sehr wenig, er habe eine Platzwunde am Kopf erlitten. In der Folge sei er über die Straße in Richtung eines Baches gegangen und er habe sich beim Bach erbrechen müssen. Außerdem habe er sich dort das Gesicht abgewaschen.

Dieser Bach führe unmittelbar am Anwesen seiner Lebensgefährtin vorbei und er habe sich an diesem Bach orientiert. Zu Hause angekommen sei er sofort in das Haus hineingegangen, er wisse jedoch nicht, wie lange er sich aufgehalten habe. In der Folge sei seine Lebensgefährtin mit vier Polizisten gekommen. Er sei zu Hause in das Bad gegangen und habe überdies wegen Bauchschmerzen einen Underberg getrunken.

Der Berufungswerber führte weiters aus, daß die am Verhandlungstag noch immer sichtbare Narbe auf der rechten Stirn auf den Unfall zurückzuführen sei. Er habe überdies sein Auto nicht verschlossen und eine Aktentasche sowie Papiere bzw etwa 2.500 bis 3.000 DM im Fahrzeug gelassen.

Beide als Zeugen einvernommene Gendarmen führten aus, daß sie das Fahrzeug des Berufungswerbers im Straßengraben liegend gefunden hätten. Sie hätten das Fahrzeug begutachtet, es sei an der Front beschädigt gewesen. RI M führte zudem aus, daß glaublich an der Frontscheibe eine Eindellung gewesen sei.

Der Berufungswerber sei dann im Haus seiner Lebensgefährtin angetroffen worden, es konnte an der Stirn eine leicht blutende Verletzung festgestellt werden, es bestand jedoch der Eindruck, daß er geistig und zeitlich orientiert war.

Im Verfahrensakt befindet sich eine ärztliche Stellungnahme des Amtsarztes der BH Braunau, in der ausgeführt wurde, daß im gegenständlichen Fall eine Blutabnahme mit sofortiger Einweisung ins Krankenhaus (Gehirnerschütterung zur Abklärung) unumgänglich gewesen wäre.

In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö. Verwaltungssenat zur Auffassung, daß diese entscheidungswesentlichen Beweismittel der Entscheidung zugrundegelegt werden können.

I.6. Nach Würdigung der erhobenen Beweise hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeioder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Dazu wird zunächst festgestellt, daß im Verwaltungsstrafverfahren (auch in der Schuldfrage) der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft (bzw der Schuld) des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Im gegenständlichen Falle ist unbestritten, daß durch den Verkehrsunfall zwei Leitpflöcke (Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs) beschädigt wurden.

Nach der obzitierten Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 ist eine Beschädigung dann nicht strafbar, wenn diese so rasch als möglich, und zwar von wem immer, den in dieser Bestimmung angeführten Stellen gemeldet worden ist. Daß die Beschädigung schlechthin nicht gemeldet wurde, wurde dem Berufungswerber jedoch im erstinstanzlichen Verfahren nicht zur Last gelegt. Ihm wurde ausdrücklich zur Last gelegt, daß er nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Gendarmeriedienststelle oder den Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe seiner Identität nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt habe.

Wie der Berufungswerber zu Recht ausführt, verlangt die gegenständliche Norm eine doppelte Schuldprüfung und zwar einerseits die Beurteilung der Frage des Verschuldens am Zustandekommen des Verkehrsunfalles selbst und in weiterer Folge das (subjektive) Verschulden hinsichtlich der unterlassenen Meldung.

Für die Beurteilung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerber im vorliegenden Falle kann es dahingestellt bleiben, ob er tatsächlich von einem anderen Fahrzeug abgedrängt wurde und somit kein Verschulden am Zustandekommen des gegenständlichen Verkehrsunfalles hatte. Maßgeblich ist im Hinblick auf den Tatvorwurf durch die Erstbehörde im konkreten Fall ausschließlich die Frage, ob der Berufungswerber schuldhaft diesen Vorfall nicht ordnungsgemäß gemeldet hat. Ausgehend vom Attest des Amtsarztes der belangten Behörde, worin festgestellt wurde, daß in diesem Fall eine Blutabnahme mit sofortiger Einweisung ins Krankenhaus (Gehirnerschütterung zur Abklärung) unumgänglich gewesen wäre bzw der evidenten Tatsache, daß der Berufungswerber bei dem gegenständlichen Verkehrsunfall an der rechten Stirn eine Platzwunde erlitten hat, welche im Hinblick auf die noch vorhandene Narbe bzw die festgestellte Eindellung an der Frontscheibe des Unfall-Kfz nicht unbeträchtlich gewesen sein dürfte, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß der Berufungswerber bei dem Verkehrsunfall eine Gehirnerschütterung erlitten hat und er trotz seiner augenscheinlichen Orientiertheit im Hinblick auf diese allfällige Gehirnerschütterung nicht in der Lage war, sich der Rechtslage gemäß zu verhalten.

Dafür, daß der Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall nicht voll dispositions- bzw diskretionsfähig gewesen sein könnte, spricht auch, daß er sein Fahrzeug unversperrt am Unfallort hinterlassen hat, obwohl sich in diesem Fahrzeug eine Aktentasche, Papiere und ein Geldbetrag von etwa 2.500 bis 3.000 DM befunden haben.

Der Berufungswerber hat überdies in keiner Weise versucht, sich der Amtshandlung zu entziehen. Er hat sich zum Haus seiner Lebensgefährtin begeben und sich dort aufgehalten, obwohl er damit rechnen mußte, daß die Gendarmeriebeamten ihn dort auffinden würden.

Aufgrund der dargelegten Umstände kann im vorliegenden Falle nicht ohne weiteres angenommen werden, daß dem Berufungswerber an der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung ein Verschulden trifft und es kann somit die ihm zur Last gelegte Tat in subjektiver Hinsicht nicht erwiesen werden.

Es war daher "in dubio pro reo" der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 AVG).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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