Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103659/13/Ki/<< Rd>> Linz, am 27. August 1996 VwSen103659/13/Ki/<< Rd>>

Linz, 27.08.1996

VwSen 103659/13/Ki/<< Rd>> Linz, am 27. August 1996
VwSen-103659/13/Ki/<< Rd>> Linz, am 27. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Dr. Sigrid M, vom 13. März 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 4. März 1996, VerkR01-1016-1995/Bi/Pr, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II. Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 300 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Straferkenntnis vom 4. März 1996, VerkR01-1016-1995/Bi/Pr, über die Berufungswerberin wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs.4 StVO 1960 iVm § 19 Abs.7 StVO 1960 und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil sie am 29. April 1995 um ca. 12.15 Uhr ihren PKW, Kennz. auf der Verbindungsstraße Friedhofstraße Kreuzung Bahnhofstraße im Ortsgebiet von Windischgarsten gelenkt und beim Einbiegen in die Bahnhofstraße den Vorrang trotz entsprechender Verkehrszeichen nicht beachtet hat, da sie als die durch das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" Wartepflichtige, die aus Richtung Hauptplatz ankommende Fahrzeuglenkerin zum Ablenken ihres Fahrzeuges nötigte. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 150 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Die Berufungswerberin erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 13. März 1996 Berufung mit dem Antrag, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und ersatzlos zu beseitigen und das gegen die Beschuldigte eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen bzw. in eventu die verhängte Geldstrafe angemessen herabzusetzen bzw. gemäß § 21 VStG von einer Bestrafung abzusehen. Auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wurde ausdrücklich verzichtet.

Im wesentlichen wird argumentiert, daß gemäß § 99 Abs.6 lit.a StVO 1960 eine Verwaltungsübertretung nicht vorliege, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist und die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden sind bzw. eine Übertretung nach Abs.1 nicht vorliegt. Dies treffe im gegenständlichen Fall zu, da die Unfallbeteiligte am Körper nicht verletzt wurde und eine Verletzung aufgrund des Unfallherganges und der Schadensbilder an den unfallbeteiligten Fahrzeugen auszuschließen sei. Die Beschuldigte habe die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten, sie habe ihr Fahrzeug angehalten und es seien auch sämtliche Daten ausgetauscht worden, sodaß hier keine Strafbarkeit gegeben sei. Durch die Tat sei lediglich Sachschaden entstanden. Die Beschuldigte habe die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.

Die Unfallbeteiligte sei angegurtet gewesen und habe die auf ihren Körper treffende Geschwindigkeitsänderung den Wert von 15 km/h unterschritten, sodaß eine Verletzungsfolge auszuschließen sei. Nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und durchgeführten Untersuchungsreihen bei Verkehrsunfällen, sei eine Verletzung eines Fahrzeuglenkers dann auszuschließen, wenn die auf den Körper des Fahrzeuglenkers treffende Geschwindigkeitsänderung den Wert von 15 km/h unterschreitet. Eine Verletzung sei umso mehr auszuschließen, als die Unfallbeteiligte angegurtet war.

Hinsichtlich der Strafhöhe vertritt die Berufungswerberin die Auffassung, daß im Hinblick auf das geringfügige Verschulden gemäß § 21 VStG von einer Strafe abgesehen hätte werden müssen bzw. darüber hinaus die verhängte Strafe überhöht sei.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte unterbleiben, zumal im bekämpften Bescheid keine 3.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Die Berufungswerberin hat ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. In diesem Verfahrensakt befindet sich ua eine Verletzungsanzeige von Dr. Jakesch Wolfgang, prakt. Arzt in Windischgarsten, vom 29. April 1995, wonach bei der Unfallgegnerin der Berufungswerberin eine Halswirbelsäulenverstauchung, eine Stirnprellung sowie Kopfschmerzen diagnostiziert wurden.

Im Berufungsverfahren wurde ein Ergänzungsgutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt. In diesem Gutachten wurde konkret festgestellt, daß im vorliegenden Falle die Energy Equivalent Speed ca. 13 bis 15 km/h betragen hat. Weiters liegt eine Stellungnahme des Institutes für gerichtliche Medizin vom 29. Juli 1996 vor, wonach die apodiktische Behauptung, daß eine Verletzung eines Fahrzeuglenkers dann auszuschließen ist, wenn die auf den Körper des Fahrzeuglenkers treffende Geschwindigkeitsänderung den Wert von 15 km/h unterschreitet, nicht kritiklos oder uneingeschränkt hingenommen werden kann. Grundsätzlich kann aus medizinisch-gutachterlicher Sicht gesagt werden, daß Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen bei bestimmten Unfallkonstellationen auch bei einer relativen Geschwindigkeitsänderung von 15 km/h oder darunter auftreten können.

Aus den Verfahrensunterlagen ergibt sich überdies entgegen der Berufungsbehauptung, daß die Unfallgegnerin der Beschuldigten zum Vorfallszeitpunkt nicht angegurtet war.

I.5. Unter Zugrundelegung der vorliegenden Verfahrensunterlagen hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Ist vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" oder "Halt" angebracht, so haben gemäß § 19 Abs.4 StVO 1960 sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang.

Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf gemäß § 19 Abs.7 leg.cit. durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen, die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Eine Verwaltungsübertretung liegt gemäß § 99 Abs.6 lit.a StVO 1960 nicht vor, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden sind und nicht eine Übertretung nach Abs.1 vorliegt.

Der Umstand, daß die Berufungswerberin dem Tatvorwurf entsprechend eine "Vorrangverletzung" begangen hat, wird nicht bestritten. Fraglich ist ausschließlich, ob im vorliegenden Falle der Berufungswerberin die Rechtswohltat des § 99 Abs.6 lit.a StVO 1960 zugute kommen kann.

Zur Klärung dieser Frage wurde im erstinstanzlichen Verfahren bzw. ergänzend im Berufungsverfahren das Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt.

Aus diesem Gutachten geht hervor, daß die Energy Equivalent Speed ca. 13 bis 15 km/h betragen hat. Dieses Gutachten deckt sich mit der Argumentation der Berufungswerberin, wonach die auf den Körper der Unfallgegnerin der Berufungswerberin treffende Geschwindigkeitsänderung den Wert von 15 km/h nicht überstiegen hat, weshalb die in der Stellungnahme vom 20. August 1996 beantragte Einholung eines kfz-technischen Gutachtens nicht mehr erforderlich ist.

Entgegen der Berufungswerberin hat jedoch das Institut für gerichtliche Medizin in einer schlüssigen und nicht im Widerspruch zu den Denkgesetzen nach der Erfahrung des Lebens stehenden Stellungnahme festgestellt, daß Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen bei bestimmten Unfallkonstellationen auch bei einer relativen Geschwindigkeitsänderung von 15 km/h oder darunter auftreten können. Durch diese Stellungnahme wird die Argumentation der Berufungswerberin, eine Verletzung eines Fahrzeuglenkers sei generell auszuschließen, wenn die auf den Körper des Fahrzeuglenkers treffende Geschwindigkeitsänderung den Wert von 15 km/h unterschreitet, widerlegt.

Im vorliegenden Falle wurden die Verletzungen der Unfallgegnerin der Berufungswerberin durch einen praktischen Arzt diagnostiziert und es bestehen nach Vorliegen der Stellungnahme des Institutes für gerichtliche Medizin keine Bedenken im Hinblick auf diese Feststellungen. Es besteht keine Veranlassung dem Arzt eine falsche Diagnose zu unterstellen.

Daß die Unfallgegnerin letztlich nicht arbeitsunfähig war, ist im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes im vorliegenden Verfahren nicht relevant.

Die objektive Erfüllung des vorgeworfenen Tatbestandes durch die Berufungswerberin wird daher als erwiesen angesehen.

Was die subjektive Tatseite (§ 5 VStG) anbelangt, so sind aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen keine Umstände zu ersehen, daß die Berufungswerberin subjektiv zur Einhaltung der Verwaltungsvorschrift nicht in der Lage gewesen wäre und es wurden solche Umstände auch nicht behauptet. Die Berufungswerberin hat daher die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

I.6. Hinsichtlich Strafbemessung hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Die Berufungswerberin vertritt die Auffassung, daß ihre Schuld derart gering sei, daß gemäß § 21 VStG von einer Strafe abgesehen hätte werden müssen.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Nach dieser Bestimmung darf das Verschulden des Beschuldigten nur geringfügig sein und es dürfte die Übertretung lediglich unbedeutende Folgen nach sich ziehen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorhanden sein.

Im vorliegenden Falle wurde jedoch die Unfallgegnerin der Berufungswerberin durch den Unfall verletzt, weshalb von unbedeutenden Folgen der Verwaltungsübertretung nicht die Rede sein kann. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG sind somit nicht erfüllt und es wäre somit das Absehen von der Verhängung einer Strafe bzw. die Erteilung einer Ermahnung unzulässig.

Was die Strafhöhe anbelangt, so vertritt die erkennende Berufungsbehörde die Auffassung, daß diese durch die Erstbehörde iSd § 19 VStG korrekt festgelegt wurde.

Die Erstbehörde hat das Ausmaß des Verschuldens und die bisherige Unbescholtenheit der Berufungswerberin gewertet und die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abgewogen.

Unter Berücksichtigung der unbestrittenen von der Erstbehörde geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurde die Strafe, insbesondere im Hinblick auf die Folgen der Verwaltungsübertretung, bei dem gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 10.000 S) relativ milde bemessen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, daß sowohl aus generalpräventiven als auch aus spezialpräventiven Gründen eine Herabsetzung im vorliegenden Falle nicht vertretbar wäre.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. K i s c h


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