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des Landes Oberösterreich
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VwSen-103702/5/Ki/Shn

Linz, 24.06.1996

VwSen-103702/5/Ki/Shn Linz, am 24. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Theresia W, vom 16. April 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 29. März 1996, Zl.VerkR96-13888-1995-Kb, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird dahingehend stattgegeben, daß die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II: Für das Berufungsverfahren ist kein Verfahrenskostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG zu II: § 65 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 29. März 1996, VerkR96-13888-1995-Kb, über die Berufungswerberin wegen einer Verwaltungs übertretung nach § 4 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil sie am 13.10.1995, um 12.50 Uhr, den Kombi mit dem Kennzeichen auf der Landesstraße in Richtung R, Gemeinde Braunau am Inn, lenkte und es unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden nächst Strkm 0,2, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 100 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Die Berufungswerberin erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 16. April 1996 Berufung mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis der Behörde erster Instanz zu beheben und das gegen sie geführte Verwaltungsstrafverfahren, allenfalls nach Einholung der von ihr angebotenen Beweise, ersatzlos einzustellen und ihr zu gegebener Zeit hierüber eine Bestätigung auszustellen.

Begründet wird das Rechtsmittel im wesentlichen damit, daß die Berufungswerberin mit der Unfallsbeteiligten so verblieben sei, daß für den Fall, daß sich entgegen der ursprünglichen Meinung dennoch eine Verletzung ergeben sollte, der Vorfall selbstverständlich von ihr der Behörde zur Anzeige gebracht würde. Dies sofort nach Kenntnis. Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles war für sie eine Verletzung nicht erkennbar. Die Unfallsbeteiligte habe nicht zu erkennen gegeben, daß sie verletzt sei, sondern habe sich eine allfällige Verletzung erst durch die Kontrolluntersuchung im AKH ergeben. Diese sollte abgewartet werden und erst dann Anzeige erstattet werden, sobald man Gewißheit darüber erlangt habe, ob tatsächlich eine Verletzung vorgelegen habe. Sie habe den Vorsatz gehabt, den gegenständlichen Vorfall der nächsten Polizei- und Gendarmeriedienststelle zur Anzeige zu bringen, sofern sich eine Verletzung der Unfallsbeteiligten ergeben hätte. Es könne ihr daher nicht vorgeworfen werden, sie hätte fahrlässig die Verständigung der Gendarmerie bzw Polizeidienststelle unterlassen. Im Strafverfahren des Bezirksgerichtes Braunau/Inn habe sich ergeben, daß keine verletzungsbedingten Unfallfolgen vorhanden sind. Da mangels Vorliegen einer Verletzung der Unfallsbeteiligten eine Meldepflicht nicht vorgelegen habe, sei der gegen sie erhobene Strafvorwurf zu Unrecht erfolgt.

Es wurde die zeugenschaftliche Einvernahme von Frau Katharina S zum Beweis dafür beantragt, daß an der Unfallsstelle eine Verletzung noch nicht offensichtlich gewesen sei und zwischen ihr und Frau S vereinbart wurde, daß für den Fall, daß eine Verletzung vorliegt, von ihr Anzeige erstattet würde. Weiters wurde die Einholung des Gerichtsaktes samt dem medizinischen Gutachten Dris. S zum Beweis dafür beantragt, daß bei Frau Katharina S keine unfallbedingten Verletzungen bestanden haben.

Weiters wurde ausgeführt, daß zu berücksichtigen wäre, daß aufgrund ihres Verhaltens ihr Verschulden nicht schwer wiege, sodaß durchaus mit einer Ermahnung gemäß § 21 Abs.1 VStG das Auslangen gefunden hätte werden können. Auch wurde bemängelt, daß im Straferkenntnis nicht die bekanntgegebenen Vermögensverhältnisse Berücksichtigung gefunden hätten.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte unterbleiben, zumal im bekämpften Bescheid keine 3.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt bzw in Entsprechung des Beweisantrages der Berufungswerberin in den Akt des BG Braunau/Inn, U 291/95.

Im zitierten Gerichtsakt befindet sich ein Gutachten Dris. S (gerichtlich beeideter Sachverständiger) vom 4. März 1996, aus welchem hervorgeht, daß Frau S beim verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall eine leichte Verletzung, nämlich die Prellung der Handkante (fünfter Mittelhandknochen) erlitten hat.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Im vorliegenden Falle wird der Berufungswerberin vorgeworfen, daß sie nach dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht sofort verständigt hat. Daß sie ursächlich an dem Verkehrsunfall beteiligt war, wird von ihr nicht bestritten. Weiters wird von ihr nicht bestritten, daß die Unfallsbeteiligte nach dem Verkehrsunfall über Schmerzen klagte und sie sich vorsichtshalber ins Krankenhaus zur Untersuchung begeben hat. Allerdings vertritt die Berufungswerberin die Auffassung, daß sie im vorliegenden Falle mit der Unfallsmeldung zuwarten durfte, zumal sie keine Verletzung feststellen konnte und sie den Vorsatz hatte, den Vorfall der nächsten Polizei- und Gendarmeriedienststelle zur Anzeige zu bringen, sofern sich eine Verletzung von Frau S durch die Untersuchung im Krankenhaus ergeben hätte.

Das Wort "sofort" iSd zitierten Gesetzesbestimmung ist im wörtlichen Sinn zu verstehen, sodaß der/die Verpflichtete so rasch wie möglich die Verständigung vorzunehmen hat. Dabei kommt es weder auf das Verschulden noch auf die Art oder Schwere der Verletzung einer Person, sondern einzig allein darauf an, ob ein Unfall mit Personenverletzung vorliegt.

Wie bereits die belangte Behörde in der Begründung ihres Straferkenntnisses ausgeführt hat, ist eine Verpflichtung nach § 4 Abs.2 StVO 1960 streng auszulegen. Demnach genügt zum Entstehen der Verständigungspflicht der offenbar nicht unbegründete Verdacht, daß eine andere Person verletzt worden sein könnte (vgl VwGH 22.3.1991, 90/18/0266).

Im vorliegenden Falle hat die Unfallsbeteiligte über Schmerzen an ihrer Hand geklagt und bereits am Unfallsort der Berufungswerberin dargelegt, daß sie sich zur Untersuchung ins Krankenhaus begeben würde. Allein dieser Umstand begründet - bei einer objektiven Betrachtungsweise den Verdacht, daß möglicherweise eine Verletzung vorliegt, weshalb die Berufungswerberin verpflichtet gewesen wäre, ihrer Meldepflicht sofort nachzukommen. Die Ansicht, nur eine an der Unfallsstelle sichtbare Verletzung des anderen Lenkers hätte die Verständigungspflicht begründet, ist unrichtig. Außerdem obliegt es, anders als bei bloßem Sachschaden, nicht den Unfallsbeteiligten, eine - wenn auch vorläufige - Unterlassung der Unfallsmeldung iSd § 4 Abs.2 StVO 1960 zu vereinbaren.

Daß die Unfallsgegnerin der Berufungswerberin durch den Unfall verletzt wurde, ist durch das bereits obzitierte Gutachten im Akt des BG Braunau/Inn evident. Die beantragte Einvernahme von Frau S als Zeugin war nicht erforderlich, zumal der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt unbestritten feststeht. Es ist somit eindeutig erwiesen, daß die Berufungswerberin ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen ist und daher der objektive Tatbestand der verfahrensgegenständlichen Rechtsvorschrift erfüllt wurde.

Was das Verschulden anbelangt, so ist von einem mit den rechtlichen Werten verbundenen Kraftwagenlenker zu erwarten, daß er die gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt. Eine allfällige Unkenntnis der entsprechenden Rechtsvorschrift vermag einen geprüften Kraftwagenlenker nicht zu entlasten.

Der Umstand, daß letztlich keine verletzungsbedingten Folgen vorhanden sind, ist im vorliegenden Falle hinsichtlich der Schuldfrage nicht relevant, zumal selbst leichte Verletzungen eine Meldepflicht auslösen.

Weitere Gründe, welche ein Verschulden der Berufungswerberin an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, hat diese nicht glaubhaft gemacht und es sind solche Gründe im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Berufungswerberin hat daher die vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

I.6. Was die Strafbemessung anbelangt, so hat die belangte Behörde im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens die Geldstrafe tat- und schuldangemessen festgelegt. Die Strafe wurde bei dem gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S) äußerst gering bemessen und ist der Berufungswerberin auch in bezug auf ihre mit Schriftsatz vom 19. März 1996 bekanntgegebenen sozialen Verhältnisse zumutbar. Die belangte Behörde hat weiters die bisherige Unbescholtenheit der Berufungswerberin bereits als strafmildernd gewertet. Sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen erscheint eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe nicht vertretbar.

Was die Ersatzfreiheitsstrafe anbelangt, so läßt sich dem Gesetz zwar nicht entnehmen, daß innerhalb der gesetzlichen Mindest- und Höchstsätze ein bestimmtes Verhältnis zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe bestehen müsse. Es ist jedoch auch diesbezüglich eine Prüfung der Tat- und Schuldangemessenheit vorzunehmen. Die erkennende Behörde vertritt die Auffassung, daß die von der belangten Behörde festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend dem durch die Geldstrafe bewerteten Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung zu hoch bemessen wurde, weshalb eine entsprechende Reduzierung geboten erschien.

Was die im Berufungsschriftsatz angesprochene Ermahnung gemäß § 21 Abs.1 VStG anbelangt, so wird auf § 100 Abs.5 StVO 1960 verwiesen. Nach dieser Bestimmung finden unter anderem bei einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.2 die Bestimmungen des § 21 keine Anwendung. Die Erteilung einer Ermahnung ist daher im Falle einer Übertretung des § 4 Abs.2 StVO 1960 ex lege ausgeschlossen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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