Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103746/2/Bi/Fb

Linz, 13.05.1996

VwSen-103746/2/Bi/Fb Linz, am 13. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn T T, L, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S E, L, L, vom 25. April 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 2. April 1996, VerkR96-3648-2-1995, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z3 VStG, §§ 20 Abs.1 erster Satz iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem oben ange führten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.1 erster Satz iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 300 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 11. September 1995 um 7.35 Uhr als Lenker des PKW, Kennzeichen , auf der Bundesstraße bei Strkm im Gemeindegebiet von M die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen angepaßt habe, weil er auf den vor ihm befindlichen PKW aufgefahren sei. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 30 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber führt aus, er sei schon seit längerem innerhalb der Kolonne unterwegs gewesen und habe daher gezwungenermaßen die gleiche Geschwindigkeit wie die Kolonnenfahrzeuge eingehalten. Die Geschwindigkeit der Kolonne sei nach den Straßenverhältnissen und nach den Verordnungen zulässig gewesen. Das Auffahren auf den vor ihm fahrenden PKW habe sich durch einen geringfügigen Reaktionsverzug ergeben, wobei die massiven Schäden, die bei dem Verkehrsunfall entstanden seien, nicht auf sein Fahrverhalten, sondern auf das der ihm nachkommenden Fahrzeuglenkerin zurückzuführen seien. Diese habe vollkommen die Beachtung auf den übrigen Verkehr vermissen lassen, kein Bremsmanöver eingeleitet und sei mit voller Geschwindigkeit in den von ihm gelenkten PKW gefahren. Das ergebe sich auch aus den Fotografien der Unfallfahrzeuge.

Er habe eine angepaßte Fahrweise eingehalten und ein leichter Reaktionsverzug bilde keinen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Zum Beweis dafür wird die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Kraftfahrwesen und im übrigen die ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses beantragt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, daß E P ihren PKW zur angeführten Zeit auf der B von P kommend Richtung L lenkte und bei der ampelgeregelten Donaubrückenkreuzung aufgrund eines Verkehrsstaus anhalten und dazu kräftig abbremsen mußte. Der nachfolgende PKW-Lenker Ing. H E kam mit seinem PKW noch rechtzeitig zum Stillstand. Der nachfolgende Rechtsmittelwerber, der den PKW der A Z lenkte, fuhr jedoch auf den PKW E auf und die hinter ihm nachkommende M H fuhr mit ihrem PKW auf den vom Rechtsmittelwerber gelenkten auf. P, Z und H wurden bei dem Verkehrsunfall verletzt, wobei jeweils Gesundheitsstörungen von mehr als 3 Tagen vorlagen.

Die Zeugen P und Ing. E haben bei den Unfallerhebungen ihre Geschwindigkeit vor dem Vorfall mit etwa 40 bis 50 km/h angegeben, die Zeugin H spricht von ca 30 km/h.

Der Rechtsmittelwerber hat seine Geschwindigkeit vor dem Anprall mit etwa 50 bis 60 im dritten Gang beschrieben und ausgeführt, daß er in M bei der Ampelanlage bei grün durch fahren habe können. Plötzlich habe er beim Mercedes vor ihm kurz die Bremslichter aufleuchten gesehen und sofort eine Vollbremsung eingeleitet, sei aber auf den Mercedes aufgeprallt. Unmittelbar darauf habe er dann noch am Heck seines Fahrzeuges den Aufprall der ihm nachkommenden Lenkerin verspürt.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 20 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muß zur Beurteilung der Frage, ob ein Fahrzeuglenker eine im Sinn des Abs.1 unzulässige Geschwindigkeit eingehalten hat, diese Geschwindigkeit auch ziffernmäßig festgestellt und in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen werden. Es genügt nicht, als erwiesen anzunehmen, der Lenker habe eine in bezug auf die gegebenen Straßen- und Sichtverhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten (VwGH vom 27. Februar 1970, 1470/69).

Im gegenständlichen Fall ist die Erstinstanz laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses pauschal von den "Ergebnissen der Unfallaufnahme" ausgegangen und hat mangels Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters zum Ergebnis der Beweisaufnahme, die im wesentlichen aus der Einschätzung des Monatsnettoeinkommens bestand, den im Spruch formulierten Tatbestand als verwirklicht angenommen.

Von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates ist dazu auszuführen, daß eine objektive Feststellung der tatsächlich vom Rechtsmittelwerber vor dem Bremsmanöver eingehaltenen Geschwindigkeit seitens der Erstinstanz nicht erfolgt ist. Zu bedenken ist außerdem, daß die Geschwindigkeitsangaben der Unfallbeteiligten wie des Rechtsmittelwerbers bei der Unfallaufnahme sich nur auf Schätzungen beziehen können, zumal in einer solchen Situation dem Lenker eines Fahrzeuges keine Zeit bleibt, auf den Tacho zu sehen.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist daher nicht ersichtlich, von welcher tatsächlich vom Rechtsmittelwerber eingehaltenen Geschwindigkeit die Erstinstanz nun ausgegangen ist. Dazu hätte es möglicherweise der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens bedurft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hätte diese Geschwindigkeit aber auch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist festgehalten und in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen werden müssen. Dieser Umstand ist nun nicht mehr nachholbar.

Abgesehen davon ist als Unfallsursache im gegenständlichen Fall nicht nur überhöhte Geschwindigkeit, sondern auch ein zu geringer Sicherheitsabstand oder tatsächlich eine etwas verspätete Reaktion des Rechtsmittelwerbers denkbar.

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Aufgrund all dieser Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall des Verfahrenskostenersatzes ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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