Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103755/2/Bi/Km

Linz, 13.08.1996

VwSen-103755/2/Bi/Km Linz, am 13. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der Frau E S, M, I, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W O, S, I, vom 26. April 1996 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 3. April 1996, VerkR96-1749-1996-Hu, betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 Z1 AVG iVm §§ 24 und 51 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben angeführten Bescheid den Antrag der Beschuldigten vom 26.

März 1996 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist betreffend die Strafverfügung vom 27. Februar 1996 in Angelegenheit einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 abgewiesen.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da in der zugrundeliegenden Strafverfügung keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete und eine Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, die Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand läge unzweifelhaft vor. Nach einer Entscheidung eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes schließe das Verschulden eines Kanzleiangestellten des Prozeßbevollmächtigten der Partei die Wiedereinsetzung zugunsten der Partei nicht aus. Per analogiam habe dies auch für den Vertreter der Partei zu gelten, wobei nach einem weiteren Er kenntnis in der Person eines Bevollmächtigten einer Partei eingetretene Tatumstände für die vertretene Partei jedenfalls dann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn sich diese Umstände für den Vertreter selbst als ein unverschuldetes und unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen. Als Ereignis sei jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge der Außenwelt anzusehen, daher auch sogenannte psychologische Vorgänge wie Vergessen, Verschreiben, Irren, etc.

Es sei als amtsbekannt vorauszusetzen, daß der Beruf eines Rechtsanwaltes eine stressige und unter Druck stehende Tätigkeit darstelle. Dem Rechtsfreund der Beschuldigten sei erstmals in seiner Berufslaufbahn ein derartiges Versehen unterlaufen und er habe die Frist im gegenständlichen Fall anstelle für Freitag, den 15. März, auf Montag, den 18. März 1996, eingetragen. Das sei darauf zurückzuführen gewesen, daß an diesem Informationsaufnahmetag mit dem Ehegatten der Beschuldigten mehrere Fristen diskutiert und vorgemerkt worden seien. Das ihm anzulastende Versehen sei dem Verschuldensgrad nach als äußerst gering einzustufen. Er beantrage daher, den angefochtenen Bescheid zu beheben, die Wiedereinsetzung zu bewilligen und der Erstinstanz die Entscheidung über den eingebrachten Einspruch aufzutragen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, daß aufgrund einer Anzeige wegen Geschwindigkeitsüberschreitung die Rechtsmittelwerberin von der Zulassungsbesitzerin des beanstandeten Fahrzeuges als Lenkerin zum Übertretungszeitpunkt bekanntgegeben wurde, worauf an die Rechtsmittelwerberin die Strafverfügung der Erstinstanz vom 27. Februar 1996 erging, die ihr am 1. März 1996 zu eigenen Handen zugestellt wurde. Der vom rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachte Einspruch wurde laut Poststempel am 18. März 1996 zur Post gegeben und seitens der Erstinstanz mit Bescheid vom 22. März 1996 als verspätet eingebracht zurückgewiesen, weil die Rechtsmittelfrist mit 15. März 1996 geendet habe.

Den daraufhin fristgerecht eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete die Rechtsmittelwerberin damit, am 5. März 1996 habe in der Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters eine Besprechung zwischen diesem und ihrem Ehegatten stattgefunden, bei der unterschiedlichste Angelegenheiten diskutiert und Verträge im Zusammenhang mit dem Unternehmen ihres Ehegatten durchgegangen und kontrolliert worden seien, wobei auch mehrere Daten und Fristen notiert wurden. Ihr Ehegatte habe dem rechtsfreundlichen Vertreter außerdem die betreffende Strafverfügung mit dem Ersuchen um Beeinspruchung übergeben. Dem Rechtsfreund sei insofern ein Irrtum unterlaufen, als er den letzten Tag für die Einspruchserhebung irrtümlicherweise mit 18. März anstelle des 15. März 1996 im Kalender vormerkte.

An diesem - vermeintlich letzten - Tag sei dann der Einspruch auch verfaßt und abgesandt worden. Üblicherweise nehme die Kanzleileiterin des Beschuldigtenvertreters Fristvormerke vor und dem Parteienvertreter selbst sei in seiner knapp achtjährigen Praxis als selbständiger Anwalt ein derartiges Versehen noch nie unterlaufen. Die Wiedereinsetzungswerberin treffe daher kein Verschulden an der Fristversäumnis, sondern der Fehler sei beim rechtsfreundlichen Vertreter gelegen gewesen.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl.

ua Erk. vom 26. April 1976, Slg. Nr. 9040/A).

In einem ähnlich gelagerten Fall wie dem gegenständlichen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß ein einem Parteienvertreter widerfahrendes Ereignis nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei abgibt, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Anders als etwa im Fall der Überwachungspflicht des Anwalts gegenüber seinen Angestellten, die bei gesicherter Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Angestellten erst im Fall auftretender Fehlleistungen strenger zu beurteilen sein mag, kann ein gröberes Versehen des Anwalts selbst bei der Fristenwahrung nicht etwa deshalb einer milderen Beurteilung unterzogen werden, weil ihm ein solches Versehen vorher nie unterlaufen ist (vergl. Erkenntnis vom 15. September 1994, 94/09/0141).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschuldigtenvertreter selbst ausgeführt, er habe im Rahmen einer 1 3/4-stündigen Unterredung mit dem Ehegatten der Rechtsmittelwerberin auch andere Angelegenheiten, verbunden mit Fristvormerkungen, zu erörtern gehabt, wobei offenbar am Rande die Strafverfügung mit dem Ersuchen um Beeinspruchung überreicht wurde.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß einem berufsmäßigen Parteienvertreter die Bedeutung solcher Fristen geläufig ist und ihm die aus der Bevollmächtigung im jeweiligen Verfahren erwachsenden Sorgfaltspflichten zu deren Wahrung besonders bewußt sind. Im gegenständlichen Fall wurde dem Parteienvertreter die Strafverfügung ausgehändigt, wobei das Datum der Übernahme durch die Rechtsmittelwerberin feststand.

Offenbar hat der Parteienvertreter daraufhin im Gespräch mit deren Ehegatten sogleich die Frist für den einzubringenden Einspruch berechnet und dieses Datum unrichtig notiert.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist durchaus nachvollziehbar, daß das Verwaltungsstrafverfahren bei der damaligen Besprechung nur eine untergeordnete Bedeutung gegenüber den das Unternehmen betreffenden Angelegenheiten hatte, und es ist auch durchaus vorstellbar, daß sich der Parteienvertreter im Zuge seiner sofort durchgeführten Fristberechnung gedanklich schon dem nächsten Gesprächsthema zugewandt hatte.

Der Fristenirrtum des Parteienvertreters kann in Anbetracht des Umstandes, daß die Daten der Einspruchsfrist im gegenständlichen Fall offenbar einmal notiert und danach ungeprüft der zuständigen Fachkraft zur Eintragung übergeben wurden, nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates jedoch nicht als unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis gewertet werden. Der Parteienvertreter hat die Frist nicht falsch notiert, sondern offenbar im Laufe des Gesprächs unrichtig berechnet und dieses unrichtige Datum weitergegeben.

Es wäre ihm durchaus zumutbar gewesen, nach Abschluß des Gesprächs die Fristen ausgehend vom auslösenden Ereignis, im gegenständlichen Fall der Zustellung der Strafverfügung an die Rechtsmittelwerberin, nochmals in Ruhe durchzugehen, wobei er sicher auf seinen Irrtum aufmerksam geworden wäre. Er durfte im gegenständlichen Fall, wenn die Fristenberechnung während des Gespräches mit dem Klienten stattgefunden hat, nicht darauf vertrauen, daß ihm kein Fehler unterlaufen sein konnte, noch dazu, wenn offenbar mehrere Termine und Fristen besprochen wurden. Wenn auch die Berechnung der Rechtsmittelfrist ein relativ einfacher Vorgang ist, so ist dazu jedenfalls eine gewisse Konzentration erforderlich, die bei gleichzeitiger Informationsaufnahme sicher beeinträchtigt ist. Schon deshalb ist eine nachfolgende Kontrolle in Ruhe notwendig, die offenbar auch möglich gewesen wäre.

Ein derartiges Maß an Sorgfalt kann und muß nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates von einem berufsmäßigen Parteienvertreter erwartet werden, ohne den in einem solchen Fall ohnehin strengen Sorgfaltsmaßstab zu überspannen. Es wurde auch konkret nie behauptet, der Parteienvertreter habe sich genau bei oder nach der damaligen Besprechung in großer Eile befunden, habe sofort dringende Termine wahrzunehmen gehabt, sei durch wichtige Telefongespräche gestört worden oder ähnliches. Der generelle Hinweis auf den grundsätzlich stressigen Beruf eines Rechtsanwaltes reicht nicht aus.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.

April 1995, 95/05/0084, ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, daß die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei in Ansehung der Wahrung dieser Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" im Sinn des § 1332 ABGB unterläuft. Ein solcher liegt dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die in Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an beruflich rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (vgl. ua Erk v 28. Juni 1994, 94/05/0111).

Unter Miteinbeziehung dieser Überlegungen vermag der unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit nicht als gegeben anzusehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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