Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103820/11/Fra/Ka

Linz, 11.11.1996

VwSen-103820/11/Fra/Ka Linz, am 11. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des B, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10.6.1996, VerkR96-1055-1996, betreffend Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 (Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses), nach der am 2.9.1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich bestätigt. Die Geldstrafe wird von 1.000 S auf 500 S herabgesetzt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden festgesetzt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu zahlen. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Geldstrafe, ds 50 S.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19 und 24 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (im folgenden: Bw) wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 (Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses) gemäß § 99 Abs.3 lit.b leg.cit. eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt, weil er am 10.2.1996 ungefähr innerhalb der Zeit von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr den PKW der Marke Mercedes mit dem Kz.: auf der P Gemeindestraße Richtung T gelenkt hat, wobei er im Ortsgebiet von Igling gegenüber dem Haus Igling Nr. links von der Fahrbahn abkam, eine Holzsäule der Grundstückseinfriedung des Hauses Igling Nr. beschädigte und es unterließ, von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Ferner hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding gemäß § 64 VStG einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil hinsichtlich der gegenständlichen Übertretung eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der Berufungswerber beantragt, seinem Rechtsmittel stattzugeben, allenfalls nach erfolgter Beweisergänzung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, die Verwaltungsstrafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen, in eventu die verhängte Geldstrafe wesentlich herabzusetzen. Zur Begründung seiner Berufung führt er aus, daß rechtlich davon auszugehen sei, es sei nur im Einzelfall zu prüfen, ob der Identitätsnachweis ohne unnötigen Aufschub erfolgt wäre. Die Ausführungen der Erstbehörde, daß unverzüglich die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen gewesen wäre, seien nicht zutreffend. Es hieße vielmehr im Gesetz, daß ohne unnötigen Aufschub die Gendarmeriedienststelle zu benachrichtigen ist. Es werde also vom Gesetz her ein gewisser Aufschub toleriert, soweit dieser eben nötig ist.

Hier komme es auf den Einzelfall an. Da er Frau G (Anmerkung: das ist die Geschädigte) persönlich kenne und ihm auch bekannt sei, daß sie gehbehindert ist und daß sie in der Nacht nicht mehr herunterkommen würde, hätte es nur einen Sinn gehabt, mit ihr am nächsten Tag Kontakt aufzunehmen. Es sei also zu dem Zeitpunkt, als die Gendarmerie einschritt, der Tatbestand noch keinesfalls erfüllt gewesen, da hier ein gewisser Aufschub eben aufgrund der Persönlichkeit von Frau G notwendig war. Seiner Meinung nach sei das Verfahren auch deshalb mangelhaft durchgeführt worden, weil er dazu seine Einvernahme als Beweismittel angeboten habe.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 2.9.1996 und nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wie folgt erwogen:

Der Berufungswerber bestreitet nicht, daß er zu der im Spruch angeführten Zeit am angeführten Ort den in Rede stehenden PKW gelenkt hat und gegen eine Holzsäule der Grundstückseinfriedung der G, stieß und dabei eine Holzsäule beschädigte. Die Holzsäule ist unten abgebrochen.

Dieser Schaden wurde von der Gendarmeriestreife "A-Sektor", bestehend aus Abteilungsinspektor R, GP T, und Rev.Insp. Z, GP A am 10.2.1996 um 22.30 Uhr festgestellt. Im Zuge der darauffolgenden Amtshandlung gab der Bw gegenüber den Gendarmeriebeamten an, er habe den PKW glaublich um ca.22.15 Uhr selbst nach Hause gelenkt. In Igling sei er aufgrund einer Schleuderbewegung von der Straße abgekommen und sei gegen einen Gartenzaun gestoßen. Die Schadensangelegenheit habe er am nächsten Tag mit der Geschädigten regeln wollen. Er habe selbstverständlich vorgehabt, für den Schaden aufzukommen. Der Bw wurde am 10.2.1996 um 22.45 Uhr zum Alkotest aufgefordert und die Atemalkoholuntersuchung wurde am 10.2.1996 um 23.15 Uhr und um 23.17 Uhr durchgeführt.

Wenn nun der Bw meint, daß zu dem Zeitpunkt, als die Gendarmeriebeamten eingeschritten sind, der Tatbestand noch keinesfalls erfüllt gewesen sei, da das Gesetz einen gewissen Aufschub toleriere und dieser eben aufgrund der Persönlichkeit von Frau G notwendig war, kann der O.ö.

Verwaltungssenat diese Auffassung nicht teilen und geht diese Rechtsansicht ins Leere. Laut ständiger Judikatur ist das Begriffspaar "ohne unnötigen Aufschub" streng auszulegen. Darunter kann nur verstanden werden, daß die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw nach vergeblichem Versuch des Identitätsnachweises zu erfolgen hat (VwGH 12.11.1970, ZVR 1971/134). Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist einer exakten zeitlichen Bestimmung nach Sekunden, Minuten oder Stunden nicht zugänglich, kann aber dahingehend eingegrenzt werden, daß gefragt wird, ob die Erstattung der Meldung nötiger - ohne unnötigerweise aufgeschoben wurde (VwGH 14.2.1985, ZVR 1986/124); letzteres ist nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Unfälle, die sich während der Nachtzeit ereignen, müssen gleichfalls ohne unnötigen Aufschub gemeldet werden. Die erst am darauffolgenden Tag bzw am nächsten Morgen erfolgte Verständigung reicht nicht aus (VwGH 4.3.1968, 503/67 ua).

Wenn der Beschädiger den ihm bekannten Geschädigten nicht sofort verständigen will, weil es noch spät in der Nacht bzw sehr früh am Morgen ist, so muß er unverzüglich Meldung erstatten (VwGH 5.5.1964, ZVR.1965/48). Die Unfallsmeldung hätte nur dann unterbleiben können, wenn der Bw der Geschädigten seine Identität nachgewiesen hätte. Dieser Nachweis kann allerdings unterbleiben, wenn sich die am Unfall beteiligten Personen persönlich kennen, wobei jedoch ein strenger Maßstab anzulegen ist. Voraussetzung ist in einem solchen Fall die persönliche Kontaktaufnahme der beteiligten Personen. Hiezu ist es jedoch im gegenständlichen Fall nicht gekommen. Es geht daher das Argument der persönlichen Bekanntschaft mit der Geschädigten ins Leere. Zweck des Identitätsnachweises im Sinne des § 4 Abs.5 StVO ist es, dem durch einen Unfall Geschädigten die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird. Diesem Zweck hat der Bw durch seine Vorgangsweise zuwidergehandelt.

Aus dem oben Gesagten erweist sich die Berufung in der Schuldfrage als unbegründet, weshalb sie diesbezüglich abzuweisen war.

Zur Strafe wird ausgeführt:

Der Bw hatte im Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat glaubhaft dargelegt, daß er von Anfang an die Absicht gehabt habe, schon am nächsten Tag mit Frau G (der Geschädigten) zu reden. Da ihm Frau G bekannt war und er wußte, daß sie in der Vorfallsnacht sowieso nicht aufstehen würde, war früher eine Schadensregelung nicht möglich gewesen. Die Geschädigte teilte dem O.ö. Verwaltungssenat mit, daß sie schwerst gehbehindert ist (starke Osteoporose), 87 Jahre alt, alleine im Hause wohne und in der besagten Nacht um 22.15 Uhr nicht aufgestanden wäre. Herr B sei ihr bekannt, sie glaube sich erinnern zu können, daß Herr B am nächsten Tag mit ihr Kontakt aufgenommen und sie vom Schaden in Kenntnis gesetzt habe. Sie habe daraufhin Herrn B ersucht, die Schadensangelegenheit mit ihrem Sohn W zu regeln, da sie das Schadensausmaß alleine nicht abschätzen habe können. Herr Bauer habe daraufhin am 10.3.1996 mit ihrem Sohn einen Termin vereinbart und in ihrem Beisein 1.500 S bezahlt. Der Schaden sei hiermit vollständig abgedeckt.

Dieser Sachverhalt muß mit dem Zweck des § 4 Abs.5 StVO 1960 in Verbindung gesetzt werden. Der Zweck dieser Bestimmung kann nur darin erblickt werden (siehe oben), dem Geschädigten Gewißheit über die Person des Schädigers zu verschaffen, damit jene in die Lage versetzt wird, seine aus dem Verkehrsunfall resultierenden Schadenersatzansprüche geltend zu machen (ständige Judikatur des VwGH).

Aufgrund des oa. Sachverhaltes ist der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretung als gering zu bewerten.

Nachteilige Folgen im Sinne des § 19 Abs.1 leg.cit. sind nicht evident. Das Verschulden ist jedoch nicht als geringfügig einzustufen, weil der Bw mit der Geschädigten erst am nächsten Tag Kontakt aufnehmen wollte und er sohin gar nicht beabsichtigte, den Verkehrsunfall bei der Gendarmerie zu melden. Vom Rechtsinstitut der Ermahnung (§ 21 VStG) konnte daher kein Gebrauch gemacht werden. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit komme dem Bw auch nicht mehr zugute.

Allerdings war es vertretbar, auch im Hinblick auf die Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse des Bw, die Geldstrafe auf das nunmehrige Maß herabzusetzen. Diese Strafe erscheint jedoch erforderlich, den Bw in Hinkunft von Übertretungen gleicher Art abzuhalten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. F r a g n e r

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