Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103861/2/Le/La

Linz, 27.01.1997

VwSen-103861/2/Le/La Linz, am 27. Jänner 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des L F, vom 11.6.1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.5.1996, Zl.

VerkR96-6238-1996, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind 500 S, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger zwangsweiser Einhebung zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.5.1996 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 20 Abs.2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 2.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 84 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, am 15.1.1996 um 10.22 Uhr den Pkw B (D) auf der A1 Westautobahn in Richtung Salzburg gelenkt zu haben, wobei er im Gemeindegebiet von Seewalchen bei Km 238,500 die für Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 43 km/h überschritten hätte.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der im Spruch angeführte Sachverhalt vom Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich während des Verkehrsüberwachungsdienstes festgestellt und zur Anzeige gebracht wurde. Die Geschwindigkeit wurde mittels geeichtem und entsprechend positioniertem Radargerät festgestellt.

Weiters legte die Erstbehörde den Gang des Ermittlungsverfahrens dar, insbesonders die Rechtfertigung des Beschuldigten, wonach dieser während der Fahrt so schnell wie möglich eine Toilette hätte aufsuchen müssen.

Nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage kam die Erstbehörde zum Ergebnis, daß die angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erwiesen ist.

Zu den Rechtfertigungsangaben des Beschuldigten verwies die Erstbehörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 VStG und kam dabei zum Ergebnis, daß für den Beschuldigten keine Notstandssituation im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung vorlag.

Sodann legte die Erstbehörde die Gründe der Strafbemessung dar, wobei sie von einem fiktiven monatlichen Einkommen von 15.000 S ausging, weil der Beschuldigte dazu keine Angaben gemacht hatte. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit gewertet.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 11.6.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In der Begründung legte der Bw ausführlich seine körperlichen Leiden (Blutzucker, offene Bauchdeckennarbe, Nervenschädigung im rechten Bein) dar und kam dabei zum Ergebnis, daß er für die Durchführung der Notdurft unbedingt eine Toilette benötigte und keinesfalls den Pannenstreifen hätte benützen können.

Er legte seiner Berufung auch eine Kopie des Schwerbehindertenausweises, der einen Invaliditätsgrad von 80 % bescheinigt, sowie eine Kopie des Rentenbescheides der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel, München, vom 31.7.1987 vor.

Zu den Einkommensverhältnissen führte er aus, seit seinem Unfall eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 7.642,30 S zu beziehen; eine Kopie eines Kontoauszuges füge er bei.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. Die angelastete Verwaltungsübertretung ist in objektiver Hinsicht unbestritten, sodaß davon auszugehen ist, daß der Bw tatsächlich die auf Autobahnen höchstzulässige Geschwindigkeit um 43 km/h überschritten hat.

Der Bw versucht dagegen, sein Verschulden an dieser Verwaltungsübertretung, das auf Grund der gesetzlichen Fiktion des § 5 Abs.1 VStG in Form der Fahrlässigkeit anzunehmen ist, in Zweifel zu ziehen. Er beruft sich dabei, wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren, auf seine körperlichen Leiden, wonach er zum damaligen Zeitpunkt gezwungen gewesen sei, Medikamente zur Blutzuckerregulierung einzunehmen, die den Nebeneffekt gehabt hätten, daß sie immer wieder zu Durchfällen geführt hätten. Er hätte daher dringend eine Toilette aufsuchen müssen, weshalb er kurzfristig die Geschwindigkeit hätte erhöhen müssen.

In rechtlicher Hinsicht ist dieses Vorbringen als Berufung auf eine Notstandssituation zu werten, wie dies bereits die Erstbehörde zutreffend getan hat.

Nach dieser Bestimmung ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist (§ 6 VStG).

Dieses Rechtsinstitut wurde durch Lehre und Judikatur dahingehend näher ausgeführt, daß unter Notstand nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden kann, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muß sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (VwGH 27.5.1987, 87/03/0112 ua).

Hat sich jedoch der Beschuldigte aus eigenem Verschulden in eine Zwangslage gebracht, so kann ihm Notstand nicht zugute kommen (VwGH 30.6.1993, 93/02/0066).

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits mit einem ähnlichen Fall zu beschäftigten (VwGH 7.4.1995, 94/02/0519):

Er führte dazu aus, daß dann, wenn der Lenker eines Kraftfahrzeuges schon bei Antritt seiner Fahrt mit einer Verschlechterung seines Befindens und mit dem Auftreten von Beschwerden rechnen mußte (hier: Durchfall und Bauchschmerzen bei Antritt der Fahrt, Brechreiz auf der Autobahn in der Kolonne) und sich dennoch darauf eingelassen hat, das Fahrzeug zu lenken, so habe er sich selbst in die gefährliche Situation begeben.

Diese Rechtslage bedeutet, daß es Sache des Bw gewesen wäre, seine Fahrt einschließlich der Pausen so zu planen, daß er bei Einhaltung aller Verkehrsvorschriften immer rechtzeitig bei einer Toilette anhalten hätte können. Dem Bw waren seine körperlichen Leiden bereits bei Antritt der Fahrt wohl bekannt und auch die Nebenwirkungen des von ihm einzunehmenden Medikaments (er hatte selbst in der Berufung auf den Beipackzettel dieses Medikaments verwiesen). Für den Fall daß seine Notdurftintervalle bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeiten nicht ausgereicht hätten, hätte er sein Auto überhaupt nicht benutzen dürfen, sondern hätte mit der Bahn fahren müssen, wo bekanntlich ständig eine Toilette zur Verfügung steht.

Dadurch, daß der Bw trotz des Wissens um seinen beeinträchtigten Gesundheitszustand dennoch seinen Pkw lenkte, hat er sich selbst in die mißliche Situation gebracht, was aber zur Folge hat, daß er sich eben nicht mit Erfolg auf Notstand iSd § 6 VStG berufen kann.

Damit ist dem Bw die angelastete Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht vorzuwerfen.

4.3. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, daß diese von der Erstbehörde entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde.

Der Bw berief sich in seiner Berufung darauf, keinesfalls monatlich 15.000 S zu verdienen, sondern eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 7.642,30 S zu beziehen. Er legte dazu eine Kopie eines Kontoauszuges der Sparkasse Berchtesgadener Land vor, auf dem unter dem Text "PRZ Augsburg Treuhandkonto Rente 7642,3S 1 S= 0,14200DM" ein "Umsatz" in Höhe von "1.085,21" (wahrscheinlich DM) ausgewiesen ist.

Der Bw vermochte damit jedoch die Annahme der Erstbehörde über seine Einkommensverhältnisse nicht zu widerlegen:

Einerseits blieb er eine Erklärung dafür schuldig, ob dies wirklich seine monatliche Rente ist (wobei die Angabe in Schilling erklärungsbedürftig ist, zumal es sich beim Bw doch eindeutig um einen deutschen Staatsbürger handelt) und weiters fehlen Angaben über allfällige weitere Einkommen sowie auf vorhandenes Vermögen. Bei der Ermittlung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse trifft den Beschuldigten stets eine erhöhte Mitwirkungspflicht, der der Bw im vorliegenden Fall jedoch mit der nicht näher bewiesenen Behauptung einer Rentenhöhe von lediglich 7.642,30 S nicht entsprochen hat.

Damit war weiterhin von der Einkommenssituation auszugehen, die auch bereits die Erstbehörde ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da eine Geldstrafe in Höhe von 2.500 S verhängt wurde, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 500 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

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