Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103903/2/Sch/Rd

Linz, 04.09.1996

VwSen-103903/2/Sch/Rd Linz, am 4. September 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die undatierte Berufung des KD, vertreten durch die RAe, gegen Faktum 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 8. Juli 1996, VerkR96-3885-1995, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit Straferkenntnis vom 8. Juli 1996, VerkR96-3885-1995, über Herrn KD, ua wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.6 StVO 1960 eine Geldstrafe von 9.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von neun Tagen verhängt, weil er sich am 3. August 1995 um ca. 23.00 Uhr im LKH K/K gegenüber einem Arzt und einem Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vornehmen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich am 3. August 1995 um ca. 19.40 Uhr anläßlich seiner Fahrt auf der B 140 aus Richtung K kommend in Richtung G als Lenker des Kombi mit dem Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustande befunden habe und eine Prüfung der Atemluft auf Alkoholgehalt aus medizinischen Gründen nicht möglich gewesen sei (Faktum 2).

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem diesbezüglichen Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 900 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Gemäß § 5 Abs.6 StVO 1960 (Verfassungsbestimmung) ist an Personen, die gemäß Abs.5 Z2 zu einem Arzt gebracht werden und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.5 Z2 leg.cit. sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, soferne eine Untersuchung gemäß Abs.2 aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

Gemäß § 5 Abs.2 Z1 leg.cit. sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ua verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen.

Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Nach der Lage des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsstrafaktes ist im gegenständlichen Fall von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Berufungswerber hat in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt, wobei er bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde.

Laut Verletzungsanzeige des LKH K/K vom 3. August 1995 wurden bei ihm eine Gehirnerschütterung sowie Rißquetschwunden am Kopf diagnostiziert.

Beim Meldungsleger GI B war am Unfallort die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung deshalb entstanden, zumal er Alkoholgeruch aus dem Mund des Berufungswerbers sowie gerötete Augenbindehäute festgestellt hat. In der Folge hat dieser Gendarmeriebeamte den Rechtsmittelwerber am 3. August 1995 um 23.00 Uhr im LKH K/K im Beisein eines weiteren Gendarmeriebeamten und des diensthabenden Arztes Dr. HK aufgefordert, sich zum Zwecke der Alkoholbestimmung Blut abnehmen zu lassen (von einer Atemluftuntersuchung wurde angesichts der Verletzungen des Berufungswerbers von vornherein Abstand genommen). Dieser Aufforderung ist der Berufungswerber nicht nachgekommen.

Dieser entscheidungswesentliche Sachverhalt erfüllt aber nicht den Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, denn zur Untersuchung nach § 5 Abs.5 StVO 1960 sind nur "im öffentlichen Sanitätsdienst stehende oder bei einer Bundespolizeidirektion tätige Ärzte" berechtigt. Wird daher etwa eine (bei einem Verkehrsunfall verletzte) Person, bei der die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung beim Lenken besteht, in ein öffentliches oder privates Spital eingeliefert, so dürfen nicht die dort tätigen Ärzte die Untersuchung vornehmen, sondern es muß ein im Gesetz genannter Arzt herbeigerufen werden (vgl.

Stolzlechner in ZVR, Dezember 1994, Heft 12, S 356). Wird die ursprüngliche Vermutung infolge der amtsärztlichen Untersuchung nach Abs.5 Z2 zu einem Verdacht erhärtet, so ist bei der betreffenden Person die Blutabnahme zum Zweck der Alkoholbestimmung durchzuführen (vgl. Stolzlechner aaO).

In rechtlicher Hinsicht ist somit gegenständlich festzustellen, daß der Berufungswerber nicht zu einem Arzt gemäß Abs.5 Z2 gebracht wurde.

Der diensthabende Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt fällt nämlich nicht unter den Begriff eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden (oder eines bei einer Bundespolizeibehörde tätigen) Arztes (zu diesem Begriff siehe auch die Fußnote 17 zu § 5 Abs.5 StVO 1960 in Messiner, Straßenverkehrsordnung 9. Auflage, 1995).

Die dem § 5 StVO 1960 zugrundeliegende "Systematik der Arztbegriffe" muß dahingehend verstanden werden, daß zwischen dem "Vorführarzt" und dem "Blutabnahmearzt" zu unterscheiden ist, und zwar in dem Sinne, daß die Aufforderung zur Blutabnahme durch einen bloß zur Blutabnahme befugten Arzt ohne vorherige Einschaltung eines Arztes, der über die zur Vorführung erforderlichen Voraussetzungen verfügt, nämlich eines bei der Bundespolizeibehörde tätigen Arztes oder eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes, unzulässig ist.

Der Sinn dieser Differenzierung dürfte darin liegen, daß die Verpflichtung, sich Blut abnehmen zu lassen, nur dann besteht, wenn sich bei einer durchführbaren klinischen Untersuchung (auch die Frage, ob eine solche überhaupt möglich ist oder nicht, ist wohl vom Amtsarzt zu beurteilen) herausstellt, daß eine Blutabnahme erforderlich ist, um den Grad der Alkoholeinwirkung feststellen zu können, sodaß für den Regelfall die "Subsidiarität" bzw die "Wahl des gelindesten Mittels" auch im Verhältnis zwischen klinischer Untersuchung und Blutabnahme eingreift und der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß die klinische Untersuchung bzw der Verdacht der Alkoholbeeinträchtigung nur von einem im bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt oder von einem öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorgenommen bzw.

festgestellt werden darf.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich verkennt nicht, daß diese Rechtslage die Vollzugspraxis in einer ländlichen Gegend vor erhebliche Probleme stellt. Der Gesetzgeber hat jedoch diese offensichtlich bereits erkannt.

Es wurde nämlich in einem Entwurf einer StVO-Novelle vorgesehen, daß auch diensthabende Ärzte in öffentlichen Krankenanstalten, sofern diese die Physikatsprüfung abgelegt haben, entsprechende Untersuchungen durchführen können.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß es im gegenständlichen Fall einer rechtlichen Voraussetzung für die verlangte Blutabnahme gemangelt hat, weshalb der Berufungswerber das ihm zur Last gelegte Tatbild nicht erfüllt hat (vgl. auch VwSen-103655/11/Br vom 20. Mai 1996).

Hinsichtlich der weiteren in Berufung gezogenen Fakten des angefochtenen Straferkenntnisses ergeht, nach allfälliger Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens, eine gesonderte Entscheidung.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

1 Beilage S c h ö n

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