Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104006/2/Weg/Ri

Linz, 04.11.1996

VwSen-104006/2/Weg/Ri Linz, am 4. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung der K K vom 18. September 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. September 1996, VerkR96, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil diese am 15. Juni 1995, um ca. 16.15 Uhr, den PKW, Kennzeichen BR, am M in A gelenkt und es nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden auf Höhe des Kriegerdenkmales am M A, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, unterlassen hat, die nächste Polizeiund Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 100 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Berufungswerberin wendet in ihrer rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - ein, daß weder sie noch ihre im Auto mitfahrenden Zeugen von diesem angeblichen Unfall das geringste gehört bzw. gesehen hätten. Außerdem wäre sie direkt nach dem angeblichen Verkehrsunfall ca. 1 Stunde im angrenzenden Kaffeehaus gesessen, wo sich angeblich auch die anderen (offenbar Zeugen) befunden hätten und diese Personen ja auf diesen Unfall hätten aufmerksam machen können. Sie fühle sich einfach nicht schuldig.

3. Um den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt einer ebenfalls möglichen Klärung zuführen zu können, wäre eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher Insp. K, Bez.

Insp. K, R S sowie dessen Gattin, die geschädigte E D, die Beschuldigte sowie die Zeugen J K, M K und T M zu laden gewesen wären. Mit dem Sachverständigen, dem Vertreter der belangten Behörde und dem Verhandlungsleiter würde also die Anwesenheit von zwölf Personen nötig sein.

Da es sich offenbar um einen Bagatellschaden handelt und eine derart aufwendige Verhandlung mit noch dazu ungewissem Ausgang aus ökonomischen Gründen nicht vertretbar erscheint, wurde mit Herrn Bez. Insp. K am 4. Oktober 1996 telefonisch Kontakt aufgenommen und nach dessen telefonisch erteilter Auskunft der kfz-technische Amtssachverständige Ing. S mit der Aktenlage und der Mitteilung des genannten Gendarmerieorganes konfrontiert.

Bez.Insp. K teilte nach Einsichtnahme in den beim Gendarmerieposten aufliegenden Akt mit, daß er sich an den Vorfall noch erinnern könne und daß am PKW der K K keine Schäden festgestellt werden konnten, während am PKW der E D ein äußerst leichter und auf den ersten Blick überhaupt nicht wahrnehmbarer Schaden an der Beifahrertür festgestellt werden konnte. Es handelte sich dabei um eine Minimaleindellung der Beifahrertür und allenfalls einer leichten Lackbeschädigung. Ob diese Beschädigung von K K verursacht wurde konnte in Ermangelung korrespondierender Schäden nicht bestätigt werden.

Der genannte Sachverständige wurde im Hinblick auf die Verantwortung der Beschuldigten, diesen Verkehrsunfall nicht bemerkt zu haben, befragt, ob bei diesem vom Gendarmeriebeamten geschilderten Schaden, der bei einem Einparkmanöver verursacht worden sein soll, der Berufungswerberin objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Bei dieser Fragestellung wurde der Verantwortung der Berufungswerberin, sie hätte vom Unfall nichts bemerkt, beigetreten, weil einerseits die drei mitfahrenden Personen keinen Unfall bemerkten und andererseits sie sich nicht in das benachbarte Kaffeehaus gesetzt hätte, wenn sie Fahrerflucht hätte begehen wollen.

Dazu führte der Sachverständige aus, daß bei einem derartigen Bagatellschaden, welcher auch von den Gendarmeriebeamten nicht sofort entdeckt wurde, durchaus die Möglichkeit gegeben ist, daß der Berufungswerberin keine objektiven Umstände zu Bewußtsein gekommen sein müssen oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, weil bei einem derartigen Schaden kaum eine wahrnehmbare Stoßreaktion entsteht, ein derartiger Unfall auch akustisch kaum wahrzunehmen ist und auch nicht unbedingt visuell wahrgenommen werden muß.

Offenbar war aber die Beschuldigte bei ihrem Einparkmanöver doch nicht sicher, ob nicht doch eine leichte Kollision stattgefunden hat, ansonsten sie ja nicht ausgestiegen und sich beide Fahrzeuge angesehen hätte, um zu prüfen ob eine Beschädigung vorläge.

Nachdem auch die Gendarmeriebeamten den Schaden am Fahrzeug der E D nicht sofort wahrgenommen haben, sondern erst bei einer nochmaligen Inspektion, ist davon auszugehen, daß die Berufungswerberin zwar die Möglichkeit einer Kollision ins Auge gefaßt hat, sie jedoch - nachdem keinerlei Beschädigung festgestellt wurde - offenbar davon ausging, daß es eben doch zu keiner Kollision gekommen ist.

4. Über diesen Sachverhalt hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Eine Meldepflicht iSd § 4 Abs.5 StVO 1960 besteht nur dann, wenn ein Sachschaden eingetreten ist und dieser Sachschaden bemerkt wurde bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerkt werden müssen. Eine Strafbarkeit läge bei Vorliegen dieser Tatbestandselemente nur dann vor, wenn die Verkehrsunfallsmeldung fahrlässig unterblieben ist.

Diese Fahrlässigkeit scheint im gegenständlichen Fall nicht gegeben gewesen zu sein. Es ist hiebei auf eine allfällige Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht abzustellen. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen, daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv - normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig handelt der Täter folglich nur dann, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte.

Die Berufungsbehörde ist bei der Beurteilung der gegenständlichen Angelegenheit auf Grund der ergänzend durchgeführten Erhebungen und auf Grund der Aktenlage der Ansicht, daß sich auch andere einsichtige und besonnene Verkehrsteilnehmer nicht anders verhalten hätten als die Beschuldigte, nämlich Nachschau zu halten, ob ein Schaden eingetreten ist und, nachdem kein solcher festgestellt wurde, die Meldung an die nächste Sicherheitsdienststelle folglich nicht erstattet hätte.

Da die objektive Sorgfaltswidrigkeit zum Tatbestand eines Fahrlässigkeitsdeliktes gehört, sind Verhaltensweisen, die objektiv (zumindest im Zweifel) nicht sorgfaltswidrig sind, nicht tatbestandsmäßig.

Aus diesen Gründen war iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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