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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104042/7/Gu/Mm

Linz, 27.01.1997

VwSen-104042/7/Gu/Mm Linz, am 27 . Jänner 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des B. L., vertreten durch RAe Z., W., K., L., gegen den verfahrensrechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L. vom 16.9.1996, Zl. VerkR96.., womit ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, nach der am 21.1.1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen. Die im Spruch des angefochtenen Bescheides integrierte Rechtsgrundlage wird mit der Maßgabe geändert, daß der Spruch zu lauten hat:

"Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 5.6.1996 wird gemäß § 71 Abs.1 Z1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 idF BGBl.Nr. 471/1995 iVm § 24 VStG 1991 abgewiesen".

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft L. hat mit dem angefochtenen verfahrensrechtlichen Bescheid einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung einer Einspruchsfrist gegen eine Strafverfügung unter Hinweis auf § 71 Abs.1 lit.a AVG 1950 iVm § 24 VStG 1991 abgewiesen und begründend im wesentlichen ausgeführt, daß die Strafverfügung eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, die Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung wegen einer Geschwindigkeitsübertretung am 1.4.1996 geendet habe und dem Beschuldigten bei einem Telefongespräch mitgeteilt worden sei, daß die "Strafverfügung" schriftlich einzubringen sei.

Die im Wiedereinsetzungsantrag aufscheinenden Angaben, es sei das Datum auf dem Einspruch ausschlaggebend für die Wahrung der Frist, wurde als Schutzbehauptung gewertet.

Abschließend führt die erste Instanz unter Hinweis auf die VwGH-Judikatur aus den 70-er Jahren aus, daß ein auf einem Irrtum beruhendes Versehen hinsichtlich einer Rechtsmittelfrist nicht gewertet werden könne, wenn sich dies bei einem beauftragten Rechtsanwalt ereignet habe.

In seiner dagegen eingebrachten Berufung macht der rechtsfreundliche Vertreter des Beschuldigten geltend, daß er sich sofort am Tag der Zustellung, nämlich am 18.3.1996, telefonisch mit der belangten Behörde in Verbindung gesetzt habe. Allerdings könne er sich an den Namen seines Gesprächspartners bei der Bezirkshauptmannschaft L. nicht erinnern.

Ihm sei die Auskunft erteilt worden, er soll den Einspruch durch einen Rechtsanwalt einbringen. Laut Auskunft sei die Einspruchsfrist auch dann gewahrt, wenn auf seinen Einspruch ein Datum innerhalb der offenen Frist aufscheine. Durch die lange Bearbeitung seitens der (deutschen) Rechtschutzversicherung des Einschreiters, seien die Rechtsanwälte Z., W., erst nach Ablauf der Einspruchsfrist mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt worden. Die Möglichkeit einen Einspruch mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft zu erheben, habe nach Meinung des Einschreiters die Möglichkeit bedeutet, telefonisch, also mündlich, bei der Bezirkshauptmannschaft vorstellig zu werden. Wenn man die minimalen Erfordernisse zu einer gültigen Einspruchserhebung auf schriftlichem Weg bedenke, so können man davon ausgehen, daß der Einschreiter welcher aus dem Ausland Kontakt mit der zuständigen Behörde aufgenommen habe und fernmündlich gegen eine Strafverfügung Einspruch erhebt, richtigerweise annehmen dürfe, daß der von ihm gesetzte Schritt zur Wahrung seiner rechtlichen Interessen auch durchgedrungen sei. Im gegenteiligen Fall sei ein deutlicher Hinweis der Behörde notwendig.

Die belangte Behörde habe bestätigt, daß ein Telefonat geführt worden sei. Wenn diese nun ausgeführt habe, daß dem Beschuldigten mitgeteilt wurde, daß er den Einspruch schriftlich einbringen solle, so bedeute dies aber nur, daß der mündlich (telefonisch) eingebrachte Einspruch als eingebracht gelte, jedoch in ausreichend formulierter Form nachgereicht werden solle. Es könne dem Beschuldigten nicht nachteilig angerechnet werden, daß er entsprechend der Rechtsmittelbelehrung, welche auf die Möglichkeit eines mündlichen Einspruches hinwies, angenommen habe, daß ein Erheben des Einspruches bei der Bezirkshauptmannschaft, im Zuge eines Telefonates, ausreichend sei.

Als deutscher Staatsbürger habe er nicht annehmen müssen, daß er den mündlichen Einspruch persönlich erheben müsse.

Die Auskunft, er solle für das weitere Vorgehen, insbesonders für die schriftliche Ausfertigung des Einspruches, einen Rechtsanwalt beauftragen, sei vom Beschuldigten verständlicherweise dahingehend verstanden worden, daß zur Wahrung der Frist sein Telefonat ausgereicht habe. Aus all diesen Umständen habe er sehr wohl Beweise für die Richtigkeit des Vorbringens, daß ihn beim Verstreichen der Einspruchsfrist kein Verschulden treffe.

Sollte dennoch ein Säumnis auf Seiten des Beschuldigten angenommen werden, so könne es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handeln.

Infolge Anwendung der veralteten Fassung des § 71 Abs.1 lit.a AVG 1950 habe sich die belangte Behörde mit der Prüfung der Frage, ob nicht ein minderer Grad des Versehens anzunehmen sei, nicht auseinandergesetzt.

Nachdem der Beschuldigte ungarischer Abstammung ist und der deutschen Sprache nicht sehr mächtig sei, habe er die telefonische Einwendung als mündlich rechtens eingebracht ansehen dürfen und liege auch deswegen zumindest ein minderer Grad des Versehens vor.

Wenn die Sache, bei der eine deutsche Rechtschutzversicherung zwischengeschaltet war, durch diese Zwischenschaltung in Verzug kam, so dürfe dies nicht am Sorgfaltsmaßstab eines österreichischen Rechtsanwaltes gemessen werden.

Aufgrund der Berufung wurde am 21.1.1997 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Vertreters des Beschuldigten durchgeführt.

In deren Rahmen wurde zur Erörterung gestellt:

Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft L. vom 29.2.1996, VerkR96.. samt Rückschein, das Schreiben der Neuen RS-Versicherungs-AG an die Rechtsanwälte Dr. Z. vom 24.6.1996, eine Ablichtung des Telefax Nr. 0049/621/4204144, das Schreiben der letzterwähnten Rechtsanwaltskanzlei an B.

L. vom 2.5.1996, die daraufhin ergangene Antwort des Beschuldigten vom 18.5.1996, die daraufhin ergangenen Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei je vom 29.5.1996 an den Beschuldigen und an die Neue RS-Versicherungs-AG.

Ferner wurde zur Erörterung gestellt ein Schreiben des Beschuldigten vom 22.3.1996 ohne Adresse und ein Telefax der neuen RS-Versicherungs-AG vom 3.6.1996 an die Rechtsanwälte Z.

Demnach ist folgender Sachverhalt erwiesen. Die Bezirkshauptmannschaft L. erließ auf die Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für OÖ. hin, mit Datum 29.2.1996 zur Zl. VerkR96.., eine Strafverfügung und legte dem Beschuldigten eine Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) auf, weil er am 12.10.1995 um 20.54 Uhr auf der A25 im Gemeindegebiet von P.

in Richtung L. fahrend, den PKW mit dem Kennzeichen .., mit einer Geschwindigkeit von 171 km/h gelenkt habe, obwohl die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit nur 100 km/h betragen habe.

Diese Strafverfügung enthielt die Rechtsmittelbelehrung:

"Sie haben das Recht gegen diese Strafverfügung innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung (Hinterlegung) schriftlich, telegraphisch oder mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft, die diese Strafverfügung erlassen hat, Einspruch zu erheben. Darin können Sie sich rechtfertigen und die Ihrer Verteidigung dienenden Beweise vorbringen".

Diese Strafverfügung wurde dem Beschuldigten eigenhändig zugestellt und von ihm am 18.3.1996 persönlich übernommen.

Daraufhin telefonierte der Beschuldigte mit einer auch im Berufungsverfahren unbekannt gebliebenen Person der Bezirkshauptmannschaft L. noch am selben Tage und erhielt die Auskunft, daß er den Einspruch schriftlich über einen Rechtsanwalt einbringen solle, wobei das Datum des Einspruches für die Fristwahrung entscheidend ist. Der Beschuldigte hat darauf mit Datum 22.3.1996 unter Angabe seiner Anschrift handschriftlich einen Schriftsatz verfaßt, welcher lautet: "Gegen die Strafverfügung lege ich Einspruch ein. Es muß ein Meßfehler oder eine Verwechslung vorliegen.

Ich fahre einen Mazda 323 f. Mit diesem Auto sind wir nicht zu schnell gefahren. Das Auto war mit vier Personen voll besetzt und war auch voll bepackt. Hochachtungsvoll B.L." Dieses Schriftstück, welches keine Anschrift aufweist und zu dem auch kein Briefumschlag vorhanden ist, wurde vom Beschuldigten offensichtlich an die Neue RS-Versicherungs-AG nach M. gesandt.

Aufgrund eines daraufhin zwischenzeitig ergangenen Schriftverkehrs zwischen der Versicherung, der Rechtsanwaltskanzlei und dem Beschuldigten, bestand von Seiten der Versicherung und des Rechtsanwaltes zunächst die Annahme, daß es sich um eine Verkehrsunfallsangelegenheit handle. Erst die schriftliche Kontaktnahme des Rechtsvertreters mit dem Beschuldigten vom 2.5.1996, brachte Aufklärung. Der aufklärende Schriftsatz des Beschuldigten vom 18.5.1996 langte erst am 28.5.1996 beim Rechtsanwalt in L. ein. Daraufhin verfaßte Letzterer den Wiedereinsetzungsantrag und übergab ihn am 5.6.1996 der Post zur Beförderung.

Bei der Würdigung der Beweismittel kam der O.ö. Verwaltungssenat zur Überzeugung, daß der Beschuldigte aufgrund seines Anrufes bei der Behörde gewußt hat, daß dieser Anruf keine Wirkung eines mündlichen Einspruches hatte, zumal ihm, wie aus seinem Vorbringen und aus seinen Handlungen hervorleuchtete, bewußt war, daß nur ein von seiner Heimat aus verfaßter Schriftsatz bzw. die Betrauung eines Rechtsanwaltes als Schriftenverfasser die Wirksamkeit eines Einspruches auslöste und daß bei einem solchen Schriftsatz auf den Fristenlauf zu achten war. In diesem Sinne ist seine schriftliche Reaktion, datiert mit 22.3.1996, zu verstehen. Daß er den Einspruch offensichtlich an seine Versicherungsgesellschaft und nicht an die Bezirkshauptmannschaft L. versandte, bildete nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenates gemessen an der Intelligenz, wie sie von einem durchschnittlichen europäischen Autofahrer verlangt werden muß, keinen minderen Grad des Versehens. Demnach werden Vorwürfe wegen Schnellfahrens nicht von Versicherungsgesellschaften, denen jeglicher Behördencharakter fehlt, geahndet.

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG 1991 in der im Spruch zitierten Fassung, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gemäß § 71 Abs.2 AVG 1991 muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Diese Bestimmungen des AVG sind gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen die die Strafverfügung erlassen hat.

Abgesehen von der Frage, ob durch das zögerliche Verhalten des Beschuldigten auf die Anfrage der Rechtsanwaltskanzlei Z. hin, von einer Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages gesprochen werden kann (auf die Anfrage des Anwaltes vom 2.5.1996 langte erst am 28.5.1996 die Antwort des Beschuldigten ein - was eine auffallende Sorglosigkeit des Beschuldigten bescheinigt), lag seitens des Beschuldigten kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vor, welches ihn hinderte den Einspruch rechtzeitig zu erheben. Nachdem er aufgrund des Telefongespräches wußte, daß damit der Einspruch noch nicht rechtswirksam eingebracht war, aus der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung die Einbringungsstelle genau bezeichnet war, konnte kein Mangel im Verschulden und kein minderer Grad des Versehens darin erblickt werden, wenn der Beschuldigte den Einspruch dessen ungeachtet, um einen Versicherungsschutz bei der angestrebten Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes anzustreben, an die Neue RS-Versicherungs-AG in M. richtete.

Wenn die erste Instanz bei der rechtlichen Beurteilung noch die alte Fassung des § 71 AVG zugrundelegte, so mußte dies nicht zwangsläufig zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, zumal § 66 Abs.4 AVG, welcher auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, der Berufungsbehörde das Recht einräumt, bei gleichbleibendem Lebenssachverhalt eine andere Rechtsgrundlage als die erste Instanz für die Beurteilung heranzuziehen.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Da es sich nicht um die Anfechtung eines Straferkenntnisses handelte, war keine Kostenentscheidung zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G u s c h l b a u e r

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