Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104053/10/Weg/Km

Linz, 17.01.1997

VwSen-104053/10/Weg/Km Linz, am 17. Jänner 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 1. Kammer (Vorsitzender: Dr. Guschlbauer, Berichter: Dr. Wegschaider, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die Berufung des H K vom 7. Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 19.

September 1996, VerkR96-1505-1994-Ng, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 VStG; § 5 Abs.4 lit.b StVO 1960 idF der 18. StVO-Novelle.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als im Wege des § 29a VStG zuständig gewordene Behörde hat mit Straferkenntnis vom 19. September 1996, VerkR96-1505-1994-Ng, über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.5 StVO 1960 (in welcher Fassung?) eine Geldstrafe von 12.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen verhängt, weil dieser am 12. März 1994 um 02.25 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in L, nächst dem Hause S, stadteinwärts gelenkt hat, wobei er sich offenbar in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand und sich anschließend um 02.45 Uhr des genannten Tages in der Ordination des Amtsarztes Dr. W in L, gegenüber einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt, dem er zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorgeführt worden ist, geweigert hat, sich dieser Untersuchung zu unterziehen.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 1.200 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen bringt der Berufungswerber in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen als Einspruch bezeichneten Berufung sinngemäß vor, er sei zur damaligen Zeit an einer Darmgrippe erkrankt gewesen und habe Medikamente einnehmen müssen. Wegen dieser Medikamenteneinnahme habe damals der Grad der Alkoholisierung nicht mit dem Alkomaten gemessen werden können. Außerdem habe er an Herzrhythmusstörungen und an Migräneanfällen gelitten. Im Polizeiwachzimmer und zur Zeit der polizeiärztlichen Untersuchung habe er sich in einem sehr schlechten körperlichen Zustand (Migräneanfall - starke Kopfschmerzen -, Übelkeit, hoher Blutdruck, Schwindelgefühl, hoher Puls, Wallungen) befunden. Diese Symptome seien wahrscheinlich durch die Streßsituation am Polizeiwachzimmer ausgelöst worden. Der Berufungswerber wendet sich noch gegen den Begründunsaspekt der Erstbehörde, wonach der mit der Untersuchung betraute Arzt über entsprechende medizinische Einrichtungen, die einer möglichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes entgegenzuwirken geeignet gewesen seien, verfügt habe, sodaß es einerlei sein müsse, ob die Blutabnahme beim Arzt oder in einem Krankenhaus durchgeführt wird. Es seien im Untersuchungszimmer keine entsprechenden medizinischen Einrichtungen vorhanden gewesen.

3. Zum Aktengang:

Der Vorfall ereignete sich bereits am 12. März 1994. Die gerade noch zulässige (vergl. VwGH v. 13.10.1984, Slg.

11536A) Abtretung an die Wohnsitzbehörde erfolgte mit Schreiben am 29. März 1994, die erste und einzige Verfolgungshandlung am 29. April 1994. Nach der niederschriftlichen Einvernahme des Beschuldigten am 11. Mai 1994 ruhte der Akt bis 19. September 1996 (also fast 2 1/2 Jahre). In der zuletzt zitierten Niederschrift bringt der nunmehrige Berufungswerber sinngemäß vor, er habe dem untersuchenden Arzt angeboten, die fehlenden Untersuchungsteile in einem Krankenhaus durchführen lassen zu wollen. Ihm sei mitgeteilt worden, daß er privat machen könne, was er wolle und ihm eine Untersuchung im Krankenhaus nichts nützen würde, weshalb er davon Abstand genommen habe.

Ihm sei nach der Untersuchung sogar noch gestattet worden, daß Kraftfahrzeug zu lenken. Er habe bei der Fahrt zum Polizeiarzt die Polizeiorgane ersucht, ihn zu seinem Fahrzeug zurückzufahren, um aus diesem Medikamente gegen die Migräne holen zu dürfen. Dies sei mit dem Hinweis abgelehnt worden, daß der Polizeiarzt über derartige Medikamente verfüge, was schließlich nicht der Fall gewesen sei. Er habe die vollständige Untersuchung (Nystagmus) wegen der unerträglichen Kopfschmerzen verweigert.

Während die erste und einzige Verfolgungshandlung im April 1994 noch nach der alten Rechtslage (18. StVO-Novelle) erging, hat die Erstbehörde ihrem Straferkennntnis offenbar die seit der 19. StVO-Novelle geltende Rechtslage zugrundegelegt, was sich aus der Zitierung des erst mit der 19. StVO-Novelle geschaffenen § 5 Abs.5 Z2 ableiten läßt.

Zum Erhebungsbogen zur Feststellung des Grades der Alkoholbeeinträchtigung (Beilage zur Anzeige) wird noch bemerkt, daß darin die Sprache als deutlich, der Gang als sicher, das Benehmen als normal, die Pupillenreaktion als prompt und die Finger - Fingerprobe als sicher attestiert wurden. Bei der Zeile Alkoholgeruch wurde das Kästchen "ja" mit der Bemerkung "kaum" angekreuzt, aus nicht mehr eruierbaren Gründen dieses Wort "kaum" durchgestrichen und auf "deutlich" ausgebessert. Bei der Rombergprobe wurde zuerst das Kästchen "sicher" angekreuzt und in der Folge dieses Kästchen wieder durchgestrichen. Ob sich der Vermerk des Amtsarztes "wegen Mi(gräne) verweigert" nur auf die Nystagmusprobe oder auch auf die Rombergprobe bezieht, ist nicht eindeutig. Das ärztliche Gutachten schließlich bringt zum Ausdruck, daß sowohl die Alkoholbeeinträchtigung als auch die Fahruntüchtigkeit nicht beurteilt werden könne, weil der Untersuchte tragende Untersuchungsteile verweigert habe. Auf dem genannten Erhebungsbogen ist noch angeführt, daß die Blutabnahme wegen Herzrhythmusstörungen verweigert worden sei und ist auch von einem Migräneanfall die Rede.

Aus der Anzeige selbst ist noch zu ersehen, daß bei der Kontrolle des Beschuldigten Alkoholgeruch aus dem Munde festgestellt worden sei. Von sonstigen Alkoholisierungssymptomen ist nicht die Rede. Offenbar hat eine Alkomatuntersuchung wegen des auch für die Straßenaufsichtsorgane erkennbaren schlechten Gesundheitszustandes nicht stattfinden können, sodaß eine Vorführung zum Amtsarzt Dr. W erfolgte, um von diesem den Grad der etwaigen Alkoholisierung feststellen zu lassen. Die Anzeige bestätigt auch die spätere Rechtfertigung des Beschuldigten, daß er sich das Blut lediglich in einem Krankenhaus abnehmen lasse. Nach der Amtshandlung verblieben der Fahrzeugschlüssel sowie der Führerschein beim Beschuldigten. Hinsichtlich der Trinkzeiten und der Trinkmenge wird in der Anzeige auf die Angaben des Beschuldigten verwiesen, nach welchen in den der Amtshandlung vorausgegangenen 12 Stunden 3 Halbe Bier konsumiert worden seien.

Das schließlich mit der schon angeführten Verspätung ergangene Straferkenntnis fußt ausschließlich auf der Anzeige, welche hinsichtlich des wesentlichen Inhaltes eben beschrieben wurde. Eine zeugenschaftliche Vernehmung der Straßenaufsichtsorgane erfolgte ebensowenig wie eine zeugenschaftliche oder sonstige Befragung des praktischen Arztes Dr. W Dies wäre aber im Hinblick auf die zum Tatzeitpunkt geltende Rechtslage unabdingbar notwendig gewesen.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat in der Folge ergänzende Ermittlungen durchgeführt und auf schriftlichem Weg Herrn Dr. W ersucht, eine Stellungnahme dahingehend abzugeben, ob sich der Proband in einem offenbar durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Dr. Wagner antwortete mit Schreiben vom 28. November 1996, daß dies aufgrund der eher unspezifischen Restuntersuchungsergebnisse nicht feststellbar sei. Zu den in diesem Schreiben angeführten Herzrhythmusstörungen und der Migräne teilte der genannte Arzt telefonisch mit, daß diese tatsächlich vorgelegen haben dürften. Dieser Erhebungsschritt wurde der Bezirkshauptmannschaft Freistadt mit Schreiben vom 6.

Dezember zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 30.

Dezember 1996 teilte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt schließlich mit, aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu verzichten. Eine solche wäre im übrigen aus terminlichen Gründen (Strafbarkeitsverjährung) kaum mehr möglich gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs.2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei den, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Die von der Erstbehörde offenbar herangezogene neue Rechtslage, nämlich § 5 Abs.5 Z2 StVO 1960, ist nicht günstiger, sodaß der gegenständliche Fall nach der alten Rechtslage zu beurteilen ist.

§ 5 Abs.5 StVO 1960 (alte Rechtslage) normiert, daß, wer einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei der Behörde tätigen Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorgeführt worden ist (Abs.4), sich dieser Untersuchung zu unterziehen hat. Nach § 5 Abs.4 lit.b (lit.a und lit.c scheiden aus) StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorzuführen: Personen, die ein Fahrzeug lenken oder in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen und sich offenbar in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, wenn eine Untersuchung nach Abs.2a (Röhrchentest oder Alkomattest) nicht möglich ist.

Die Pflicht zur Untersuchung im Sinne des § 5 Abs.5 setzt voraus, daß die Vorführung zum Arzt rechtmäßig war.

Anders als die Verpflichtung, einen Alkomattest durchzuführen, reicht im gegenständlichen Fall die bloße Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung nicht aus, um eine Vorführung zum Arzt zu legitimisieren.

Die conclusio der verschiedenartigen Wortwahl des Gesetzgebers ist eindeutig: Zur Vorführung zum Amtsarzt reicht die bloße Vermutung (die im gegenständlichen Fall gegeben gewesen wäre) nicht aus, diese Person muß sich vielmehr offenbar in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.

Diese offenbare Alkoholbeeinträchtigung lag aber im gegenständlichen Fall - zumindest im Zweifel - nicht vor.

Der erstinstanzliche Akt enthält diesbezüglich keine gesicherten Sachverhaltselemente, das Ermittlungsergebnis durch den O.ö. Verwaltungssenat läßt das Vorliegen einer offenbaren Alkoholbeeinträchtigung ebenfalls nicht als erwiesen annehmen. Der befragte Arzt, der damals die Untersuchungen durchführte, teilte - wie schon erwähnt mit, daß aufgrund der eher unspezifischen Restuntersuchungsergebnisse eine offenbare Alkoholbeeinträchtigung nicht feststellbar sei. Diese unspezifischen Restuntersuchungsergebnisse sind nämlich für den Berufungswerber wie schon oben angeführt - positiv.

Nachdem - zumindest im Zweifel - die Vorführung zum Arzt nicht rechtmäßig war, bestand - weil die Strafbarkeit der teilweisen Verweigerung der Untersuchung eine rechtmäßige Vorführung voraussetzt - keine Verpflichtung zu dieser Untersuchung bzw. liegt keine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 vor, weil die zuletzt zitierte Norm ausdrücklich auf das Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen Bezug nimmt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob das Verhalten des Berufungswerbers (gesundheitliche Gründe für die Verweigerung des letzten Teiles der Untersuchung) schuldhaft war.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Guschlbauer

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