Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104069 /11/WEG/Ri

Linz, 24.03.1997

VwSen-104069 /11/WEG/Ri Linz, am 24. März 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des A K vom 7. Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27. August 1996, VerkR, nach der am 18. März 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums 1 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren eingestellt.

Ansonsten wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Hinsichtlich des stattgebenden Teils der Berufung entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge. Insoweit die Berufung abgewiesen wurde (Faktum 2) hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten vor der ersten Instanz einen Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren in der Höhe von 200 S (20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 51 Abs.1, § 51i, zum Spruchteil I.: § 45 Abs.1 Z2 und zum Spruchteil III.: § 64 f VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 und 2.) § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 1.000 S und 2.) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 48 Stunden verhängt, weil dieser am 11. August 1995 gegen 14.45 Uhr als Lenker des PKWs mit dem behördlichen Kennzeichen auf der B straße aus Richtung M kommend in Richtung F bei Straßenkilometer1.) auf einer unübersichtlichen Straßenstelle kurz vor einer Bergkuppe ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt hat und 2.) verbotenerweise überholt hat, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen wird können.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 200 S in Vorschreibung gebracht.

2. Der Berufungswerber wendet gegen dieses Straferkenntnis in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß ein, daß er den inkriminierten Überholvorgang ca. bei Kilometer begonnen habe, wohl wissend, daß hinter ihm ein Gendarmerieauto mit zwei Gendarmen in Zivil fahre. Es sei ihm unerklärlich, warum der Sachverständige nur von den Angaben des Rev.Insp.ausgegangen sei. Es sei im übrigen unrichtig, daß er sich erst kurz vor der Ortstafel wieder eingeordnet habe.

Zu den persönlichen Verhältnissen bringt der Berufungswerber noch vor, daß sein Einkommen ca. 12.000 S im Monat betrage und er für Zwillinge Alimente in der Höhe von 3.600 S bezahlen müsse.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch zeugenchaftliche Vernehmung der Gendarmeriebeamten Rev. Insp. B und Bez. Insp. D, durch Befragung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. H und durch Vernehmung des Berufungswerbers selbst anläßlich der am 18. März 1997 durchgeführten mündlichen Verhandlung, in welcher auch ein Lokalaugenschein stattfand.

Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 (Faktum 1.):

Nach der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 10. Juli 1981, 81/02/0017 ua) kann von einer unübersichtlichen Straßenstelle dann nicht gesprochen werden, wenn der überholende Kraftfahrzeuglenker in der Lage ist, das Straßenstück bei Beginn des Überholvorgangs zur Gänze zu überblicken, welches er für die Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines Kraftfahrzeuges benötigt. Es ist sohin zu beurteilen, wie weit die Sicht eines überholenden Fahrzeuglenkers gemessen von seiner Position zu Beginn des Überholmanövers reichte, welche Länge die Überholstrecke hatte und inwieweit das gegenständliche Straßenstück ihm bis zum Ende der Überholstrecke die erforderliche Übersichtlichkeit geboten hat oder nicht.

Der Sachverständige kam dabei zum Schluß, daß der Berufungswerber zu Beginn des Überholmanövers (bei Kilometer 7,3) eine größere Sichtweite hatte, als der tatsächliche Überholweg, also die Überholstrecke, betragen hat. Dieser Überholweg und somit die Überholstrecke berücksichtigt den Gegenverkehr nicht sondern nur die dem Berufungswerber für sein eigenes Überholmanöver zur Verfügung gestandene Sichtweite.

Das Verwaltungsstrafverfahren war sohin in diesem Punkt einzustellen, ohne noch näher darauf eingehen zu müssen, ob nach der Beweislage das Berufungsvorbringen glaubwürdig war, daß das Überholmanöver bereits vor der von den Zeugen geschilderten Örtlichkeit durchgeführt worden sei (vgl. hiezu auch VwSen-104015/12/Sch/Rd vom 13.Jänner 1997).

Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 (Faktum 2):

Diesbezüglich ist eingangs festzuhalten, daß sich die Schilderungen der Zeugen und des Berufungswerbers im Hinblick auf die Örtlichkeit, an der das Überholmanöver durchgeführt wurde, nicht decken. Während der Berufungswerber von einem Überholmanöver etwa bei Straßenkilometer spricht, führen die Meldungsleger aus, das Überholmanöver hätte ca. bei Kilometer begonnen und sei ca. bei Kilometer durch das Wiedereinordnen beendet worden. Zu diesen diametral gegenüberstehenden Aussagen ist vorweg auszuführen, daß den Angaben der Meldungsleger uneingeschränkt beigetreten wird. Die Gendarmeriebeamten vom Posten A hatten in dieser Gegend, die in einem völlig anderen Überwachungsrayon liegt, Diebstahlerhebungen durchzuführen und waren nicht mit Straßenaufsichtsagenden befaßt. Sie richteten deshalb ihr Augenmerk keinesfalls auf mögliche Übertretungen der Straßenverkehrsordnung. Lediglich durch das den Meldungslegern äußerst riskant erscheinende Überholmanöver des Berufungswerbers nahmen sie ihre Verpflichtung zur Ahndung dieser Übertretung bzw. zur Anzeigeerstattung wahr. Es erfolgte im Anschluß an das Überholmanöver eine Anhaltung des Beschuldigten und im Hinblick auf dessen Uneinsichtigkeit eine Inaugenscheinnahme des Tatortes mit der Anfertigung eines Lichtbildes. Wäre das Vergehen des Beschuldigten nicht so gravierend gewesen, hätten die in völlig anderer Mission tätigen Gendarmeriebeamten nach Ansicht der Berufungsbehörde keinen plausiblen Grund gehabt, diese Amtshandlung durchzuführen. Die Gendarmeriebeamten haben also lediglich in Anbetracht der Gefährlichkeit des Überholmanövers auch straßenpolizeiliche Agenden mitbehandelt. Ein Beobachtungsirrtum in der Form, daß das Überholmanöver schon 300 m vorher stattgefunden hätte (dort befindet sich eine übersichtliche Straßenstelle) ist auszuschließen, zumal es sich um zwei routinierte und in jeder Phase ihrer Aussage überzeugende Beamte gehandelt hat. Die Aussagen der Meldungsleger werden deshalb dieser Entscheidung zugrundegelegt.

Der Sachverständige führt unter Zugrundelegung einer Geschwindigkeit des überholten Wohnmobils von 50 km/h bis 60 km/h (so die Schätzung der Gendarmeriebeamten) und unter Zugrundelegung der für den Berufungswerber günstigsten Geschwindigkeit (nämlich 100 km/h), die jedoch mit Sicherheit nicht erreicht wurde, aus, daß die erforderliche Überholsichtweite knapp 300 m hätte betragen müssen, um sich vor einem allfälligen Gegenverkehr, der sich mit 50 km/h nähert, wieder gefahrlos einordnen zu können. Die tatsächliche Erkennungsentfernung auf den Gegenverkehr beim Beginn des Überholmanövers habe jedoch lediglich ca. 200 m betragen.

Auch wenn bei dieser Berechnung verschiedene Parameter, nämlich die des Überholbeginnes und die der Geschwindigkeiten (die ohnehin für den Berufungswerber am günstigsten angenommen wurden) verändert werden, ergibt sich alleine aus dem Umstand des Wiedereinordnens ca. 50 m vor der Ortstafel, daß der Berufungswerber bei einem allfälligen Gegenverkehr eine für alle Verkehrsteilnehmer lebensbedrohliche Situation erzeugt hat. Der Berufungswerber hat sohin ein Überholmanöver begonnen und auch durchgeführt, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er seinen PKW nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder beenden kann.

Dieses Verhalten stellt eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 dar und ist gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S (2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe) zu bestrafen.

Hinsichtlich der Strafhöhe wird noch bemerkt, daß diese in Anbetracht der Gefährdung der Verkehrssicherheitsinteressen als zu niedrig angesetzt bewertet wird, daß aber wegen des Verbotes der reformatio in peius keine höhere und somit angepaßte Strafe verhängt werden konnte. Schon aus diesem Grund fallen die persönlichen Verhältnisse, etwa die Sorgepflicht für Zwillinge nicht ins Gewicht und war das Faktum 2 des Straferkenntnisses sowohl hinsichtlich der Schuld als auch der Strafhöhe zu bestätigen.

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an: Dr. Wegschaider

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