Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104083/4/Ki/Shn

Linz, 05.12.1996

VwSen-104083/4/Ki/Shn Linz, am 5. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Elfriede J, vom 17. Oktober 1996, gegen das Straferkenntnis der BH Braunau/Inn vom 27. September 1996, VerkR96-11892-1995-Kb, zu Recht erkannt:

I: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II: Zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz hat die Berufungswerberin als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 160 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Straferkenntnis vom 27. September 1996, VerkR96-11892-1995-Kb, hat die BH Braunau/Inn über die Berufungswerberin (Bw) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil sie am 20.7.1995, um ca 10.35 Uhr, den PKW, Kennzeichen, auf der Uttendorfer Bezirksstraße, vom Ortszentrum Uttendorf kommend bis Strkm, Gemeinde Helpfau-Uttendorf, lenkte und als Lenker eines Fahrzeuges mit diesem umgekehrt hat und dadurch andere Straßenbenützer gefährdete. Sie habe dadurch § 14 Abs.1 StVO 1960 verletzt.

Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 80 S, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe, verpflichtet.

I.2. Gegen das Straferkenntnis hat die Bw mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1996 Berufung erhoben und beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der Berufung Folge geben, das Straferkenntnis aufheben und das Verfahren einstellen.

Begründet wird das Rechtsmittel im wesentlichen damit, daß eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.6 lit.c StVO nicht vorliege, wenn eine im Abs.3 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirkliche.

Aus der Anzeige des GPK Mauerkirchen ergebe sich, daß sie damals der Motorradlenker Andreas E überholen wollte, als sie gerade im Begriff gewesen sei, nach links abzubiegen.

Dabei sei es zu einer Kollision beider Fahrzeuge gekommen, wo E zu Sturz kam und sich verletzte. Er habe aktenkundig eine Schwellung der beiden kleinen Zehen des rechten Fußes sowie eine Abschürfung des rechten Knies, nach dessen Angaben er bis einschließlich 23.7.1995 im Krankenstand war, erlitten. Es lag daher aktenkundig eine insgesamt viertägige Gesundheitsschädigung vor.

Nach § 99 Abs.6 lit.c StVO gehe es nicht darum, ob tatsächlich eine strafgerichtliche Verurteilung erfolgt sei, sondern ob die Tat, nach dem Tatvorwurf das Umkehren unter Gefährdung anderer Straßenbenützer, den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirkliche. Gehe man daher von der Richtigkeit des verwaltungsstrafbehördlichen Tatvorwurfes aus, habe sie den Motorradlenker durch Übertretung der Bestimmung zumindest fahrlässig am Körper verletzt.

Weiters wird argumentiert, daß von einem Umkehren iSd Gesetzes nicht gesprochen werden könne. Es sei durch ein Abbiegemanöver zum Unfall gekommen und die Bestimmung des § 14 Abs.1 StVO komme somit schon aus diesem Grund nicht zum Tragen. Von einem Umkehren könne nur gesprochen werden, wenn der Vorgang des Wendens mit dem Fahrzeug auf der Fahrbahn selbst erfolge.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt unbestritten bleibt, sodaß ausschließlich eine rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes vorzunehmen ist und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Weiters wurde beim Bezirksgericht Mauerkirchen eruiert, daß das Strafverfahren gegen die Bw wegen § 88 Abs.1 StGB aus dem Grunde des § 88 Abs.2 Z4 StGB finalisiert wurde.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 14 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges mit diesem nur umkehren, wenn dadurch andere Straßenbenützer weder gefährdet noch behindert werden.

Gemäß § 99 Abs.6 lit.c leg.cit. liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine in Abs.2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.

Die Bw vertritt die Auffassung, daß im vorliegenden Fall nicht von einem Umkehren iSd Gesetzes gesprochen werden könne, sondern es durch ein Abbiegemanöver zum Unfall gekommen sei.

Aus der im Verfahrensakt einliegenden Lichtbildbeilage zur Anzeige des GP Mauerkirchen vom 23. August 1995 betreffend den gegenständlichen Fall geht hervor, daß die Fahrbahn der Uttendorfer Bezirksstraße im Bereich der gegenständlichen Kreuzung durch eine Verkehrsinsel geteilt ist. Die Bw selbst hat - unwidersprochen - bei ihrer Einvernahme vor dem GP Mauerkirchen am 25. Juli 1995 ausgesagt, daß sie um die dort befindliche Verkehrsinsel herumfahren und in Richtung Ortszentrum weiterfahren wollte.

Dem Berufungsvorbringen, wonach von einem Umkehren nur gesprochen werden könne, wenn der Vorgang des Wendens mit dem Fahrzeug auf der Fahrbahn selbst erfolgt, ist zuzustimmen, genau dieser Sachverhalt trifft jedoch im vorliegenden Falle zu. Gemäß § 2 Abs.1 Z2 StVO 1960 ist als Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße definiert. Die Fahrbahn besteht jedoch nicht nur aus Fahrstreifen, sondern sie umfaßt auch ua Schutzinseln (vgl Messiner StVO, 9. Auflage, Anmerkung 6 zu § 2, S 22). Im Lichte dieser Gesetzesdefinition ist daher der von der Bw verwirklichte Sachverhalt als Wenden mit dem Fahrzeug auf der Fahrbahn selbst iSd § 14 Abs.1 StVO 1960 zu beurteilen.

Was die für die Verwirklichung des vorgeworfenen Tatbestandes erforderliche Gefährdung bzw Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer anbelangt, so ist es evident, daß es durch das Fahrmanöver der Bw zu einem Verkehrsunfall gekommen ist und sie durch das Wenden (Umkehren) ihres Fahrzeuges den Unfallbeteiligten jedenfalls gefährdet hat.

Die Bw selbst hat zugegeben, daß sie vorerst den Motorradfahrer im Rückspiegel gesehen und sich danach auf den Gegenverkehr konzentriert habe. Sie hat sich dann offensichtlich nicht mehr um den Nachfolgeverkehr gekümmert.

Wie die Erstbehörde in der Begründung des Straferkenntnisses zu Recht ausgeführt hat, stellt das Umkehren stets ein gefährliches Manöver dar und erfordert daher äußerste Sorgfalt. Das Umkehren hat zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist.

Im gegenständlichen Fall hätte sich daher die Bw vor dem Umkehren nochmals davon überzeugen müssen, daß der hinter ihr fahrende Motorradfahrer durch ihr Manöver nicht gefährdet würde. Nachdem sie dies sorgfaltswidrig unterlassen hat, ist die Verwirklichung des vorgeworfenen Sachverhaltes objektiv als erwiesen anzusehen.

Daß die Bw subjektiv zur Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre (§ 5 VStG), wurde von ihr nicht behauptet und es sind auch keine entsprechenden Umstände aus den Verfahrensunterlagen zu ersehen. Sie hat daher die vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

Der Argumentation, es liege keine Verwaltungsübertretung vor, weil der Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht wurde, ist entgegenzuhalten, daß das gegen die Bw geführte gerichtliche Verfahren aus dem Grunde des § 88 Abs.2 Z4 StGB gemäß § 90 Abs.1 StPO finalisiert wurde.

Anders als in den Fällen eines Strafausschließungsgrundes nach § 42 StGB bedeutet die im § 88 Abs.2 StGB verwendete Wendung "ist nicht zu bestrafen" keinen Strafausschließungsgrund im engeren Sinne, sondern einen Mangel am Tatbestand (vgl VwGH 8.9.1982, 82/03/0132).

Wird daher ein Beschuldigter nur aus den Gründen des § 88 Abs.2 StGB freigesprochen bzw wird nur aus diesem Grunde die Anzeige zurückgelegt, so liegt keine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende Handlung iSd § 99 Abs.6 lit.c StVO vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sind daher zur Ahndung der Übertretung der StVO berufen (vgl VwGH 3.3.1982, 81/03/0073).

Nachdem somit durch den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt keine in eine gerichtliche Zuständigkeit fallende Tathandlung verwirklicht wurde, hat die Erstbehörde zu Recht die verwaltungsstrafrechtliche Kompetenz wahrgenommen.

Was die Strafbemessung (§ 19 VStG) anbelangt, so hat die Erstbehörde vom Ermessen iSd Gesetzes Gebrauch gemacht. Bei dem gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 10.000 S) wurde die Strafe sehr niedrig bemessen und es ist diese sowohl hinsichtlich der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe im konkreten Fall durchaus tat- und schuldangemessen.

Die Erstbehörde hat die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Bw bereits als strafmildernd gewertet.

Was die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse anbelangt, so hat sich zwar die Erstbehörde diesbezüglich nicht geäußert, die erkennende Berufungsbehörde vertritt jedoch die Auffassung, daß im vorliegenden Fall die festgelegte Strafe selbst unter der Annahme, daß weder ein Einkommen noch ein Vermögen gegeben ist bzw die Sorgepflicht für ein Kind besteht, vertretbar ist. Sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen ist eine Herabsetzung im vorliegenden Fall nicht zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Mag. K i s c h

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