Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104095/2/LE/Ha

Linz, 02.06.1997

VwSen-104095/2/LE/Ha Linz, am 2. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des G F, B, M, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. F S und Dr. G B, S,W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 26.9.1996, VerkR96-14921-1995, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß als verletzte Rechtsvorschrift § 20 Abs.2 StVO 1960, BGBl. 159/1960 idgF (anstelle von § 52a Z10a Straßenverkehrsordnung 1960) festgestellt wird.

Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 1.800 S zu entrichten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: §§ 62 Abs.4 und 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF. Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 26.9.1996 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 52a Z10a Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 9.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 168 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 27.8.1995 um 10.06 Uhr den PKW auf der W in Fahrtrichtung Sgelenkt und im Gemeindegebiet von S zwischen km und km die für Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 68 km/h überschritten.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der im Spruch angeführte Sachverhalt von zwei namentlich genannten Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Verkehrsabteilung, festgestellt und zur Anzeige gebracht worden wäre. Die Geschwindigkeit sei durch Nachfahren im gleichbleibenden Abstand festgestellt und mittels einer geeichten ProViDa-Anlage ermittelt worden.

Sodann wurde der Gang des Ermittlungsverfahrens dargelegt, wobei zu bemerken ist, daß bei der nachfolgenden Anhaltung vom Beschuldigten die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bestritten wurde. Er habe den PKW testen wollen. Erst in der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme hätte der Beschuldigte angegeben, daß er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit lediglich um 40 km/h überschritten hätte.

Im Rahmen der Beweiswürdigung ging die Erstbehörde davon aus, daß durch die dienstliche Feststellung zweier erfahrener Gendarmeriebeamter der Sachverhalt zweifelsfrei erwiesen sei. Nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt. Dabei wurden die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatlich 20.000 S, Sorgepflichten für Gattin und 1 Kind) berücksichtigt. Als strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit gewertet, straferschwerend war jedoch das Ausmaß der Überschreitung.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 17.10.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafe auf 3.000 S herabzusetzen.

Zur Begründung führte der Bw aus, daß er bis zu km mit einer Geschwindigkeit von ca. 170 km/h gefahren sei und dort von der Zivilstreife eingeholt worden wäre. Diese sei ihm im 2-Sekunden-Abstand nachgefahren. Da dieser Abstand bei einer Geschwindigkeit von 170 km/h nicht ausreiche und die Zivilstreife jeden seiner Spurwechsel unmittelbar anschließend nachvollzogen habe, wäre er gezwungen gewesen, seine Geschwindigkeit entsprechend zu erhöhen, um den erforderlichen 3-Sekunden-Weg wiederherzustellen. Sein Verhalten sei daher als strafbefreiender Notstand zu qualifizieren.

Zur Strafhöhe führte der Bw aus, daß er diese für überhöht erachte. Die erstinstanzliche Behörde hätte nicht berücksichtigt, daß eine Gefährdung der Verkehrssicherheit im gegebenen Zusammenhang nur im eingeschränkten Ausmaß vorlag. Wie aus den beiden Photos der ProViDa-Anlage ersichtlich sei, wäre nämlich die Autobahn zum Tatzeitpunkt fast leer gewesen und wäre außer- dem die Gefährdung z.B. bei einer Geschwindigkeit von 250 km/h jedenfalls größer gewesen. Schon insofern sei also die Verhängung von neun Zehntel der Höchststrafe nicht gerechtfertigt. Ebenso hätte aber die erstinstanzliche Behörde bei der Verhängung von neun Zehntel der Höchststrafe weder seine Einkom-mens-, Vermögens- und Familienverhältnisse noch seine bisherige Unbescholtenheit als Strafmilderungsgrund berücksichtigt. Die gegenteilige Behauptung in der Bescheidbegründung sei daher nicht nachvollziehbar; dies insbesondere angesichts seines Einkommens: eine angemessene Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse sei schon deshalb nicht erfolgt, weil die Behörde auch bei einem signifikant höheren Einkommen kaum einen Spielraum in bezug auf die Strafhöhe gehabt hätte. Im übrigen hätte die Erstbehörde die besonderen Milderungsgründe gemäß § 34 Z7-9 und Z18 StGB sinngemäß heranziehen müssen, unter Zugrundelegung der unter I. ausgeführten Rechtfertigung überdies § 34 Z11 StGB.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Aus diesem Verwaltungsakt ist ein für die Berufungsentscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt feststellbar, sodaß zur Wahrheitsfindung keine öffentliche mündliche Verhandlung mehr erforderlich war. 4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. Die Korrektur der verletzten Verwaltungsvorschrift im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses war erforderlich, weil die vorliegende Verwaltungsübertretung eben nicht unter § 52a Z10a StVO, sondern unter die Bestimmung des § 20 Abs.2 StVO zu subsumieren ist. Dies war von der Erstbehörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.10.1995 zutreffend vorgeworfen worden, sodaß es sich bei der Zitierung des § 52a Z10a StVO im angefochtenen Straferkenntnis offensichtlich um einen Schreibfehler (falschen EDV-Textbaustein) handelte, der von der Berufungsbehörde richtigzustellen war (siehe hiezu etwa VwGH vom 14.11.1989 Slg.13063 A; 10.9.1991, 88/04/0311).

4.3. § 20 Abs.2 StVO legt fest, daß der Lenker eines Fahrzeuges auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren darf.

Daß der Bw diese erlaubte Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten hat, gibt er selbst zu. Er versucht dies jedoch damit zu entschuldigen, daß ihm die Zivilstreife in einem Abstand von lediglich zwei Sekunden nachgefahren sei und er dadurch gezwungen worden wäre, die Geschwindigkeit zu erhöhen, um den für diese Geschwindigkeit erforderlichen 3-Sekunden-Abstand wiederherzustellen.

Abgesehen davon, daß es einem vorausfahrenden Fahrzeuglenker nahezu unmöglich sein dürfte, bei einer derart hohen Geschwindigkeit den Abstand eines nachfahrenden Fahrzeuges auf die Sekunde genau zu schätzen, trifft die Verpflichtung zur Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes gemäß § 18 Abs.1 StVO den nachfahrenden Lenker. Das knappe Auffahren eines anderen Verkehrsteilnehmers macht daher die Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht unzumutbar. Im Nachfahren einer den gebotenen Sicherheitsabstand nicht einhaltenden Zivilstreife kann demnach kein Schuldausschließungsgrund erblickt werden (VwGH 17.11.1993, 93/03/0236). Der Bw hat daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht begangen und in subjektiver Hinsicht auch zu vertreten.

4.4. Der Bw hat die Strafbemessung bekämpft, wobei er zur Begründung dazu ausführte, daß die Autobahn zum Tatzeitpunkt fast leer gewesen wäre und die Gefährdung bei einer Geschwindigkeit von 250 km/h jedenfalls größer gewesen wäre. Überdies wären weder seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse noch seine bisherige Unbescholtenheit mildernd berücksichtigt worden. Überdies hätte die Erstbehörde die besonderen Milderungsgründe gemäß § 34 Z7-9, 11 und 18 StGB sinngemäß heranziehen müssen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Die Strafbemessung hat nach den Grundsätzen des § 19 VStG zu erfolgen, welche Bestimmung folgenden Wortlaut hat:

"(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 - 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 - 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen." (Hervorhebungen durch die erkennende Behörde).

4.4.1. Die Geschwindigkeitsfestlegungen des § 20 StVO dienen einerseits dazu, die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu gewährleisten, andererseits aber auch den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit zu entsprechen. Der Gesetzgeber hat daher auf Autobahnen, die an sich die sichersten Straßen sind, die höchste zulässige Geschwindigkeit überhaupt, nämlich 130 km/h, erlaubt. Ihre Überschreitung ist jedoch unter keinen Umständen erlaubt (siehe hiezu Messiner, Straßenverkehrsordnung, 9. Auflage, Seite 451 Z22). Im vorliegenden Fall hat der Bw diese erlaubte Höchstgeschwindigkeit jedoch sogar massiv überschritten, nämlich um 68 km/h. Bei einer derart hohen Geschwindigkeit ist bereits das Wahrnehmungsvermögen deutlich herabgesetzt (Messiner, aaO, Seite 455f), sodaß - auch in Übereinstimmung mit dem Ausschußbericht zu § 99 Abs.3 StVO - hier von der Schaffung besonders gefährlicher Verhältnisse gesprochen werden muß, was als besonders rücksichtslos zu werten ist (Messiner, aaO, Seite 1286 Z6).

Es handelte sich auch nicht, wie der Bw darzustellen versuchte, um eine fast leere Autobahn, sondern herrschte vielmehr laut Gendarmerieanzeige normales Verkehrsaufkommen. Auch aus dem im Akt beiliegenden Photo aus der ProViDa-Anlage ist erkennbar, daß außer dem Fahrzeug des Bw und dem Dienstfahrzeug drei weitere Fahrzeuge auf diesem Teilstück der Autobahn in Fahrtrichtung Salzburg unterwegs waren. Es wurde damit die Verkehrssicherheit massiv gefährdet. 4.4.2. Dem Argument, daß die Gefährdung der Verkehrssicherheit bei 250 Stundenkilometer größer gewesen wäre, wird grundsätzlich beigepflichtet. Es kann dies jedoch nicht zum Anlaß genommen werden, die verhängte Strafe herabzusetzen, weil die Gefährdung der Verkehrssicherheit auch bei 198 km/h bereits derart hoch war, daß - unter Berücksichtigung auch der übrigen Strafbemessungsgründe - die Verhängung von 90 % der vorgesehenen Höchststrafe gerechtfertigt war.

4.4.3. Bei seiner Anhaltung am 27.8.1995 durch die Gendarmeriebeamten gab der Bw an, er habe das Fahrzeug testen wollen, da er es vor einer Woche gekauft habe. Es ist daher davon auszugehen, daß der Bw vorsätzlich gehandelt hat. Wenn aber eine Übertretung, zu deren Begehung Fahrlässigkeit ausreicht, wie dies bei Geschwindigkeitsüberschreitungen der Fall ist, vorsätzlich begangen wird, so ist dies als Erschwerungsgrund zu werten (siehe etwa VwGH 21.4.1994, 93/09/0423 u.a.).

4.4.4. In Anbetracht dieser Erschwerungsgründe, die an sich bereits die Verhängung der Höchststrafe gerechtfertigt hätten, wurden die Milderungsgründe des § 34 StGB sowie die Unbescholtenheit des Bw von der Erstbehörde offensichtlich ebenso berücksichtigt wie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw. Zu seinen Vermögensverhältnissen machte er vor der Erstbehörde keine Angaben, wobei aber davon auszugehen ist, daß zu seinem Vermögen jedenfalls ein F zu rechnen ist.

Damit erfolgte die Strafbemessung jedenfalls unter Beachtung der Grundsätze des § 19 VStG, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.: Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da eine Geldstrafe in Höhe von 9.000 S verhängt wurde, beträgt der Verfahrens-kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 1.800 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Leitgeb

Beschlagwortung: Erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung - Strafbemessung

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