Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104129/4/Fra/Ka

Linz, 22.11.1996

VwSen-104129/4/Fra/Ka Linz, am 22. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des S B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 15.10.1996, VerkR96-18898-1996-Kb, betreffend Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds. 2.000 S, zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.471/1995, iVm §§ 19 und 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995.

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.1 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt, weil er am 14.7.1996 um 00.20 Uhr den Kombi, auf der B 156, aus Richtung Eggelsberg kommend, in Fahrtrichtung Moosdorf bis Strkm.36,217 gelenkt und sich hiebei aufgrund des bei ihm gemessenen Blutalkoholgehaltes von über 0,8 g/l in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die durch den ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG). Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Der Bw bestreitet den ihm zur Last gelegten Tatbestand nicht. Er verursachte als Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges einen Unfall, bei dem der Beifahrer H S getötet wurde. Der Bw wies zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 1,63 Promille auf. Der Bw vertritt die Auffassung, daß aufgrund nachstehender Ausführungen eine Bestrafung nach § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 nicht als gerechtfertigt zu erkennen sei:

Nach Art.4 Z1 des 7. Zusatzprotokolles zur Menschenrechtskonvention (MRK) darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Dieser Artikel darf nach Ziffer 3 auch nicht nach Art.15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden.

Der Bw wurde vom Landesgericht Ried i.I. in der Hauptverhandlung vom 14.10.1996 von dem wider ihn erhobenen Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung des H S nach § 81 Z2 StGB iVm § 5 JGG freigesprochen. Der Freispruch ist rechtskräftig.

Nach diesem Freispruch stellt sich nun für den Bw die Rechtsfrage, ob es der Verwaltungsstrafbehörde verwehrt ist, auf der Grundlage des für den Bw identen Sachverhaltes ein Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen und eine Bestrafung nach § 99 Abs.1 StVO 1960 auszusprechen. Dies sei nach Auffassung des Bw zu bejahen. Er verweist auf das Judikat des EGMR vom 23.10.1995, Nr.33/1994/480/562 im Fall Gradinger gegen Österreich. Der Bw vertritt die Auffassung, daß es bei der Frage der (Un-)Zulässigkeit einer Doppelbestrafung lediglich darauf ankomme, ob sich die Strafverfolgungen auf denselben Sachverhalt stützen, was gegenständlich der Fall sei. Mit der derzeit noch geltenden Bestimmung des § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960, welche bereits beim Verfassungsgerichtshof angefochten wurde, lasse sich der Fall nicht lösen. Es wird seines Erachtens notwendig sein, der zitierten Bestimmung den Absatz 1 hinzuzufügen, um auch diesbezüglich eine Doppelbestrafung hintanzuhalten.

Der Bw stellt sohin den Antrag, der O.ö. Verwaltungssenat möge umgehend über sein Rechtsmittel entscheiden, das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verfahren einstellen oder möglichst umgehend einen Antrag nach Art.140 Abs.1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof stellen mit demselben Inhalt wie im Verfahren G 197/96.

I.3.2. Das Argument des Bw unter Hinweis auf das Urteil des EGMR im Fall G gegen Österreich, daß im gegenständlichen Fall eine Verletzung des Art.4 des 7. Zusatzprotokolles zu MRK stattgefunden hätte, weil ihn die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn durch die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 in bezug auf einen Sachverhalt bestraft hätte, der identisch gewesen sei mit dem, auf dessen Grundlage das Landesgericht Ried/I. entschied, daß er den Tatbestand des § 81 Z2 StGB nicht zu verantworten habe, überzeugt nicht.

Im Fall Gradinger gegen Österreich war der Sachverhalt komprimiert dargestellt - folgender:

Der Beschwerdeführer (Bf) verursachte als Lenker eines Kraftfahrzeuges einen Unfall, bei dem ein Radfahrer ums Leben kam. Die Bestimmung des Blutalkoholgehaltes erbrachte einen Wert von 0,8 Promille. Ein Kreisgericht sprach den Beschwerdeführer der fahrlässigen Tötung schuldig und verhängte über ihn eine Strafe. Im Protokoll - und Urteilsvermerk wurde festgestellt, daß der Bf vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen hätte, jedoch nicht in einem Ausmaß, das die Anwendung des § 81 Z2 StGB gerechtfertigt hätte. Eine Bezirkshauptmannschaft verhängte ebenfalls über den Bf eine Geldstrafe gemäß § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960. Die Berufungsbehörde wies die Berufung des Bf mit der Begründung ab, ein Sachverständigengutachten habe ergeben, daß der Blutalkoholgehalt des Bf 0,9 Promille betrug. Der Bf erhob sowohl Beschwerde an den VfGH als auch Beschwerde an den VwGH. Der VfGH lehnte die Behandlung dieser Beschwerde ab, der VwGH wies sie als unbegründet ab, worauf der Bf eine Beschwerde an die EKMR erhob. Die Kommission erklärte die Beschwerde teilweise für zulässig.

Die EKMR konstatierte ua eine Verletzung des Art.4 des 7.

Zusatzprotokolles zur MRK, ebenso in der Folge der EGMR.

Dieser führte im gegenständlichen Fall aus, daß, wenn Verwaltungsbehörden in einem Verwaltungsstrafverfahren nach den §§ 5 und 99 StVO 1960 befinden, daß der Beschuldigte einen Blutalkoholgehalt von 0,9 Promille zu verantworten habe, nachdem das Strafgericht im Verfahren wegen § 81 Z2 StGB zum Ergebnis kam, daß ein Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille nicht erweisbar sei, sich beide Entscheidungen auf das gleiche Verhalten gründen. Der Gerichtshof führte in den Entscheidungsgründen aus, sich völlig bewußt zu sein, daß die in Rede stehenden Bestimmungen verschieden sind, nicht nur was die Bezeichnung der strafbaren Handlungen betrifft, sondern was wichtiger ist, auch was ihre Art und ihren Zweck anlangt. Er bemerkte weiters, daß die im § 5 StVO 1960 vorgesehene Strafbestimmung (gemeint wohl: § 99 Abs.1 StVO 1960) nur einen der Gesichtspunkte der gemäß § 81 Z2 StGB strafbaren Handlungen widerspiegelt.

Der gegenständliche Berufungsfall unterscheidet sich nun vom Fall G gegen Österreich insoferne, als sich das Landesgericht Ried i.I. mit der Frage, ob der Beschuldigte das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat, gar nicht auseinandergesetzt hat. Der Freispruch wegen fahrlässiger Tötung nach § 81 Z2 StGB erfolgte laut Protokollsvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung vom 14.10.1996, Aktenzeichen 9AEvR.674/96, mangels Schuldbeweis. Aus den vom O.ö.

Verwaltungssenat beigeschafften Protokollen der Hauptverhandlung vom 16.9.1996 und der Hauptverhandlung vom 14.10.1996 kann entnommen werden, daß der beim gegenständlichen Verkehrsunfall Getötete dem Beschuldigten möglicherweise ins Lenkrad gegriffen hat, sodaß dieser den Verkehrsunfall nicht verhindern konnte. Das Gericht konnte dem Beschuldigten offenbar einen Sorgfaltsverstoß hinsichtlich des angeklagten Vergehens nicht nachweisen, sodaß sich für das Gericht die weitere Frage, welchen Alkoholisierungsgrad der Beschuldigte beim Lenken des Fahrzeuges aufwies, mangels Zuständigkeit gar nicht mehr stellte. Im Fall G gegen Österreich hat jedoch das Gericht die Frage der Alkoholisierung sehr wohl geprüft, ist jedoch im Gegensatz zur Verwaltungsbehörde, die einen Alkoholisierungsgrad von 0,9 Promille BAG angenommen hat, zum Ergebnis gekommen, daß ein Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille nicht erweisbar sei.

Zusammenfassend stellt daher der O.ö. Verwaltungssenat fest, daß entgegen der Auffassung des Bw nicht von einem identen Sachverhalt auszugehen ist. Der Antrag an den VfGH - wie vom Bw angeregt - wird daher nicht gestellt.

I.4. Zur Strafe wird ausgeführt:

Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Kriterien des § 19 VStG. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen ausreichend aufgezeigt. Eine Überschreitung des Ermessensspielraumes bei der Strafbemessung ist nicht zu konstatieren.

Der O.ö. Verwaltungssenat weist zusätzlich darauf hin, daß nach einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verwerflichkeit einer Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 umso größer ist, je mehr Alkohol der Täter vor dem Lenken zu sich genommen hat. Im gegenständlichen Fall hat der Beschuldigte den gesetzlichen Grenzwert des BAG um mehr als 100 % überschritten. Das Verschulden ist daher als erheblich zu werten. Die nachteiligen Folgen sind ebenso evident. Wenn die Erstbehörde eine Strafe verhängt hat, die sich beinahe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens bewegt, so hat sie die aufgezeigten Milderungsgründe ausreichend berücksichtigt. Eine Herabsetzung der Strafe ist im Hinblick auf die Schwere der Übertretung und aus spezialpräventiven Gründen nicht vertretbar.

In der Äußerung vom 19.9.1996 an die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn behauptet der Bw die Verfassungswidrigkeit des § 100 Abs.5 StVO 1960, wonach bei einer Übertretung nach § 99 Abs.1 die Bestimmung des § 20 VStG keine Anwendung findet, unter dem Aspekt der Gleichheitswidrigkeit und im Hinblick auf Art.11 Abs.2 B-VG. Abgesehen davon, daß der O.ö. Verwaltungssenat diese Auffassung nicht teilt, bemerkt er, daß der gegenständliche Fall selbst bei Anwendung des § 20 VStG für eine weitere Herabsetzung der Strafe - siehe die oa. Erwägungen - nicht geeignet wäre. Im Hinblick auf die Schwere der Schuld sowie aus präventiven Überlegungen wäre bei einem Strafrahmen, ausgehend von einer Untergrenze von 4.000 S - auch unter Berücksichtigung, daß der Bw ein Jugendlicher ist - die Geldstrafe als angemessen anzusehen.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. F r a g n e r

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