Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104176/5/Bi/Fb

Linz, 21.01.1997

VwSen-104176/5/Bi/Fb Linz, am 21. Jänner 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. R T, S, W, vom 24. November 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 12. November 1996, VerkR96-1831-1996-SR/SI, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe aber auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt werden.

II. Der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 50 S, im Rechtsmittelverfahren fallen keine Kosten an.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 12. Jänner 1996 um 23.54 Uhr den PKW, Kennzeichen , in L, A, km in Richtung Norden gelenkt und dabei die durch Verkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 23 km/h überschritten habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Begründung der Erstinstanz entspreche einer Totalreglementierung durch Vorschriften und Verkehrszeichen, die der Praxis und der alltäglichen Erfahrung widerspreche. Sein Hinweis auf den mündigen Verkehrsteilnehmer beschreibe sicher den einzig gangbaren Weg, auch in Zukunft tragbare Verkehrsverhältnisse zu ermöglichen. Im Bereich der Linzer Stadtautobahn gelte eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h, die nur am Tatort auf eine Strecke von 300 m vorübergehend auf 60 km/h reduziert sei. Diese Gegebenheit führe einerseits zu Verkehrsspitzenzeiten zu auffahrträchtigen Situationen, weil Verkehrsteilnehmer in der Kolonne plötzlich ihre Geschwindigkeit reduzierten, andererseits sei die Reduktion der Geschwindigkeit in den späten Abend- und Nachtstunden, wenn sich bestenfalls Einzelfahrzeuge auf der Strecke befänden, vom Standpunkt der Verkehrssicherheit völlig belanglos, wie jeder Praktiker sofort bestätigen werde.

Seine Geschwindigkeitsüberschreitung habe sich knapp vor Mitternacht ereignet und sei wohl kaum geeignet gewesen, eine Gefährdung, welcher Art auch immer, hervorzurufen. Er erwarte daher eine Revision des Straferkenntnisses unter Berücksichtigung der zum Tatzeitpunkt gegebenen Verkehrsbedingungen und unter Würdigung des Gesichtspunktes der tatsächlich zu diesem Zeitpunkt gegebenen Beeinflussung der Verkehrssicherheit, wobei außerdem die Höhe der ausgesprochenen Geldstrafe in keinem Verhältnis zum Anlaßfall stehe. Das rein sklavische Reagieren auf Straßenverkehrszeichen ohne Rücksicht auf die gleichzeitig mitgegebenen Rahmenbedingungen im Verkehrsgeschehen sei nicht Ausdruck mündiger Verkehrsteilnehmer.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker des PKW zur Anzeige gebracht wurde, weil er am 12. Jänner 1996 um 23.54 Uhr in L auf der A, Richtungsfahrbahn Nord, bei km im Bereich der dortigen Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h eine Geschwindigkeit von 83 km/h eingehalten hatte. Der Geschwindigkeitswert wurde durch Abzug der bei Radargeräten der Marke Multanova 6 FA vorgesehenen Toleranzabzüge ermittelt und dem Tatvorwurf zugrundegelegt.

Weiters wurde Einsicht in das dem Tatvorwurf zugrundeliegende Radarfoto genommen, aus dem sich einwandfrei ersehen läßt, daß sich zum relevanten Zeitpunkt kein weiteres Fahrzeug in der Nähe des Beschuldigtenfahrzeuges befunden hat, dh der Rechtsmittelwerber tatsächlich, wie um Mitternacht nicht anders zu erwarten, alleine auf dem genannten Autobahnabschnitt unterwegs war.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 52a Z10a StVO 1960 das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" anzeigt, daß das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die im Bereich der Auffahrt Muldenstraße verordnete und durch entsprechende Verkehrszeichen einwandfrei erkennbar kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h den Zweck hat, den von der Auffahrt Muldenstraße kommenden Kraftfahrzeuglenkern ein "Überqueren" der A zu ermöglichen, um auf die links befindliche Ausfahrt Richtung W zu gelangen, und ihnen dadurch einen komplizierten und zeitintensiven Umweg zu ersparen. Hält sich der auf der A befindliche Verkehr an die 60-km/h-Beschränkung, ist dem vom der Auffahrt M kommenden Lenker der erforderliche dreimalige Fahrstreifenwechsel möglich.

Hält sich der auf der A befindliche Verkehr nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung, ist ein solcher Fahrstreifenwechsel fast immer nur erschwert oder gar nicht möglich. Aus diesem Grund wurde vor der Abfahrt M ein stationäres Radargerät aufgestellt, sodaß gewährleistet ist, daß die auf der A befindlichen Kraftfahrzeuglenker die Geschwindigkeitsbeschränkung einhalten. Seit dieses Radargerät dort aufgestellt ist, hat sich die Anzahl der Verkehrsunfälle im Bereich der Auffahrt M stark verringert. Der Ansicht des Rechtsmittelwerbers, diese Geschwindigkeitsbeschränkung widerspreche der Praxis und führe nur zu auffahrträchtigen Situationen durch plötzliche Geschwindigkeitsreduktionen, vermag der unabhängige Verwaltungssenat schon deshalb nichts abzugewinnen. Konzentrationsfehler bloß einiger Fahrzeuglenker lassen nicht automatisch den Schluß auf die generelle Unsinnigkeit einer Geschwindigkeitsregelung zu.

Die Straßenverkehrsordnung enthält außerdem keine Bestimmung, wonach Geschwindigkeitsbeschränkungen bei Nacht ihre Gültigkeit verlieren würden oder ihre - unübersehbar vorangekündigte - Überwachung unzulässig wäre.

Im Gegenteil handelt es sich bei der Bestimmung des § 52a Z10a StVO 1960 von der rechtlichen Konstruktion her um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs.1 VStG. Diese Bestimmung besagt, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die Argumente des Rechtsmittelwerbers sind für die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens schon deshalb nicht geeignet, weil er nach eigenen Schilderungen deshalb die Geschwindigkeitsbestimmung mißachtet hat, weil ihm der Sinn dieser Regelung nicht plausibel erscheint. Vom Außerachtlassen der gebotenen Sorgfalt, wie bei der Definition der Fahrlässigkeit, kann somit keine Rede sein, sondern es ist im gegenständlichen Fall sogar von dolus eventualis, dh von Vorsatz, auszugehen.

Daraus folgt, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und mangels Schuldausschließungsund Rechtfertigungsgründen (zB Notwehr, Notstand, fehlende Zurechnungsfähigkeit oä) sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Das Absehen von der Strafe bzw der Ausspruch einer Ermahnung ist gemäß § 21 Abs.1 VStG nur unter der Voraussetzung möglich, daß das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Da im gegenständlichen Fall, wie bereits oben ausgeführt, von Vorsatz und daher nicht von geringfügigem Verschulden auszugehen ist, liegen die Voraussetzungen des § 21 VStG nicht vor.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist aber aufgrund des Umstandes, daß sich der gegenständliche Vorfall tatsächlich um Mitternacht ereignete und aus dem Radarfoto hervorgeht, daß kein weiteres Fahrzeug, insbesondere kein solches auf dem Weg von der Auffahrt M zur Abfahrt Richtung W, auf dem genannten Autobahnabschnitt unterwegs war, davon auszugehen, daß der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretung jedenfalls geringer war als bei normalem Verkehrsaufkommen. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß es sich beim genannten Straßenabschnitt um eine Autobahn, dh eine für höhere Geschwindigkeiten bestimmte Verkehrsfläche, handelt, deren Benützung bestimmten Kraftfahrzeugen vorbehalten ist.

Es bestand daher nicht die Möglichkeit einer Gefährdung zB des Lenkers eines unbeleuchteten Fahrrades durch eine geschwindigkeitsbedingte Reaktionsverzögerung.

Aus diesen Überlegungen erscheint eine Herabsetzung der verhängten Strafe gerade noch gerechtfertigt, auch wenn von der Erstinstanz zutreffend die als einschlägig anzusehende Vormerkung des Rechtsmittelwerbers aus dem Jahr 1993 als Erschwerungsgrund zu werten war. In Anbetracht der von der sozialen Stellung des Rechtsmittelwerbers als günstig zu beurteilenden finanziellen Situation entspricht die nunmehr verhängte Strafe den Kriterien des § 19 VStG und hält auch spezial- sowie generalpräventiven Überlegungen stand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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