Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104344/7/WEG/Ri

Linz, 06.06.1997

VwSen-104344/7/WEG/Ri Linz, am 6. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des A K, vertreten durch Dr. J K, vom 13. Jänner 1997 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 20. Dezember 1996, III/ST-4623/94, nach der am 4. Juni 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.3 lit.a iVm § 16 Abs.1 lit.d StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil dieser am 6. November 1994, 15.20 Uhr, in W E S in Fahrtrichtung Norden fahrend, als Lenker des PKWs W in Höhe des Hauses E S unmittelbar vor einem Schutzweg, der nicht durch Lichtzeichen geregelt ist, den PKW W überholt habe, da der Überholvorgang maximal 10 m vor dem Schutzweg beendet war.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 100 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde begründet ihr Straferkenntnis im wesentlichen damit, daß der Beschuldigte den PKW W vor einem nicht durch Lichtzeichen geregelten Schutzweg mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h (günstigste Annahme für den Beschuldigten) überholt habe und das Überholmanöver ca. 10 m vor dem Schutzweg beendet habe.

3. Der Berufungswerber wendet in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung ein, er hätte nach dem durchgeführten Überholmanöver auf Grund der innegehabten Geschwindigkeit vor dem Schutzweg noch anhalten können, weil die von der Erstbehörde angenommenen Werte mit einem Unsicherheitsfaktor belastet seien. Bei einem Verzögerungswert von 7,5 m/sec² würde der Bremsweg bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h 12,9 m betragen, bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h 10,4 m und bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h 8,2 m. Schon daraus sei ersichtlich, daß nur bei einer geringen Verschiebung der geschätzten Sachverhaltselemente ein rechtzeitiges Anhalten vor dem Schutzweg noch möglich gewesen wäre.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch zeugenschaftliche Befragung des Anzeigeerstatters Rev.Insp. T durch Vernehmung des Beschuldigten und anschließendem Ortsaugenschein anläßlich der am 4. Juni 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Demnach steht fest, daß sich der Anzeigeerstatter hinsichtlich der metermäßigen Angabe der Beendigung des Überholmanövers (Wiedereinordnen auf dem rechten Fahrstreifen) nicht mehr exakt auf 10 m festlegen konnte, sondern sowohl 7 m als auch 13 m für möglich hielt. Weiters ist auch die Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit zu eruieren gewesen, weil der Anzeigeerstatter beim besagten Überholmanöver nicht auf seinen (im übrigen nicht geeichten) Tacho blickte sondern angab, einige 100 Meter vorher auf den Tacho geblickt zu haben, und in der Folge mit annähernd gleicher Geschwindigkeit weitergefahren zu sein. Dieser Unsicherheitsfaktor wirkt sich naturgemäß auch auf die vom Beschuldigten anläßlich des Überholmanövers gefahrene Geschwindigkeit aus. Desweiteren bestehen Diskrepanzen hinsichtlich des Beginnes des Überholvorganges. Während der Anzeigeerstatter in der Anzeige davon sprach, daß das Überholmanöver etwa auf Höhe des Hauses E S begann, wo er sich nämlich wieder auf den rechten Fahrstreifen einordnete, sprach der Zeuge bei der mündlichen Verhandlung vom Beginn des Überholmanövers auf Höhe des Würstelstandes (ca. E S Nr.). Der Schutzweg selbst befindet sich nicht auf Höhe des Hauses E S, wie dies aus der Anzeige bzw aus dem Straferkenntnis zu vermuten wäre, sondern ca. 50 m später, nämlich beim Haus E S Nr., vor welchem von rechts eine Querstraße in die E S einmündet.

Wenn man alle eben aufgezählten Unsicherheitsfaktoren bzw. einzelne davon zugunsten des Beschuldigten wertet, so ist eine präzise Tatanlastung hinsichtlich aller für die Übertretung des § 16 Abs.1 lit.d StVO 1960 notwendigen Sachverhaltselemente nicht mehr möglich. Jedes dieser unsicheren Elemente kann im Zweifelsfall ergeben, daß der Berufungswerber vor diesem Schutzweg seinen PKW noch anhalten hätte können. Auch der telefonisch befragte Amtssachverständigendienst erklärte, daß einerseits eine Bremsverzögerung von 7,5 m/sec² betreffend das verwendete Fahrzeug durchaus realistisch sei und andererseits bei den unsicheren Parametern auch ein Anhalten vor dem Schutzweg noch möglich gewesen sein könnte.

Es mag im konkreten Fall dahingestellt bleiben, ob der Berufungswerber nicht doch ein Fahrmanöver an den Tag gelegt hat, welches den Tatbestand des § 16 Abs.1 lit.d StVO 1960 erfüllt, es muß allerdings andererseits nach den in einem Strafverfahren geltenden Grundsätzen die zweifelsfreie Erwiesenheit eines Sachverhaltes gegeben sein, um einen Schuldspruch bestätigen zu können. Im Hinblick auf die aufgezeigten Ungenauigkeiten (auch hinsichtlich des Tatortes) war eine zweifelsfreie den Beschuldigten belastende Sachverhaltsfeststellung nicht möglich.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Nachdem - wie oben dargelegt - dem Beschuldigten nicht mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit ein Sachverhalt zugrundegelegt werden kann, welcher dem § 16 Abs.1 lit.d StVO 1960 subsumiert werden könnte, war in Befolgung der eben angeführten Gesetzesstelle spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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