Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104395/6/BI/Ha

Linz, 03.03.1998

VwSen-104395/6/BI/Ha Linz, am 3. März 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn C S, E, S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E & Partner, S, M, vom 14. Februar 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. Februar 1997, Verk96-17306-1996-Shw, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51Abs.1, 1 Abs.2, 45 Abs.1 Z2 und 66 VStG, §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem oa Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 4.000 S (eine Woche EFS) verhängt, weil er am 24. Mai 1996 um 07.20 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen , auf der L im Ortsgebiet H in Richtung A gelenkt und bei Strkm 19,200 die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 52 km/h überschritten habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 400 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber beantragt die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, er habe bei der damaligen Fahrt die L nicht verlassen, wobei die Erstinstanz zu Recht festgestellt habe, daß jemand, der die Straße von L Richtung H fahre, kein Hinweiszeichen "Ortstafel" passiere. Er sei trotz seines Wohnortes S nicht ortskundig und habe damals auf einer Baustelle in Liedlschwandt gearbeitet. Die von der Erstinstanz zitierte Judikatur des VwGH sei mit dem gegenständlichen Sachverhalt nicht vereinbar. Strkm 19,200 liege nunmehr außerhalb des Ortsgebietes, weil die Tafel "Ortsende" in Richtung A bis zum tatsächlichen Ende des verbauten Gebietes zurückversetzt worden sei. Dadurch sei offenkundig der örtlichen Situation Rechnung getragen worden, zumal der Tatort an der ca 6 m breiten, völlig gerade verlaufenden Landesstraße liege, danach befinde sich eine leichte Rechtskurve und die Sicht vom jetzigen Ortsende und vom Tatort in Richtung A betrage einen Kilometer. Deshalb sei aus der Argumentation der Erstinstanz, er hätte auf Grund der örtlichen Verhältnisse erkennen müssen, daß es sich um ein Ortsgebiet handle, nichts gewonnen. Die Erstinstanz habe gleichzeitig erkannt, daß die Tafel "Ortsende" zum Tatzeitpunkt fernab vom Ende des verbauten Gebietes aufgestellt war und nun rückversetzt wurde. Das bedeute aber, daß er an einem Hinweiszeichen "Ortstafel" nicht vorbeigefahren sei und auf Grund der örtlichen Verhältnisse am Tatort nicht erkennen konnte, daß es sich um ein Ortsgebiet handelt, weil der Tatort nicht im verbauten Gebiet gelegen sei. Ein Gebiet sei gemäß § 53 Z17a StVO dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar sei. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Die Rückversetzung der Ortstafel zeige, daß die Erstinstanz offenbar selbst von der Gesetzwidrigkeit der damals geltenden Ortsgebiet-Verordnung ausgegangen sei. Er vertrete die Auffassung, daß die Verwaltungsstrafbehörde auf Grund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu entscheiden und daher die zum Tatzeitpunkt geltende Ortsgebiets-VO nicht mehr anzuwenden habe. Bei einer anderslautenden Berufungsentscheidung werde mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorzugehen sein, verbunden mit dem Antrag auf Feststellung, daß die alte Ortsgebietsverordnung gesetzwidrig gewesen sei. Mangels Ortskundigkeit im Zusammenhalt mit der Tatsache, daß es sich beim Tatort nicht um verbautes Gebiet gehandelt habe, habe er nicht erkennen können und müssen, daß der Tatort im Ortsgebiet gelegen sei; somit sei auch die subjektive Tatseite nicht erfüllt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie in die Verordnungen des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 23. April 1992, VerkR-100301/Sch, und vom 13. Dezember 1996, VerkR10-10-84/96. Außerdem wurden 10 Lichtbilder von der Fahrtstrecke des Rechtsmittelwerbers im Ortsgebiet H und vom Ort der vorgeworfenen Übertretung angefordert.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich: Unbestritten ist, daß der Rechtsmittelwerber am 24. Mai 1996 um 7.20 Uhr den Kombi, Kz. , auf der L im Ortsgebiet H in Richtung A lenkte, wo er bei km 19,200 mit einer Geschwindigkeit von 107 km/h mittels Radargerät Multanova 6F, Nr. 383, vom Meldungsleger RI H gemessen wurde. Nach Abzug der vorgesehenen Toleranzwerte wurde eine Geschwindigkeit von 102 km/h der Anzeige und dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundegelegt. Die Radarfotos sind ebenso wie der Eichschein - das Gerät wurde zuletzt vor dem Vorfall am 11. Mai 1994 geeicht; die Nacheichfrist lief am 31. Dezember 1997 ab - dem Verfahrensakt angeschlossen. Die Geschwindigkeitsüberschreitung ist auf dieser Grundlage auch vom Ausmaß her nicht in Zweifel zu ziehen. Weiters geht hervor, daß am 29. Oktober 1996 von der Sachbearbeiterin der Erstinstanz mit dem technischen Sachverständigen Ing. H ein Ortsaugenschein durchgeführt und festgestellt wurde, daß auf der vom Rechtsmittelwerber befahrenen Strecke tatsächlich kein Hinweiszeichen "Ortstafel" passiert wird. Allerdings stellt sich laut Aktenvermerk vom 31. Oktober 1996 die Umgebung der Einmündung des Ortschaftsweges in die L als Ortsgebiet dar, weil das Gebiet auf beiden Seiten der Fahrbahn verbaut sei, sich schräg gegenüber der Einmündung die Volksschule befinde und die L in Fahrtrichtung A direkt in das Ortszentrum von H mit Kirche, Gemeinde- und Postamt führe, das man, um zu km 19,200 der L zu gelangen, passieren müsse. Diese Feststellungen werden durch die vorgelegten Lichtbilder sowie den Ortsplan von H bestätigt. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.

Gemäß § 2 Abs.1 Z15 StVO 1960 ist unter "Ortsgebiet" das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" (§ 53 Z17a) und "Ortsende" (§ 53 Z17b) zu verstehen. Das Hinweiszeichen "Ortstafel" gemäß § 53 Z17a leg.cit. gibt den Namen des Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist.

Aus der bereits oben erwähnten Verordnung des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 23. April 1992, VerkR-100301/Sch, geht ua hervor, daß infolge einer Neukilometrierung die Ortstafel bzw das Ortsende H bei km 19,081 der L angeordnet wurde. Die Verordnung vom 13. Dezember 1996, VerkR10-10-84/96, sieht gemäß § 43 StVO eine Versetzung der Ortstafel H auf der L aus Richtung A kommend von km 19,081 zu km 19,285 vor. Eine Begründung dafür findet sich in der Verordnung nicht. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, daß km 19,200, bei dem die Geschwindigkeit des Beschuldigten-PKW gemessen wurde, am Vorfallstag innerhalb des Ortsgebietes H lag. Die Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses erfolgte am 11. Februar 1997, also zu einer Zeit, in der bereits die Verordnung vom 13. Dezember 1996, VerkR10-10-84/96, in Geltung stand, dh km 19,200 nicht mehr im Ortsgebiet H lag.

Gemäß § 1 Abs.2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Im gegenständlichen Fall ist von der günstigeren Rechtslage auszugehen, die auch schon zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses bestanden hat, dh der Rechtsmittelwerber wäre zu diesem Zeitpunkt zumindest wegen der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 nicht mehr strafbar gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 27. April 1995, 95/11/0012) wurde der Wegfall der Strafbarkeit in der Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als Anwendungsfall des § 1 Abs.2 VStG gewertet und hat zur Straffreiheit des Beschuldigten zu führen. Es würde auch sachlich nicht vertretbar erscheinen, zwar ein geringeres Unwerturteil des Normgebers, das zur Verhängung einer niedrigeren Strafe zu führen hat, zu berücksichtigen, nicht aber den gänzlichen Wegfall des Unwerturteils, der auf der Meinung des Normgebers beruht, eine strafwürdige Tat liege gar nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof geht durch diesen Größenschluß mit der Konsequenz des gänzlichen Wegfalls der Strafbarkeit über den Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung, der lediglich auf die Strafe, nicht aber konkret auf den Schuldspruch bezug nimmt, hinaus. Auf den gegenständlichen Fall bezogen war daher mit der Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG vorzugehen, wobei naturgemäß auch keine Verfahrenskostenbeiträge anfallen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Übertretung zum Tatzeitpunkt vorgelegen, vor Erlassung des Straferkenntnisses wurde Ortsgebietsverordnung geändert und Ortstafel Richtung Ortszentrum um 200 m verlegt -> Tatort außerhalb des Ortsgebietes -> § 1 Abs.2 VstG iVm VwGH = Straffreiheit = Einstellung nach § 45 Abs.1 Z2 VStG.

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