Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104489/23/WEG/Ri

Linz, 05.02.1998

VwSen-104489/23/WEG/Ri Linz, am 5. Februar 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des J K vom 3. März 1997 gegen die Punkte 1-4 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft L vom 15. Jänner 1997, VerkR96-22631-1995/Rö, nach der am 27. Jänner 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung hinsichtlich der Fakten 1 und 3 wird Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Betreffend die Fakten 2 und 4 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe bestätigt.

III. Kosten: Betreffend die Fakten 1 und 3 entfällt der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der ersten Instanz und war diesbezüglich auch kein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren vorzuschreiben. Betreffend die Fakten 2 und 4 hingegen ist der Berufungswerber verpflichtet, als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 220 S (20% der verhängten Geldstrafe) zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm. § 24, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 sowie hinsichtlich der Fakten 1 und 3: § 45 Abs.1 Z1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft L hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis unter den Punkten 1-4 über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 20 Abs.2, 2.) § 26 Abs.5, 3.) § 23 Abs.2, jeweils StVO 1960, und 4.) § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) von 1.) 800 S (1 Tag), 2.) 800 S (1 Tag), 3.) 2.000 S (3 Tage) und 4.) 300 S (1 Tag) verhängt, weil dieser am 19. November 1995 um 23.15 Uhr in L, auf der Estraße zwischen der Kreuzung mit der Lstraße und der Sstraße den PKW mit dem Kennzeichen L 1.) mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h stadtauswärts gelenkt und dadurch die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca. 20 km/h überschritten habe, wie durch Nachfahrt mit einem Einsatzfahrzeug in gleichbleibendem Abstand festgestellt worden sei, 2.) auf der Sstraße zwischen der Kreuzung mit der Estraße und dem Hause Nr. ein nachfahrendes Einsatzfahrzeug behindert bzw diesem nicht Platz gemacht habe, 3.) auf der Sstraße nächst dem Hause Nr. das Fahrzeug nicht am Fahrbahnrand sondern etwa 2 m von diesem entfernt so aufgestellt habe, daß andere Straßenbenützer am Vorbeifahren gehindert gewesen seien und 4.) als Lenker eines Kraftfahrzeuges über Verlangen eines Organes der öffentlichen Sicherheit den Führerschein zur Überprüfung nicht ausgehändigt habe.

Außerdem wurde hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretungen ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 390 S in Vorschreibung gebracht.

Angemerkt wird noch, daß im zitierten Straferkenntnis der Beschuldigte noch wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 schuldig erkannt und bestraft wurde. Über die auch dagegen eingebrachte Berufung entscheidet die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer des O.ö. Verwaltungssenates.

2. Der Berufungswerber bringt in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß vor, es liege Verfolgungsverjährung vor, weil keine rechtzeitige Verfolgungshandlung einer zuständigen Behörde erfolgt sei und der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses vom Inhalt der Anzeige erheblich abweiche. Er halte seine bisherige Verantwortung aufrecht und beantrage die neuerliche Einvernahme der Beifahrerin G G. Das Straferkenntnis stütze sich auf die Aussagen der Polizeibeamten. Diese seien aber bekanntlich nicht unfehlbar und irrtumsfrei, wozu die amtsbekannte Tatsache komme, daß Polizeibeamte grundsätzlich am Inhalt ihrer Aussage beharren, selbst wenn diese durch Fakten widerlegt erscheint. Die Ursache hiefür sei ein unangebrachter Korpsgeist. Die Aussagen der Polizeibeamten seien unglaubwürdig, was sich schon daraus ableiten ließe, daß - falls er tatsächlich dem Exekutivbeamten den Führerschein entrissen hätte - dies wohl Widerstand gegen die Staatsgewalt (verbunden mit einer Festnahme) gewesen sei. Er verweist in der Folge auf die Berufungsausführungen gegen das wegen örtlicher Unzuständigkeit vom UVS behobene Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion L. In dieser Berufung vom 4. November 1996 wird vorgebracht, daß die im Straferkenntnis enthaltenen Zeitangaben nicht der Richtigkeit entsprächen, daß kein verbotenes Halten sondern ein erzwungenes Anhalten vorläge und daß der Führerschein ohnehin ausgefolgt worden, jedoch nach Einsichtnahme wieder zurückgegeben worden sei. Es hätten sich bei einem Nachfahrabstand von nur 30 m unzählige Möglichkeiten ergeben, eine Anhaltung vorzunehmen. In dieser Berufung vom 4. November 1996 wird die Behebung des von der Bundespolizeidirektion L erlassenen Straferkenntnisses wegen örtlicher Unzuständigkeit beantragt. Dieser Beschwerdpunkt erwies sich als zutreffend, weshalb das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion L mit Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates vom 18. November 1996 behoben wurde, ohne daß jedoch die Einstellung des Verfahrens verfügt wurde.

In der nunmehr zu behandelnden Berufung vom 3. März 1997 beantragt der Beschuldigte Verfahrenshilfe, welche ihm mit Beschluß des O.ö. Verwaltungssenates vom 16. Juni 1997 gewährt wurde. In der Folge wurde Rechtsanwalt Dr. J K, T, vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für O.ö. zum Verfahrenshelfer bestellt. Ein neues Vorbringen erstattete der Rechtsfreund des Berufungswerbers für den Beschuldigten nicht. Er nahm allerdings Akteneinsicht beim unabhängigen Verwaltungssenat und erklärte dabei, anläßlich der mündlichen Verhandlung, die im übrigen ausdrücklich beantragt wurde, allfällige Argumente für den Berufungswerber vorzubringen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch zeugenschaftliche Vernehmung der Polizeibediensteten Insp. R und Bez. Insp. W, durch Befragung des Beschuldigten und durch Verlesung der Zeugenaussage der G G (Beifahrerin) vom 3. Mai 1996 vor der Bundespolizeidirektion L anläßlich der am 27. Jänner 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der auch der bestellte Verfahrenshelfer anwesend war und in deren Anschluß ein Ortsaugenschein durchgeführt wurde. Der Verlesung der Zeugenaussage wurde im übrigen zugestimmt.

Demnach steht fest:

Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde durch Nachfahren im annähernd gleichbleibendem Abstand auf der Estraße ab der Kreuzung mit der Lstraße bis zur Kreuzung mit der Sstraße festgestellt, wobei vom nicht geeichten, jedoch angeblich radarüberprüften Tachometer eine Geschwindigkeit von 70 km/h abgelesen, jedoch keine Abweichung berücksichtigt wurde. Ob bei der Radarüberprüfung des Tachometers die selben Reifen am Patrouíllenfahrzeug montiert waren, wie bei der gegenständlichen Nachfahrt, konnte nicht mehr eruiert werden. Es ist nach Aussage der Polizeibeamten durchaus möglich, daß ein Reifenwechsel stattgefunden hat. Das bedeutet aber, daß die Art der Geschwindigkeitsfeststellung mit dem nicht geeichten Tacho nicht ausreichend präzise ist, wenn man die Nachfahrstrecke mitberücksichtigt. Es mußte nämlich auf diesem ca. 350 m langen Straßenstück ab der Kreuzung zuerst der gleichbleibende Abstand durch eine Aufholfahrt hergestellt werden und andererseits am Ende dieses Straßenstückes die Geschwindigkeit auch des Beschuldigtenfahrzeuges wieder entsprechend gedrosselt werden, weil es sich bei der Einfahrt in die Sstraße um eine solche im rechten Winkel handelt. Es verbliebe sohin lediglich eine Nachfahrstrecke von ca. 200 m, was im Zusammenhalt mit der möglichen Tachometerungenauigkeit für die Erweisbarkeit dieser Verwaltungsübertretung nicht ausreicht.

Was die unter Punkt 2 angelastete Verwaltungsübertretung (§ 26 Abs.5 StVO 1960) anlangt, so zeigte sich vor allem anläßlich des Ortsaugenscheines, daß auf diesem ca. 250 m langen Straßenstück tatsächlich mehrere Möglichkeiten bestanden hätten, dem nachfahrenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Es bestehen nämlich auf diesem Straßenstück mehrere Einfahrten in Parkplätze und dgl., sodaß - selbst wenn dieses Straßenstück ansonsten verparkt gewesen wäre - der Beschuldigte verpflichtet gewesen wäre, in eine dieser Einfahrten auszuweichen, um dem Einsatzfahrzeug ein Vorbeibewegen zu ermöglichen. Wenn der Berufungswerber - so die Aussage in der mündlichen Verhandlung - vermeint, daß dieses Straßenstück nur ca. 70 m lang sei, so wurde dies beim Ortsaugenschein, bei welchem der Beschuldigte ebenfalls anwesend war, eindeutig widerlegt.

Zur Verwaltungsübertretung nach Punkt 3 des Straferkenntnisses wird der Argumentation des Berufungswerbers, daß es sich nämlich um kein Halten sondern um ein Anhalten handelt, gefolgt. Das Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht wird als ein wichtiger Grund anzuerkennen sein, welcher das Zumstillstandbringen des Fahrzeuges letztlich zum Anhalten macht. Im übrigen wäre im Bereich des Anhalteortes kein Platz vorhanden gewesen, an welchem - ohne gegen ein Verkehrsverbot zu verstoßen - gehalten hätte werden können. Es kann also dem Berufungswerber keine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs.2 StVO 1960 zur Last gelegt werden.

Das Faktum 4 des Straferkenntnisses stellt sich als reines Rechtsproblem dergestalt dar, ob die Exekutivbeamten berechtigt waren, vom Berufungswerber ein zweites Mal den Führerschein zu verlangen. Ob der den Polizeibeamten übergebene Führerschein dem Beschuldigten wieder zurückgegeben wurde oder ob der Beschuldigte den Polizeibeamten den Führerschein entrissen hat, ist nicht entscheidungswesentlich, sondern eben nur der Umstand, ob der Berufungswerber verpflichtet war, den Führerschein ein zweites Mal auszuhändigen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum Faktum 1: Wie oben ausgeführt, kann mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit nicht als erwiesen angenommen werden, daß der Berufungswerber auf der Estraße mit 70 km/h anstatt mit 50 km/h fuhr, weshalb - ohne auf die Verfolgungsverjährungsproblematik eingehen zu müssen - iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden war. Zum Faktum 2: Gemäß § 26 Abs.5 im Zusammenhalt mit § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung, wenn ein Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug nicht Platz macht. Das Verhalten des Berufungswerbers, nämlich dem nachfolgenden Einsatzfahrzeug das Vorbeibewegen nicht zu ermöglichen, wird als ein tatbildmäßiges Verhalten gewertet. Zur subjektiven Komponente ist diesbezüglich anzumerken, daß es ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen wäre, auf eine der in der Schiffmannstraße befindlichen Einfahrten auszuweichen.

Zum Faktum 3:

Gemäß § 2 Abs.1 Z26 StVO 1960 ist das Anhalten ein durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungenes Zumstillstandbringen eines Fahrzeuges. Halten dagegen ist nach der Begriffsbestimmung der StVO 1960 eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu 10 Minuten. Der Berufungswerber brachte in Anbetracht des mit Blaulicht nachfolgenden Einsatzfahrzeuges seinen PKW an einer Stelle zum Stillstand, wo das Halten verboten wäre. Es befand sich im gesamten Bereich dieser, hier verbreiterten Sstraße keine Stelle, wo der Berufungswerber, ohne gegen ein Halteverbot zu verstoßen, das Fahrzeug zum Stillstand hätte bringen können. Es kann also schon aus diesem Grund, aber auch weil es sich um kein Halten sondern um ein Anhalten gehandelt hat, der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht aufrecht erhalten werden, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

Zum Faktum 4: Gemäß § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 hat der Lenker auf Fahrten den Führerschein mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen. Diese Aushändigungspflicht impliziert die Überprüfungsmöglichkeit auch in der Form, die Daten aus diesem Führerschein etwa für eine Anzeige abzuschreiben. Selbst wenn dem Berufungswerber der ausgehändigte Führerschein wieder zurückgegeben worden sein sollte - so die Verantwortung des Berufungswerbers - wäre er, weil die gesamte Amtshandlung, insbesondere die Alkotestung noch nicht abgeschlossen war, verpflichtet gewesen, den Führerschein noch einmal zur Überprüfung auszuhändigen. Dem Rechtsstandpunkt des Berufungswerbers, daß er mit der einmaligen Aushändigung des Führerscheines seiner Verpflichtung iSd § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 nachgekommen wäre, kann bei dieser Sachlage nicht beigetreten werden.

Zur Strafhöhe: Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Der Strafrahmen beträgt für das Faktum 2 bis zu 10.000 S, für das Faktum 4 bis zu 30.000 S. Die Behörde hat in Anbetracht der nicht ungewichtigen Verwaltungsübertretungen, die beide vorsätzlich gesetzt wurden, die Strafhöhe in einem von der Berufungsbehörde nicht zu korrigierenden Bereich angesetzt. Dies selbst unter Berücksichtigung der bekannten schlechten finanziellen Verhältnisse des Berufungswerbers, welche letztlich auch zur Bestellung eines Verfahrenshelfers ausreichend waren. Milderungsgründe lagen im übrigen auch nicht vor, sodaß die Strafhöhe zu bestätigen war.

5. Die Kostenentscheidung ist eine gesetzliche Folge der §§ 64 und 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Wegschaider

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