Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104535/2/Ki/Shn

Linz, 13.05.1997

VwSen-104535/2/Ki/Shn Linz, am 13. Mai 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des H, vom 11. Februar 1996, gegen das Straferkenntnis der BH Schärding vom 20. Jänner 1997, VerkR96-1545-1996-Ah, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, daß die verhängte Geldstrafe auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 1 Tag herabgesetzt wird. Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Erstbehörde wird auf 100 S herabgesetzt; der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Schärding hat mit Straferkenntnis vom 20. Jänner 1997, VerkR96-545-1996/Ah, über den Berufungswerber (Bw) gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt, weil er am 28.2.1996 gegen 12.40 Uhr das Sattelkraftfahrzeug mit dem Zugfahrzeug und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen auf der A8 Innkreis Autobahn aus der Bundesrepublik Deutschland kommend bis zum Autobahngrenzübergang Suben/Inn lenkte, wobei das in § 4 Abs.(7a) festgesetzte höchstzulässige Gesamtgewicht von 38 t durch die Beladung um 9.200 kg überschritten wurde (eine behördliche Bewilligung für das Verwenden dieses Sattelkraftfahrzeuges lag nicht vor; er habe sich daher vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, nicht davon überzeugt, ob das Sattelkraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht). Er habe dadurch § 82 Abs.5 iVm § 102 Abs.1 KFG 1967 verletzt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 400 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Mit Schreiben vom 11. Februar 1996 (richtig wohl 1997) hat der Rechtsmittelwerber gegen dieses Straferkenntnis Berufung erhoben und er macht im wesentlichen geltend, daß er bereits vom Amtsgericht Passau zum gleichen Sachverhalt ein Schreiben zugestellt erhalten habe. Er habe die Strafe bereits bezahlt. Beigelegt wurde der Berufung die Kopie eines Beschlusses des Amtsgerichtes Passau vom 12. September 1996. Mit diesem Beschluß wurde gegen den Bw ua wegen des Führens einer Fahrzeugkombination trotz Überschreitens des zulässigen Gesamtgewichtes eine Geldbuße festgelegt. In den Gründen wurden ua ausgeführt, daß der Betroffene am 27.2.1996 mit dem Sattelzug mit dem amtlichen Kennzeichen und von Bielefeld kommend auf Bundesautobahnen zum Grenzübergang Neuhaus/Inn-Autobahn fuhr, wo er am 28.2.1996 gegen 13.10 Uhr eintraf. I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil die Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung bemängelt und Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wie folgt erwogen:

Der der Bestrafung zugrundeliegende Sachverhalt wurde vom Bw nicht bestritten, sondern es zielt die Berufung darauf hin, daß er wegen desselben Vorfalles bereits von einer Behörde der BRD bestraft worden ist und somit eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege.

Gemäß Art.4 Abs.1 des 7. ZPMRK (Protokoll Nr.7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Diese im Verfassungsrang stehende Bestimmung zieht eine Grenze hinsichtlich einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung dahingehend, daß eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn diese bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war. Allerdings bezieht sich Art.4 Abs.1 des 7. ZPMRK ausschließlich auf die Gesetze bzw das Strafverfahrensrecht des jeweiligen Einzelstaates. Nur dann, wenn eine Verurteilung bzw ein Freispruch nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Einzelstaates erfolgte, ist ein Strafverfahren in diesem Staate unzulässig. Dies bedeutet, daß jeder einzelne Staat berechtigt ist, Übertretungen, welche in dessen Territorium begangen werden, zu verfolgen bzw zu sanktionieren.

Im vorliegenden Fall hat der Bw sowohl im Bereich der BRD als auch im Bereich der Republik Österreich einen verwaltungsstrafrechtlich relevanten Tatbestand verwirklicht, weshalb jeder dieser Staaten berechtigt bzw verpflichtet ist, die Verwaltungsübertretung bezogen auf das jeweilige Territorium zu ahnden. Eine Doppelbestrafung iSd 7. Zusatzprotokolles zur europäischen Menschrechts-konvention liegt demnach nicht vor.

Weiters ist zu prüfen, ob allenfalls EU-Recht der gegenständlichen Doppelbestrafung entgegenstehen könnte. Dazu wird vorerst festgestellt, daß Strafrecht und Sanktionsregeln generell in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fällt. Demnach wurde die Strafrechtssouveränität Österreichs durch den Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften grundsätzlich nicht tangiert. Allerdings darf ein einzelstaatliches Sanktionssystem nicht die Wirkung haben, daß die vom EWG-Vertrag gewährten Freiheiten beeinträchtigt werden (vgl etwa EuGH vom 25.2.1988, Rechtssache 299/86).

Zusammenfassend ist daher in diesem Punkt festzustellen, daß im Bereich des Strafrechts bzw der Sanktionsregeln die Zuständigkeit im Bereich der jeweiligen Mitgliedsstaaten liegt, durch die nationalen Sanktionsvorschriften jedoch ein durch EU-Normen erlaubtes Verhalten nicht diskriminiert werden darf.

Gemäß § 4 Abs.7a KFG 1967 beträgt für das vom Bw gelenkte Sattelkraftfahrzeug das höchstzulässige Gesamtgewicht 38 t. Dagegen sieht die Richtlinie des (europäischen) Rates vom 19. Dezember 1984 über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte andere technische Merkmale bestimmter Fahrzeug des Güterfrachtverkehrs (385 L 0003 i.d.g.F.) für Sattelkraftfahrzeuge maximal ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von 40 t vor. In Entsprechung einer gemeinsamen Erklärung im EU-Beitrittsvertrag (BGBl.Nr.45/1995) zu den Gewichten und Abmessungen des Güterkraftverkehrs (Zi.19) hat Österreich zusätzlich zu dem gesetzlich vorgesehenen höchstzulässigen Gesamtgewicht eine Überschreitung von 5 v.H. akzeptiert und diese Erklärung auch entsprechend umgesetzt (§ 134 Abs.2a KFG).

Unabhängig davon, daß der Bw im gegenständlichen Fall auch das durch die zitierte Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1984 höchstzulässige Gesamtgewicht wesentlich überschritten hat, ist demnach im vorliegenden Fall eine Strafsanktion durch die Republik Österreich zulässig, zumal im Hinblick auf die gemeinsame Erklärung bzw deren Umsetzung durch die verfahrensrelevanten Bestimmungen des KFG 1967 eine Beeinträchtigung der vom EWG-Vertrag gewährten Freiheiten nicht vorliegt.

Die Erstbehörde war daher im Recht, daß sie gegen den Bw wegen des von ihm verwirklichten Sachverhaltes, bezogen auf das Territorium der Republik Österreich, ein Strafverfahren durchgeführt bzw eine Bestrafung ausgesprochen hat. Was die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Dazu wird zunächst darauf hingewiesen, daß mit der Überladung von Kraftfahrzeugen neben einer Gefahrenerhöhung im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auch eine überproportionale Abnützung der Straßen verbunden ist. Die Lebensdauer einer Straße reduziert sich bei eklatanten Überladungen infolge Spurrinnenbildung um ein Mehrfaches und es hat dies letztlich unmittelbare Auswirkungen auf die Allgemeinheit im Hinblick auf die von der öffentlichen Hand zu tragenden gravierend höheren Sanierungskosten. Der objektive Unwertgehalt derartiger Verstöße ist somit als beträchtlich einzustufen und es bedarf daher sowohl aus Gründen der Spezial- wie auch aus der Generalprävention empfindlicher Strafen, um einerseits der betroffenen Person eine größere Sensibilität gegenüber diesem Rechtsgut angedeihen zu lassen und andererseits den Schutzwert dieses Rechtsgutes generell zu dokumentieren.

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß, wie bereits oben dargelegt wurde, jeder einzelne Staat nur für sein Territorium (Verwaltungs-)strafrechtlich agieren darf. Der Bw wollte mit seinem überladenen Sattelkraftfahrzeug offensichtlich nach Österreich einreisen und er hat sich auch bereits auf österreichisches Territorium begeben. Allerdings wurde er bereits am Autobahngrenzübergang Suben/Inn an der weiteren Einreise gehindert und in die BRD zurückgeschickt. Demnach hat der Bw nur einen verhältnismäßig kurzen Weg im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegt, sodaß dieser Umstand nahezu einer bloß versuchten Einreise gleichkommt. Wenn auch der Strafrahmen für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen bis zu 30.000 S beträgt, erscheint es gerechtfertigt, diesen Umstand zu berücksichtigen und die von der Erstbehörde ausgesprochene Strafe entsprechend zu reduzieren. Zu berücksichtigen ist auch, daß letztlich im Hinblick auf die oben erwähnte gemeinsame Erklärung im EU-Beitrittsvertrag eine verwaltungsstrafrechtlich relevante Überschreitung der Beladung um lediglich 7.200 kg zu berücksichtigen ist. Die nunmehr festgelegte Strafe erscheint bezogen auf den konkreten Fall tat- und schuldangemessen und auch im Hinblick auf die - unbestrittenen - Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw zumutbar. Strafmildernd wird die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit in Österreich gewertet, Erschwerungsgründe konnten auch seitens der erkennenden Berufungsbehörde keine festgestellt werden. Eine weitere Herabsetzung war jedoch aus general- bzw spezialpräventiven Gründen nicht vertretbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: Überladung; ne bis in idem

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