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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104600/7/BI/FB

Linz, 18.06.1997

VwSen-104600/7/BI/FB Linz, am 18. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn E S, K, R, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E & Partner, S, M, vom 25. April 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 9. April 1997, VerkR96-7627-1994, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 12. Juni 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruch die Wortfolge "obwohl der begründete Verdacht bestand" geändert wird auf "obwohl die Vermutung bestand" und eine Verwaltungsübertretung nach §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 Straßenverkehrsordnung 1960 idF BGBl.Nr. 522/1993 vorliegt.

Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 2.400 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a und 19 VStG, §§ 99 Abs.1b iVm 5 Abs.2 StVO 1960 idF BGBl.Nr. 522/93. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.2 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 idgF eine Geldstrafe von 12.000 S (10 Tage EFS) verhängt, weil er sich am 14. September 1994 um 23.15 Uhr in R auf der K vor dem Haus Nr. 1B nach vorschriftsmäßiger Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl der begründete Verdacht bestanden habe, daß er sich beim vorherigen Lenken des PKW in R auf der K vor dem Haus Nr. 1 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 12. Juni 1997 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Behördenvertreters Mag. Z durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde im Anschluß daran mündlich verkündet.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe bereits in der Berufung vom 4. Dezember 1996 die Rechtsansicht vertreten, daß mit der Entgegennahme des Straferkenntnisses am 13. Juni 1995 durch seinen Rechtsvertreter bei der Verwaltungsstrafbehörde am 3. Dezember 1996 der bis dahin bestandene Zustellmangel geheilt worden sei. Allein aus diesem Grund sei die Berufungsfrist als nicht abgelaufen angesehen worden. Der UVS habe dieses Rechtsmittel auch nicht als verspätet sondern als unzulässig zurückgewiesen, mit der Begründung, die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses sei unwirksam gewesen. Auf seine Rechtsansicht, der Zustellmangel sei mit der Akteneinsichtnahme und Entgegennahme der Niederschrift über die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses geheilt, sei der UVS nicht eingegangen und die Erstinstanz habe in der Begründung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses nur ausgeführt, daß das Kopieren der Niederschrift durch den Anwalt den Zustellmangel nicht heilen könne, weswegen davon auszugehen sei, daß wegen des gegenständlichen Vorfalls noch kein Straferkenntnis erlassen worden sei. Begründet wurde diese Ansicht nicht. Der Rechtsmittelwerber macht nun geltend, er habe durch seine Unterschrift bei der Amtshandlung vor der Erstinstanz dokumentiert, daß er auf eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides verzichtet habe, wobei unbestritten sei, daß jede Verfahrenspartei trotz eines bestehenden Bevollmächtigungsverhältnisses berechtigt sei, Prozeßhandlungen im eigenen Namen zu setzen und Erklärungen abzugeben. Schon deswegen sei eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses in Form des nun vorliegenden Straferkenntnisses nicht notwendig gewesen. Lediglich sein am 13. Juni 1995 abgegebener Rechtsmittelverzicht sei unwirksam gewesen, weil dieser einen rechtmäßigen Zustellvorgang voraussetze. Dieser Zustellmangel sei am 3. Dezember 1996 geheilt worden, weshalb eine rechtzeitige Berufung vorliege, die aufgrund des geheilten Zustellmangels auch zulässig gewesen wäre, weswegen der UVS die Berufung vom 4. Dezember 1996 in der Sache selbst behandeln hätte und nicht als unzulässig zurückweisen hätte dürfen. Aus diesem Grund werde er Bescheidbeschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erheben und rege an, das Berufungsverfahren bis zum Vorliegen der höchstgerichtlichen Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis habe die Erstinstanz in derselben Angelegenheit ein zweites Mal entschieden, weshalb dieses aufgrund der am 3. Dezember 1996 eingetretenen Heilung des Zustellmangels betreffend das Erkenntnis vom 13. Juni 1995 inhaltlich rechtswidrig sei. Er halte seine Ausführungen in der Berufung vom 4. Dezember 1996 betreffend das Vorliegen einer unzulässigen Doppelbestrafung (§ 100 Abs.2 StVO iVm Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK) aufrecht. Trotz seiner völligen Unbescholtenheit habe die Erstinstanz die Geldstrafe von 15.000 S lediglich auf 12.000 S reduziert, wobei auch sein Geständnis als strafmildernd angeführt wurde. Es gebe jedoch weitere, teils gewichtige Milderungsgründe außer denen des § 34 Z2 und 17 StGB: Zum Verkehrsunfall sei es nicht infolge einer Übertretung des § 99 Abs.1b StVO gekommen, sondern wegen Unachtsamkeit und somit einer Übertretung des § 88 Abs.1 und 4 1. Fall StGB. Außerdem dürfe die von ihm geleistete gänzliche Schadenswiedergutmachung aus dem gegenständlichen Vorfall nicht unberücksichtigt bleiben. Diese sei zwar vorerst durch die PKW-Haftpflichtversicherung erfolgt, die sich aber im Regreßweg die Leistungen von ihm zurückgeholt habe. Die in Rede stehende Tat sei außerdem vor längerer Zeit begangen worden und er habe sich seither völlig wohl verhalten, weshalb auch der gewichtige Strafmilderungsgrund des § 34 Z18 StGB vorliege. Dazu komme, daß sich im strafgerichtlichen Verfahren herausgestellt habe, daß er nicht in einem rechtlich relevanten Ausmaß alkoholbeeinträchtigt gewesen sei, weshalb er nicht wegen der Qualifikation nach § 88 Abs.3 StGB, sondern wegen des Grunddelikts verurteilt worden sei. Überdies liege der Milderungsgrund des § 34 Abs.2 StGB vor, wonach es einen Milderungsgrund darstelle, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert habe. Unter Berücksichtigung all dieser Strafzumessungsgründe hätte mit einer Geldstrafe von 9.000 S das Auslangen gefunden werden können. Er weist außerdem auf die seiner Ansicht nach bestehende Verfassungswidrigkeit des § 100 Abs.5 StVO idFd 19. StVO-Novelle hin und beantragt, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung das Straferkenntnis vom 9. April 1997 aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu in Anwendung des außerordentlichen Strafmilderungsrechtes nach § 20 VStG die verhängte Geldstrafe auf 6.000 S zu reduzieren. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 1997 hat der Rechtsmittelwerber auf die Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Behördenvertreter gehört wurde.

Folgender Sachverhalt steht unbestritten fest: Der Rechtsmittelwerber lenkte am 14. September 1994 gegen 22.45 Uhr den PKW in R auf der K in Richtung L, wo er auf Höhe des Gastlokales "G" den auf der rechten Fahrbahnseite stehenden Dr. H L niederstieß. Dieser erlitt eine Rißquetschwunde oberhalb des rechten Auges, eine Schädelprellung und Hautabschürfungen und Prellungen beider Beine. Der Rechtsmittelwerber erklärte das Zustandekommen des Unfalls damit, daß er sich auf die links stehenden PKW konzentriert und dabei den rechts auf der Fahrbahn stehenden Mann übersehen habe. Er gab außerdem an, zwischen 14.00 Uhr und 22.30 Uhr des 14. September 1994 drei Flaschen Bier, davon eine halbe Stunde vor der Heimfahrt die letzte, getrunken zu haben.

Der Rechtsmittelwerber wurde vom Meldungsleger RI R aufgrund des von diesem festgestellten Alkoholgeruchs der Atemluft um 23.15 Uhr des 14. September 1994 vor dem Haus K 1B zur Durchführung eines Alkotests aufgefordert, den er verweigerte. Der Rechtsmittelwerber wurde mit Urteil des Landesgerichtes Ried vom 3. Februar 1995, 8 EVr 56/95, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 4 1. Fall StGB und § 94 Abs.1 unter Anwendung des § 28 Abs.1 StGB schuldig erkannt und bestraft, wobei aus der Begründung des Urteils hervorgeht, daß ihm eine 0,8 %o überschreitende Alkoholisierung nicht nachzuweisen gewesen sei. Das Oberlandesgericht Linz hat mit Urteil vom 29. Mai 1995, 10 Bs 90/95, der Berufung keine Folge gegeben. Hier wurde als weiterer bei der Strafbemessung zu berücksichtigender Milderungsgrund "eine teilweise objektive Schadensgutmachung durch Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages von 30.000 S durch die Haftpflichtversicherung" gewertet. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 idF BGBl.Nr. 522/1993 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, ua wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Gemäß § 5 Abs.2 leg.cit. sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden. Auf der Grundlage des Beweisverfahrens war davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber ein Fahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt und zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest eine halbe Stunde später Alkoholisierungssymptome (Alkoholgeruch der Atemluft) aufgewiesen und auch Alkoholkonsum eine halbe Stunde vor dem Lenken des Fahrzeuges zugegeben hat. Die Aufforderung zur Atemluftalkoholuntersuchung durch den Meldungsleger, ein speziell geschultes und behördlich ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan, war daher zweifellos gerechtfertigt. Die ausdrückliche Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung wurde vom Rechtsmittelwerber nie bestritten.

Auf dieser Grundlage gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß er den ihm zur Last gelegten Tatbestand zweifelsfrei erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Die Spruchanpassung war in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut erforderlich, weil das Verhalten des Rechtsmittelwerbers - der Vorfall ereignete sich am 14. September 1994 - nach den Bestimmungen vor Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle (1. Oktober 1994) zu beurteilen war, wonach als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufforderung zur Atemalkoholuntersuchung die Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung beim Lenken eines Fahrzeuges genügt. Von einer unzulässigen Doppelbestrafung kann im gegenständlichen Fall schon deshalb keine Rede sein, weil die Verwaltungsstrafbehörde den Tatbestand der Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung geprüft hat, während vom Gericht das Vorliegen einer Alkoholisierung im Sinne des § 81 Z2 StGB geprüft (und verneint) wurde. Das Argument des Rechtsmittelwerbers für das Vorliegen einer unzulässigen Doppelbestrafung, § 100 Abs.2 StVO sehe vor, daß die im § 99 Abs.1 lit.a bis c enthaltenen Strafdrohungen einander ausschließen, ist im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht relevant, weil zum einen § 100 Abs.2 der Straßenverkehrsordnung nur auf diese selbst - und nicht etwa entgegen dem Analogieverbot auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuches - anzuwenden ist, und zum anderen im Verwaltungsstrafverfahren ein Tatvorwurf nach § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 und im gerichtlichen Strafverfahren ein - dem StGB im übrigen unbekannter - Vorwurf der Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung nie erhoben wurde. Daß keine gerichtliche Verurteilung gemäß dem Strafantrag nach § 88 Abs.1 und 4 in der Qualifikation des § 81 Z2 StGB, sondern "nur" eine solche nach § 88 Abs.1 und 4 1. Fall StGB erfolgte, vermag daran nichts zu ändern, daß der verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf der Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung, dessen Unrechtsgehalt nicht darin liegt, daß der Lenker eines Fahrzeuges möglicherweise alkoholbeeinträchtigt ist - hier läge eine unzulässige Doppelbestrafung jedenfalls vor - sondern darin, daß sich der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Zustand die Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung aufkommen läßt, sich weigert, seine Atemluft auf einen eventuellen Alkoholgehalt überprüfen zu lassen, einen eigenen Tatbestand bildet. Hier ist eine unzulässige Doppelbestrafung auszuschließen, weshalb der Beschuldigtenverantwortung diesbezüglich der Erfolg versagt bleiben mußte. Die "Anregung" der Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur höchstgerichtlichen Entscheidung über die Beschwerde gegen das h. Erkenntnis vom 21. März 1997, VwSen-104251/9/Bi/Fb, wird nicht aufgenommen. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß der Strafrahmen des § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 8.000 S bis 50.000 S bzw Ersatzfreiheitsstrafen von einer bis sechs Wochen vorsieht.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Strafbemessung stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonstige nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß Abs.2 sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Erstinstanz hat als strafmildernd zum einen das Geständnis und zum anderen die Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers berücksichtigt, unabhängig von jeder Wertung jedoch auch vermerkt, daß er bei der der Verweigerung vorangegangenen Fahrt einen Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem ein Fußgänger erheblich verletzt worden sei, und damit die Überlegung angestellt, ob die Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung nicht im Hinblick auf die strafgerichtlichen Konsequenzen dem Zweck dienen sollte, die Position des Rechtsmittelwerbers zu verbessern. Weiters wurden seine aus dem Gerichtakt ersichtlichen und unwidersprochen gebliebenen finanziellen Verhältnisse (14.000 S netto monatlich, Sorgepflicht für die berufstätige Gattin und zwei Kinder, kein Vermögen, Schuldenrückzahlung 3.000 S monatlich) herangezogen.

Aus der Sicht des UVS handelt es sich bei den "Alkoholübertretungen" um die schwersten der Straßenverkehrsordnung überhaupt und ist bei diesen von einem erheblichen Unrechtsgehalt auszugehen, der auch im gesetzlichen Strafrahmen Niederschlag gefunden hat. Weiters ist nach Auffassung des UVS im gegenständlichen Fall von vorsätzlicher Begehung auszugehen, weil die Aufforderung zur Atemluftalkoholuntersuchung mehr als eine halbe Stunde nach dem zugrundeliegenden Vorfall stattgefunden hat, sich der Rechtsmittelwerber schon zuhause befand und daher genügend Zeit hatte, über sein Verhalten bei der vorauszusehenden Amtshandlung nachzudenken. Offensichtlich aufgrund seiner einschlägigen Erfahrung - 4 Jahre zuvor war er wegen Alkoholisierung im Straßenverkehr belangt worden - beschloß er, die Feststellung eines genauen Alkoholwertes zu verhindern, wobei nachvollziehbar ist, daß der Grund dafür darin gelegen sein könnte, seine Position bei einem ebenfalls vorauszusehenden Gerichtsverfahren zu verbessern. Ein solches Verhalten ist jedenfalls als vorsätzlich anzusehen, wobei die vorsätzliche Begehung als straferschwerender Umstand zu werten war. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 3. Dezember 1992, 91/19/0169) stellt, wenn für die Begehung der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung Fahrlässigkeit ausreicht, der Umstand der vorsätzlichen Begehung einen Erschwerungsgrund dar. Die von der Erstinstanz herangezogenen finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers sind im Urteil des Landesgerichtes Ried/I. vom 3. Februar 1995, 8 EVr 56/95, ersichtlich und wurden mangels anderer Angaben auch im Rechtsmittelverfahren herangezogen.

Zum angeführten Milderungsgrund des Geständnisses ist auszuführen, daß der Umstand, daß der Rechtsmittelwerber die Atemalkoholuntersuchung verweigert hat, objektiv festgestellt wurde. Ein "Geständnis" im Sinne des Zugebens des Tatsächlichen kann daher nicht als strafmildernd gewertet werden (vgl VwGH ua v 20. Mai 1994, 94/02/0044). Ein "reumütiges Geständnis" iSd § 34 Abs.1 Z17 StGB vermag der UVS ebensowenig zu erkennen wie, daß die Beschuldigtenverantwortung wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hätte.

Zum behaupteten Milderungsgrund der Unbescholtenheit ist zu bemerken, daß Unbescholtenheit allein einen Milderungsgrund nicht herstellt (vgl VwGH v 16. März 1995,49/16/0300), sondern nur absolute Unbescholtenheit einen solchen darstellt (vgl ua VwGH v 21.September 1995, 94/09/0395). Sinngemäß kommen dabei auch die im gerichtlichen Strafrecht maßgebenden Umstände in Betracht (vgl VwGH v 31. Jänner 1979 Slg 9755 A). § 34 Z2 StGB betrachtet als mildernd nur, wenn der Beschuldigte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht. Asoziales Verhalten, das zwar noch nicht zum Zeitpunkt der zu bestrafenden Tat, wohl aber zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung zu einer rechtskräftigen Vorstrafe geführt hat, schließt einen ordentlichen Lebenswandel aus (vgl VwGH v 25. November 1988, 85/18/0091). Der Rechtsmittelwerber ist mittlerweile rechtskräftig wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten iSd § 94 Abs.1 StGB verurteilt worden, wobei laut Urteilsbegründung als straferschwerender Umstand gewertet wurde, daß er durch sein Verhalten zum Ausdruck brachte, daß ihm beim Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften das bei einem Kraftfahrer zu erwartende Verantwortungsbewußtsein fehlt - er hat nach dem Verkehrsunfall mit Personenschaden den Beifahrer aussteigen lassen, dann in einiger Entfernung einen Parkplatz gesucht und ist dann zu Fuß an die Unfallstelle zurückgekehrt, wo er aber in keiner Weise mit dem Verletzten Kontakt aufnahm, sondern diesen vielmehr erst beim Eintreffen der von anderen verständigten Rettung fragte, ob er ihn denn niedergefahren habe. Laut Urteilsbegründung wäre von ihm zumindest psychischer Beistand und Zuspruch zu erwarten gewesen. Ein solches Verhalten ist nach Auffassung des UVS zumindest als charakterliche Fehlleistung zu sehen und damit unter den Begriff "asoziales Verhalten" zu subsumieren, sodaß von einem Milderungsgrund des § 34 Abs.1 Z2 StGB keine Rede sein kann. Bezeichnend ist auch, daß das Imstichlassen eines Verletzten und die Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung offensichtlich auf der gleichen Grundeinstellung des Rechtsmittelwerbers beruhen, sich bei Fehlern möglichst nichts nachweisen zu lassen, um die zu erwartenden persönlichen Nachteile möglichst gering zu halten. Die gegenständliche Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung kann daher nicht als mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehend angesehen werden.

Der Rechtsmittelwerber führt außerdem eine Reihe von seiner Meinung nach bestehenden Strafmilderungsgründen an und beantragt außerordentliche Strafmilderung unter Hinweis auf die von ihm vertretene Verfassungswidrigkeit des § 100 Abs.5 StVO idFd 19. StVO-Novelle. Dazu ist von seiten des UVS zunächst auszuführen, daß der gegenständliche Vorfall sich noch nicht zu Zeiten nach Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle ereignet hat, sodaß die Argumentation im Hinblick auf den Ausschluß des § 20 VStG im § 100 Abs.5 StVO idFd 19. StVO-Novelle jedenfalls ins Leere geht. Gemäß § 100 Abs.5 StVO 1960 idF BGBl.Nr 522/93 war zwar bei einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 und 2 die Anwendung der §§ 21 und 50 VStG ausgeschlossen, jedoch nicht des § 20 VStG, sodaß der UVS das Vorliegen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung ohnehin zu prüfen hatte. Gemäß dieser Bestimmung kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist. Da der zweite Fall von vornherein auszuschließen ist, war zu prüfen, ob Milderungsgründe vorliegen, die eventuell bestehende Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.

Der Rechtsmittelwerber macht diesbezüglich weitere Milderungsgründe geltend, nämlich die von ihm geleistete gänzliche Schadenswiedergutmachung, das Wohlverhalten seit Begehung der Übertretung, das Nichtvorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung in einem rechtlich relevanten Ausmaß und die unverhältnismäßig lange Dauer des Strafverfahrens ohne sein Zutun iSd § 34 Abs.2 StGB. Dazu ist von seiten des UVS auszuführen, daß das Ausmaß der Alkoholbeeinträchtigung beim Tatvorwurf der Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung im gegenständlichen Fall überhaupt nicht, daher auch nicht strafmildernd, zu beurteilen war und auch nicht feststeht. Genau diesem Zweck diente ja die Verweigerung, die somit günstigste Auswirkungen auf das gerichtliche Strafverfahren hatte.

Daß der Rechtsmittelwerber "gänzliche Schadenswiedergutmachung" geleistet hätte - im Gerichtsurteil war von einer Akonto-Zahlung an den Geschädigten in Höhe von 30.000 S durch den Haftpflichtversicherer die Rede -, wird vom UVS deshalb nicht als strafmildernd angesehen, weil gegen den Haftpflichtversicherer ein direkter Anspruch des Geschädigten auf Schadenersatz besteht, wobei diese Schadenersatzleistung offenbar einen unnötigen Zivilprozeß vermeiden soll. Zum anderen steht die Schadenersatzleistung an den beim Unfall Geschädigten aber ebenfalls nicht im Zusammenhang mit der dem Rechtsmittelwerber vorgeworfenen Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung: diesbezüglich ist nämlich kein Schaden entstanden, der wiedergutzumachen wäre.

Zum geltend gemachten Milderungsgrund des Wohlverhaltens seit dem gegenständlichen Vorfall ist auszuführen, daß der Rechtsmittelwerber tatsächlich bei der Erstinstanz seit beinahe drei Jahren keine Vormerkung mehr aufweist, was an den Milderungsgrund des § 34 Abs.1 Z18 StGB herankommt.

Der Milderungsgrund der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer iSd § 34 Abs.2 StGB stellt gemäß der Regierungvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (vgl Erl zu RV StRÄG 1996, 33 BlgNR 20.GP, 37) darauf ab, daß ein Beschuldigter während eines längeren Strafverfahrens beträchtlichen psychischen Belastungen ausgesetzt ist und während dessen Anhängigkeit häufig rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Nachteile in Kauf nehmen muß, jedoch soll sich eine nicht vom Beschuldigten oder seinem Verteidiger zu vertretende Verfahrensverlängerung nur strafmildernd auswirken, soweit bei der Bearbeitung der dem Beschuldigten zustehenden Anträge, Beschwerden, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe Verzögerungen eingetreten sind. Dieser Milderungsgrund ist nach Auffassung des UVS auf das Verwaltungsstrafverfahren wegen seiner Eigenart deswegen nicht übertragbar, weil hier im Gegensatz zum gerichtlichen Strafverfahren ohnehin relativ kurze Verjährungsfristen gelten und daher weder rechtliche noch persönliche oder gar wirtschaftliche Nachteile zu erwarten sind. Außerdem wurde im gegenständlichen Fall das Ermittlungsverfahren, wie dem erstinstanzlichen Verfahrensakt zu entnehmen ist, nach dem Vorfall vom 14. September 1994 bereits im Juni 1995 beendet und die Zeit bis zum Tätigwerden des Beschuldigtenvertreters, nämlich etwas mehr als eineinhalb Jahre, kann nicht als "unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer" angesehen werden. Zu bemerken ist aber, daß als positiver Nebeneffekt eben aufgrund der verstrichenen Zeit die Vormerkung aus dem Jahr 1990 als getilgt anzusehen ist.

Zusammenfassend ist daher auszuführen, daß mildernd allenfalls das Wohlverhalten des Rechtsmittelwerbers seit dem Vorfall, straferschwerend allerdings die vorsätzliche Begehung zu berücksichtigen war.

Bei der Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG kommt es nicht bloß auf das Vorliegen von Milderungsgründen an, vielmehr allein darauf, daß solche Gründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, und zwar nicht nach der Zahl, sondern dem Gewicht nach. Es kommt sohin nicht auf die Zahl der gegebenen Milderungs- und Erschwerungsgründe an, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhalts (vgl VwGH v 27. Februar 1992, 92/02/0095).

Von einem "beträchtlichen Überwiegen" des Milderungsgrundes kann aber im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht die Rede sein, weil einem etwa dreijährigen Wohlverhalten - der Rechtsmittelwerber durfte bis Juni 1995 wegen Entzugs der Lenkerberechtigung ohnehin kein Kraftfahrzeug lenken - nicht eine so maßgebliche Bedeutung zukommt, die den angeführten Erschwerungsgrund der vorsätzlichen Tatbegehung aufzuwiegen in der Lage wäre. Aus diesem Grund waren die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung im gegenständlichen Fall nicht als gegeben anzusehen.

Die verhängte Strafe entspricht den Kriterien des § 19 VStG, liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und hält auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Eine Herabsetzung ist unter diesen Gesichtspunkten nicht vertretbar. Außerdem wurde die Strafe bereits in Teilbeträgen vom Rechtsmittelwerber bezahlt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

Beschlagwortung: Doppelbestrafung bei Übertretung nach § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.2 StVO und Verurteilung nach § 88 Abs.1 und 4 1. Fall StGB liegt nicht vor. Der Milderungsgrund des ordentlichen Lebenswandels iSd § 34 Z2 StGB liegt bei zwischenzeitlicher Verurteilung gemäß § 94 StGB nicht vor.

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