Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104635/5/BI/KM

Linz, 30.06.1997

VwSen-104635/5/BI/KM Linz, am 30. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der Frau Mag. J T, F, L, vom 13. Mai 1997, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24. April 1997, VerkR96-15831-1996-Hu, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG, §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 und 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S (24 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 25. August 1996 um ca. 18.20 Uhr im Gemeindegebiet von K von der K Landesstraße kurz nach der Kreuzung mit der B ca. bei Strkm. 0,5 bis 1,5 in Richtung K den Pkw Kz. gelenkt und dabei beim Fahren hinter dem nächsten vor ihr fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, daß ihr jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil sie zu diesem einen Abstand von höchstens 5 m eingehalten habe. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.1).

3. Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, der vor ihr fahrende Lenker habe während ihres Überholvorganges sein Kraftfahrzeug erheblich beschleunigt und, nachdem er bemerkt haben mußte, daß sie den Überholvorgang abbrechen werde, die Geschwindigkeit wieder verringert, wobei er, nachdem sie sich auf dem rechten Fahrstreifen eingereiht habe, ohne ersichtlichen Grund stark abgebremst habe. Trotz dieser schikanösen Fahrweise habe sie einen vorschriftsmäßigen seitlichen sowie einen solchen Abstand von dem dann vor ihr fahrenden Kraftfahrzeug eingehalten, der ihr jederzeit ein rechtzeitiges Anhalten ihres Fahrzeuges gewährleistete. Sie habe sich in bezug auf die Sicherheit ihres Lebens und auf die ihr verantworteten Sachwerte in äußerstem Maß gefährdet gefühlt und sollte eigentlich diejenige sein, die den Vorfall der Behörde zur Meldung hätte bringen sollen. Sie habe eine konkrete dezidierte Schilderung des Sachverhalts abgegeben, die Erstinstanz habe ihrer Ansicht nach zu einer echten Wahrheitsfindung kein sehr großes Interesse gezeigt. Sie verlange den Wahrheitsgehalt des Zeugen neuerdings zu überprüfen und macht außerdem geltend, sie sei nach wie vor weder berufstätig noch beziehe sie außer einem monatlichen Taschengeld Einkommen. Die Einkommensschätzung der Erstinstanz entbehre jeder Grundlage und außerdem sei bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Aus all diesen Gründen beantrage sie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, daß die Rechtsmittelwerberin am 25. August 1996 um ca. 18.20 Uhr einen Pkw auf der K Landesstraße aus Richtung K Richtung K lenkte, wobei sie kurz nach der Kreuzung mit der B den vom Anzeiger F G gelenkten Pkw überholen wollte. Aufgrund des Gegenverkehrs wurde der Überholvorgang abgebrochen. Der Zeuge G erstattete um 18.40 Uhr desselben Tages Anzeige beim Gendarmerieposten K und machte geltend, zwischen Km 0,5 und 1,5 der K Landesstraße habe die Rechtsmittelwerberin wegen Gegenverkehrs den bereits begonnenen Überholvorgang abgebrochen und sich hinter seinem Fahrzeug eingereiht, wobei der Abstand höchstens 5 m bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h bis 80 km/h betragen habe. Sie habe außerdem die Lichthupe betätigt, das Fernlicht aufgeblendet und ihm den Vogel gezeigt. Bei der zeugenschaftlichen Einvernahme hat der Zeuge ausgeführt, er habe keinesfalls die Geschwindigkeit während des begonnenen Überholmanövers erhöht und auch nachher nicht abgebremst. Tatsächlich sei ihm die Beschuldigte ganz knapp aufgefahren und habe ihm zweimal ein Zeichen mit der Lichthupe gegeben. Die Beifahrerin R G, die Ehegattin des Zeugen, bestätigte einen "ganz knappen Abstand" zwischen den beiden Pkw und das Gestikulieren der Rechtsmittelwerberin, führte aber aus, ihr Gatte habe die Geschwindigkeit sicher nicht erhöht, sondern der Überholvorgang sei wegen des Gegenverkehrs abgebrochen worden. Die Lenkerin habe "herumgedeutet, gerade daß sie ihnen nicht den Vogel gezeigt" habe. Zeichen mit der Lichthupe habe sie nicht gesehen, weil sie sich erst später umgedreht habe.

Die Rechtsmittelwerberin hat ausgeführt, der Pkw G sei die ganze Zeit über mit einer geringen Geschwindigkeit gefahren, sodaß sie ihn zu überholen beschlossen habe, habe dann aber aufgrund des Gegenverkehrs den Überholvorgang abgebrochen. Beim Wiedereinreihen sei der Anzeiger ohne merklichen Grund auf die Bremse getreten und deshalb habe sie die Lichthupe betätigt, sie habe ihm aber keineswegs den "Vogel" gezeigt, sondern in irgend einer anderen Art gestikuliert. Sie sei sich außerdem keines Fehlverhaltens bewußt. Erstmals am 10. Dezember 1996 hat sie ausgeführt, daß der Anzeiger bei Beginn ihrers Überholmanövers seinerseits sein Fahrzeug beschleunigt habe, sodaß der Überholvorgang länger gedauert habe und durch den Gegenverkehr unmöglich wurde. Diese Verantwortung wurde in der Folge aufrechterhalten.

In rechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, daß gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten hat, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Tatsache ist, daß ein Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h in einer Sekunde etwas über 19 m zurücklegt, bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h immer noch etwas über 16 m. Daraus folgt, daß der Nachfahrabstand mindestens das 2-fache dieser Werte betragen muß, wobei auch beim Wiedereinordnen nach einem abgebrochenen Überholmanöver die Einhaltung des Sicherheitsabstandes zu beachten ist. Die Behauptung der Rechtsmittelwerberin, der vor ihr fahrende Lenker habe bei ihrem Wiedereinreihen hinter seinem Pkw aus ihr nicht ersichtlichen Gründen kurz die Bremse betätigt, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht auszuschließen, auch wenn ein solcher Bremsvorgang in einer derartigen Situation nach logischen Gesichtspunkten als Fehlreaktion anzusehen ist. Es kann aber durchaus sein, daß der Anzeiger mit dem seine Geschwindigkeit verlangsamenden Pkw im Gegenverkehr "mitreagiert" und deshalb möglicherweise unbewußt die Bremse betätigt hat. Daß dadurch der Nachfahrabstand zum Beschuldigtenfahrzeug verringert wurde, liegt auf der Hand.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar ist die Angabe des Zeugen hinsichtlich einer Nachfahrgeschwindigkeit des Beschuldigten-Pkw von "höchstens 5 m". Der Zeuge hat nicht angegeben, woran er sich bei dieser Schätzung orientiert hat, zB was bei der Nachfahrt im Spiegel vom Beschuldigtenfahrzeug noch zu sehen war. Bei einem Blick in den Rückspiegel wird jedoch der hinter dem Pkw liegende Straßenabschnitt verzerrt und damit eine genaue Aussage über Entfernungen unmöglich. Auch eine neuerliche zeugenschaftliche Einvernahme würde ein Jahr nach dem Vorfall diesbezüglich keine Aufklärung bringen, weil die Angaben des Anzeigers zu ungenau sind, sodaß eine Stellprobe nachträglich nicht mehr durchgeführt werden kann. Abgesehen davon ist die Fähigkeit zur Schätzung von Entfernungen - noch dazu im Rückspiegel - bei nicht geschulten Personen zweifelhaft. Außerdem ist auch nicht auszuschließen, daß sich der Nachfahrabstand durch den Bremsvorgang des Anzeigers ohne Verschulden der Rechtsmittelwerberin auf ein nicht mehr eruierbares Ausmaß verringert hat.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 erste Alternative VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann. Aufgrund all dieser Überlegungen war im Zweifel für die Beschuldigte spruchgemäß zu entscheiden, sodaß auch keinerlei Verfahrenskostenbeiträge anfallen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Blick in den Rückspiegel reicht wegen Verzerrung nicht als Anhaltspunkt für Schätzung des Nachfahrabstandes; außerdem ist Bremsen des vorderen Lenkers nicht auszuschließen

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