Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104866/4/BI/FB

Linz, 06.10.1997

VwSen-104866/4/BI/FB Linz, am 6. Oktober 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn J S, H, R, Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt N H, N, H, Deutschland, vom 25. Juli 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 16. Juli 1997, VerkR96-9248-1996, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, daß die Wortfolge "auf der A, km ," zu entfallen hat, die Geldstrafe jedoch auf 400 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt.

Der Kostenbeitrag im erstinstanzlichen Verfahren ermäßigt sich auf 40 S; im Rechtsmittelverfahren fallen keine Kosten an.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG). zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung wegen §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 500 S (14 Stunden EFS) verhängt, weil er es als Zulassungsbesitzer des PKW, Kz. (D), trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. vom 4. November 1996, nachweislich zugestellt am 30. November 1996, unterlassen habe, der Behörde binnen zwei Wochen darüber Auskunft zu erteilen, wer dieses Fahrzeug am 1. August 1996 um 16.06 Uhr auf der A, km , gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann, weil er nur angegeben habe, daß auch eine ihm nahestehende Person als Lenker in Frage komme. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe bereits im Einspruch gegen die Strafverfügung ausgeführt, er könne keine zuverlässige Auskunft mehr geben, weil er sich seinerzeit auf einer Urlaubsreise mit einem nahen Angehörigen befunden habe und man sich beim Lenken abgewechselt habe. Die Begründung der Behörde, er hätte in diesem Fall Aufzeichnungen zu führen gehabt, stelle eine unzulässige Umgehung und damit Verletzung der elementaren und demokratischen Rechte des Angeklagten nach Art.6 Abs.2 EMRK dar. Nach allgemeinen internationalen Grundsätzen könne kein Beschuldigter verpflichtet werden, sich selbst zu belasten. Auch ein Zeuge eines solchen Verfahrens könne nicht gezwungen werden, zu Lasten eines nahen Angehörigen auszusagen. Auch die Verweigerung der Akteneinsicht des Verteidigers stelle eine Verletzung des Art.6 Abs.3 EMRK dar. Er behalte sich im Fall der Aufrechterhaltung des Strafausspruchs das Recht der Appellation an die Europäische Kommission für Menschenrechte vor.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat zunächst die dem Rechtsmittelwerber unbekannten Aktenteile dessen rechtsfreundlichem Vertreter in Kopie übermittelt und auch auf die Judikatur des österreichischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes hingewiesen. Trotz Einladung zur Stellungnahme ist bislang eine solche nicht erfolgt, sodaß der unabhängige Verwaltungssenat berechtigt ist, auf der Grundlage des Akteninhalts zu entscheiden. Dazu wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus der Anzeige geht hervor, daß der PKW, Kz. (D), am 1. August 1996 um 16.06 Uhr bei km der I, Richtungsfahrbahn S, Gemeinde A, mittels Radargerät Multanova VR 6 FM Nr. 511 im Bereich der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h mit einer Geschwindigkeit von 156 km/h gemessen wurde. Eine Anhaltung konnte nicht durchgeführt werden. Vom gemessenen Wert wurden gemäß den Verwendungsbestimmungen 8 km/h abgezogen und eine Geschwindigkeit von 148 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Als Zulassungsbesitzer (Halter) des PKW wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg der Rechtsmittelwerber bekanntgegeben. Dieser wurde mit Schreiben der Erstinstanz vom 4. November 1996, VerkR96-9248-1996, "als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 Kraftfahrgesetz 1967 aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis mitzuteilen, wer den PKW, Kz. , am 1. August 1996 um 16.06 Uhr gelenkt/verwendet bzw. abgestellt" habe. Auf die zugrundeliegende Geschwindigkeitsüberschreitung wurde ebenso hingewiesen wie darauf, daß das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei. Das Schreiben wurde vom Rechtsmittelwerber am 30. November 1996 eigenhändig übernommen. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 1996 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Rechtsmittelwerbers unter Berufung auf die Vollmacht mit, er ersuche vor der Stellungnahme zum Tatvorwurf um Aktenübersendung und weise vorsorglich darauf hin, daß für die Tatbegehung auch eine seinem Mandanten nahestehende Person iSd § 52 der dt. Strafprozeßordnung in Betracht komme, sodaß ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe. Daraufhin erging seitens der Erstinstanz die Strafverfügung vom 4. Februar 1997, mit der der Rechtsmittelwerber einer Übertretung gemäß §§ 103 Abs. 2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 schuldig erkannt wurde. Dem fristgerecht erhobenen Einspruch, mit dem erneut darauf hingewiesen wurde, daß sich der Rechtsmittelwerber beim Lenken des Fahrzeuges zur maßgeblichen Zeit mit einem nahen Angehörigen abgewechselt habe und über diesen Auskunft zu erteilen nicht verpflichtet sei, folgte das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Die Anwendung deutschen Rechtes kommt hier deswegen nicht in Betracht, weil nach neuer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (hier: Ried/Innkreis) ist, dh in Österreich gelegen ist (vgl Erk verst Senat v 31. Jänner 1996, 93/03/0156, ua). Im übrigen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte es nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991Nr. 23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf den Rechtsmittelwerber zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde - was nie bestritten wurde - und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl ua VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095). Die Erhebung des oben zitierten letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 in den Verfassungsrang erachtete der (österreichische) Verfassungsgerichtshof als nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK stehend (vgl VfGH v 29. September 1988, G 72/88, ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde diese jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294, ua).

Der zitierten Rechtsprechung hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre und deshalb in dieses Konzept alle die österreichischen Straßen benützenden, dh auch ausländische, Fahrzeuge einbezogen werden müssen. Die Nichtbekanntgabe des Lenkers durch den Rechtsmittelwerber bedeutet daher, daß er in objektiver Hinsicht den ihm vorgeworfenen Tatbestand erfüllt hat, zumal das Auskunftsbegehren eine ausdrückliche Belehrung über die maßgeblichen Rechtsvorschriften enthielt. Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit der gesetzlichen Bestimmung im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung der gewünschten Auskunft war unmißverständlich. Der Rechtsmittelwerber hat daher bei der Nichterteilung der Auskunft schuldhaft gehandelt - bei einem zur Unübersichtlichkeit führenden Fahrerwechsel hätte er entsprechende Aufzeichnungen zu führen gehabt, wenn er ohne solche zur Auskunftserteilung nicht imstande gewesen wäre - und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Der Einwand des Rechtsmittelwerbers, er sei nicht verpflichtet, über einen ihm nahestehenden Angehörigen Auskunft zu erteilen, geht somit im Licht der Rechtsprechung der östereichischen Höchstgerichte ins Leere.

Die Spruchänderung war insofern begründet, als die Frage nach dem Lenker an einem bestimmten Ort nicht zum in Rede stehenden Tatbestand gehört. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 30.000 S Geldstrafe bzw bis zu 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Die verhängte Strafe entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den von der Erstinstanz geschätzten und unwidersprochen gebliebenen finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers (15.000 S Monatseinkommen, keine Sorgepflichten, kein Vermögen). Allerdings war dessen verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als strafmildernd zu berücksichtigen und die Strafe aus diesem Grund geringfügig herabzusetzen. Sie liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und ist im Hinblick auf general- und vor allem spezialpräventive Überlegungen gerechtfertigt. Ob nun die von der Erstinstanz verhängte und durch den O.ö. Verwaltungssenat bestätigte Strafe in der Bundesrepublik Deutschland auch vollstreckt wird, was nach hier aufliegenden Schriftstücken einiger deutscher Behörden zweifelhaft (ja sogar auszuschließen) ist, vermag an der gegenständlichen Entscheidung, die sich an der gesetzlichen Bestimmung zu orientieren hat, nichts zu ändern. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Lenkerauskunft gilt auch für ausländische Zulassungsbesitzer; Strafe herabgesetzt wegen Nichtberücksichtigung der Unbescholtenheit.

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