Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104905/19/BI/FB

Linz, 12.01.1998

VwSen-104905/19/BI/FB Linz, am 12. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau H S, R, W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J K, F, W, vom 21. August 1997 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 31. Juli 1997, ST-4371/95, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 4. Dezember 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 200 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG, §§ 4 Abs.2 iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S (48 Stunden EFS) verhängt, weil sie es am 22. Juli 1995 um 12.55 Uhr in G, J Bezirksstraße im Bereich Strkm 0,9 bis 1,0 in Richtung G, als Lenkerin des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen , nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, unterlassen habe, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 4. Dezember 1997 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Rechtsmittelwerberin, ihres Rechtsvertreters Mag. E sowie der Zeugen H S, U R und K W durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz hat sich entschuldigt. 3. Die Rechtsmittelwerberin bestreitet die Feststellung der Erstinstanz, die Kausalität in bezug auf den Unfall sei einwandfrei gegeben, wobei sich die Ausführungen der Erstinstanz in erster Linie auf die Zeugeneinvernahmen S und R stützten. Sie macht weiters geltend, beim Bezirksgericht Grieskirchen sei sie vom Vorwurf des Vergehens nach § 94 StGB freigesprochen worden. Im Rahmen dieser Verhandlung sei vom Sachverständigen DI L ein Gutachten erstattet worden, aus dem sich ableiten lasse, daß bei der Geschwindigkeit des PKW S von 80 bis 90 km/h ca 1,5 sec vor der Spurenzeichnung die Reaktionseinleitung anzusetzen sei. Unter Zugrundelegung ihrer Verantwortung ergebe sich, daß ihr Überholvorgang bei Begegnung der beiden Fahrzeuge längst abgeschlossen gewesen sei, sodaß ein Passieren der beiden Fahrzeuge aus technischer Sicht leicht möglich gewesen wäre. Es ergebe sich daher eine völlig überzogene Reaktion des PKW-Lenkers S oder überhaupt ein grundloses Verlenken oder Abkommen von der Straße. Die zweite mögliche Unfallvariante ergebe sich unter Zugrundelegung der Aussagen S und Riebl, wobei die Glaubwürdigkeit insofern zu bezweifeln sei, als beide angegeben hätten, den Sicherheitsgurt angelegt gehabt zu haben, jedoch sei bei der Besichtigung deren PKW festgestellt worden, daß beide Sicherheitsgurte normal aufgerollt gewesen seien, woraus der technische Sachverständige gutachtlich geschlossen habe, daß Riebl im Unfallzeitpunkt mit Sicherheit nicht angegurtet gewesen sein konnte. Die Zeugin W habe vorerst bestätigt, daß sie ihr Fahrrad in ausreichendem Sicherheitsabstand passiert habe, und betont, sie habe vom Verkehrsunfall nichts wahrgenommen und die Fahrt mit dem Fahrrad ungehindert fortgesetzt. Unter Zugrundelegung der Aussagen R und S hätten sich zum Zeitpunkt des Passierens des Fahrrades dieses, ihr Bus, sowie der PKW S nebeneinander befinden müssen. Wenn aber die Zeugin W vom Unfall nichts bemerkt habe, könnten die Aussagen S und R nicht der Wahrheit entsprechen, zumal sich der Unfall einerseits, zeitlich gesehen, etwas später ereignet habe und andererseits aus anderen als den von den beiden Zeugen genannten Gründen. Es sei demnach weder eine Kausalität in bezug auf den Unfall gegeben gewesen noch liege das Tatbestandsmerkmal des ursächlichen Zusammenhangs vor, da der Überholvorgang bei Begegnung der Fahrzeuge abgeschlossen gewesen sei. Dafür spreche auch, daß die vor ihr befindliche Zeugin M nur ein Geräusch vernommen habe, und sie selbst sich zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls mehrere 100 m vom verunglückten Fahrzeug entfernt befunden habe, die Fenster nach oben gedreht gewesen seien, das Autoradio angestellt gewesen sei, sie sich mit ihren zwei Kindern im Fahrzeug unterhalten habe und darüber hinaus dem Verkehrsgeschehen die nötige Aufmerksamkeit schenken habe müssen. Wenn nun die Zeugin W zum Unfallzeitpunkt viel näher an der Unfallstelle gewesen sei und noch dazu mit einem Fahrrad und vom Unfall nichts bemerkt habe, so sei seltsam, daß ihren eigenen Aussagen nicht geglaubt würde. Sie habe auch keine wie immer gearteten Wahrnehmungen vom Abkommen des anderen PKW von der Straße gemacht, zumal sie darauf keine Sicht gehabt habe. Die Rechtsvorschrift des § 4 Abs.2 StVO sei daher auf ihre Person nicht anwendbar, sodaß unter Hinweis auf das Gerichtsurteil beantragt werde, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Rechtsmittelwerberin und ihr Rechtsvertreter gehört und die angeführten Zeugen einvernommen wurden. Das erkennende Mitglied hat vor der mündlichen Verhandlung nach der Vergleich mit den im Akt befindlichen Lichtbildern einen Ortsaugenschein an der Unfallstelle vorgenommen.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich: Die Rechtsmittelwerberin lenkte am 22. Juli 1995 gegen 12.55 Uhr den VW-Bus auf der J Bezirksstraße von S bei G kommend Richtung G. Sie schloß dabei auf den von C M gelenkten PKW auf und überholte nach diesem im Bereich zwischen km 0,9 bis 1,0 die auf einem Fahrrad Richtung G fahrende K W. Zur gleichen Zeit fuhr H S mit dem auf seine Beifahrerin U R zugelassenen VW-Golf, Kz. , aus G kommend Richtung S, kam im genannten Abschnitt der J Bezirksstraße zunächst nach rechts von der Fahrbahn ab und schleuderte dann nach links in das angrenzende Pferdebohnenfeld, wo es den PKW überschlug und beide Insassen verletzt wurden. Als Unfallursache gab der Zeuge S bereits an der Unfallstelle an, er sei durch den entgegenkommenden und die Radfahrerin trotz Gegenverkehr überholenden VW-Bus zum Auslenken seines Fahrzeuges nach rechts gezwungen worden. Zu einer Berührung der Fahrzeuge kam es nicht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge S ausgesagt, er sei mit etwa 80 bis 90 km/h Richtung S gefahren und habe schon aus der Entfernung bemerkt, daß ihm eine Radfahrerin entgegenkomme und sich dahinter zwei Fahrzeuge befinden. Der vorne fahrende PKW habe schließlich die Radfahrerin überholt und sei anstandslos an ihm vorbeigefahren. Der dahinter fahrende Kleinbus habe ebenfalls die Radfahrerin überholt und sei im Zuge des Überholmanövers frontal auf ihn zugekommen. Das Überholmanöver sei knapp gewesen, wobei sich der Kleinbus jedenfalls zum Teil auf seiner Fahrbahnhälfte befunden habe und er aus diesem Grund nach rechts auf das Bankett ausweichen habe müssen. Seiner Erinnerung nach seien die drei Fahrzeuge, nämlich das Fahrrad, der entgegenkommende Kleinbus und sein PKW etwa auf gleicher Höhe gewesen, als sie sich passiert hätten. Er habe den PKW mit den rechten Rädern auf das Bankett verrissen und der Kleinbus sei ohne jede Berührung an ihm vorbeigefahren. Er sei dann hinter den beiden Fahrzeugen nach links quer über die Straße in das angrenzende Feld geschleudert worden, wobei sich das Fahrzeug jedenfalls einmal überschlagen habe, aber auf den Rädern zu stehen gekommen sei. Er sei bei dem Unfall mit Sicherheit angegurtet gewesen. Seine Freundin sei aus dem Fahrzeug hinausgeschleudert worden, möglicherweise durch die Windschutzscheibe, weil diese nach dem Unfall gefehlt habe. Er habe nach dem Unfall einige Zeit gebraucht, um sich zu fassen und habe dann bemerkt, daß der Kleinbus in einiger Entfernung auf der Straße zum Stehen gebracht worden sei. Der PKW, der die Radfahrerin zuerst überholt habe, habe mit dem Unfall absolut nichts zu tun, sondern seiner Meinung nach sei allein das Überholmanöver des VW-Busses ausschlaggebend dafür gewesen, daß er auf das Bankett ausweichen habe müssen und ins Schleudern gekommen sei. Ohne das Überholmanöver des Kleinbusses hätte für ihn überhaupt kein Grund bestanden, auszuweichen oder die Geschwindigkeit zu verlangsamen. Er habe beide Fahrzeuge und die Radfahrerin kommen gesehen und nicht damit gerechnet, daß das zweite Fahrzeug die Radfahrerin auch noch überholen würde. Er könne sich nicht vorstellen, daß die Radfahrerin von dem ganzen Vorgang nichts mitbekommen haben solle. Zum Abstand der ihm entgegenkommenden Fahrzeuge zueinander konnte er nichts aussagen. Die Zeugin U R gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, sie sei Beifahrerin beim Zeugen S gewesen, habe aber auf den Straßenverkehr nicht geachtet, weil sie Bilder angesehen habe. Sie sei erst aufmerksam geworden, als der Zeuge S gehupt habe, habe aufgeschaut und gesehen, daß vor ihrem PKW ein blauer VW-Bus zumindest mit der Hälfte auf ihrer Fahrbahnseite entgegengekommen sei. Der Zeuge S habe den PKW nach rechts Richtung Bankett verrissen und der VW-Bus und der PKW hätten sich nicht berührt. Ihr PKW sei dann ins Schleudern gekommen und sie könne sich noch erinnern, daß sie dann im Feld gelegen sei. Eine Radfahrerin habe sie überhaupt nicht gesehen und habe darauf auch nicht geachtet. Sie sei bei dem Unfall angegurtet gewesen und habe auch die typischen Verletzungen aufgrund des Gurts erlitten, nämlich ua eine Prellung des rechten Schlüsselbeins. Ihrer Erinnerung nach sei sie bei der Windschutzscheibe des PKW herausgeschleudert worden. Im übrigen sei das Gerichtsverfahren betreffend Schmerzensgeld bereits abgeschlossen und die ihr zunächst mit der Begründung, sie sei anscheinend nicht angegurtet gewesen, vorenthaltenen Beträge seien aufgrund der Befunde über ihre Verletzungen nachgezahlt worden. Die Zeugin K W hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie sei damals in B auf Kur gewesen und an diesem Nachmittag von S mit dem Fahrrad nach G gefahren, um den Zug nach B zu erreichen. Sie könne sich an überhaupt nichts erinnern und habe von einem Unfall gar nichts mitbekommen, offenbar weil sie schon zu weit vorne gewesen sei. Sie wisse zwar noch, daß sie damals überholt worden sei, aber sie könne sich nicht erinnern, daß jemand von der Straße abgekommen wäre. Mit ihr habe das alles nichts zu tun gehabt und sie habe nach dem Termin in B bei der Rückfahrt mit dem Fahrrad Richtung S die Spuren eines Verkehrsunfalls im Pferdebohnenfeld links neben der Straße gesehen. Am nächsten Tag habe sie erst von der Gendarmerie von dem Unfall etwas genaueres erfahren.

Die Rechtsmittelwerberin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie sei hinter dem PKW M nachgefahren und sie hätten nacheinander die Radfahrerin überholt. Sie sei dabei in weitem Bogen an dieser Radfahrerin vorbeigefahren, habe auch den Gegenverkehr auf sich zukommen gesehen, allerdings noch weit genug für ein gefahrloses Überholmanöver. Sie habe auch seitlich einen ausreichend weiten Sicherheitsabstand zur Radfahrerin eingehalten und ihr Fahrzeug weder verreißen noch sonst wie verlenken müssen. Ihrer Erinnerung nach sei sie schon nach dem Überholen der Radfahrerin rechts eingereiht gewesen, ohne diese zu schneiden, als der Gegenverkehr, nämlich der PKW S, an ihr vorbeigefahren sei. Hinter ihr sei außer der Radfahrerin niemand mehr nachgekommen. Sie selbst habe eine Geschwindigkeit von ca 60 bis 70 km/h eingehalten und der PKW S sei ihr relativ schnell vorgekommen, allerdings seien auf dem dortigen Straßenabschnitt der J Bezirksstraße außerhalb des Ortsgebietes 100 km/h erlaubt. Sie habe hinter sich im Rückspiegel eine Staubwolke gesehen und sei in einiger Entfernung nach dem Überholmanöver auf der Fahrbahn stehengeblieben. Vor der nächstfolgenden Linkskurve in Richtung G sei die Zeugin M vor ihr stehengeblieben, zu ihrem Fahrzeug zurückgegangen und habe gesagt, es komme ihr vor, als ob hinten etwas passiert sei. Sie seien dann beide ein Stück zurückgefahren, allerdings habe sie überhaupt nichts gesehen, auch kein Auto im Pferdebohnenfeld oder ähnliches. Es seien nur Leute auf die Straße gelaufen. Da sie das ganze nicht auf sich bezogen habe, sei sie weitergefahren und auch die Radfahrerin, die ihr beim Zurückfahren begegnet sei, habe gesagt, sie wisse nichts von einem Unfall und ihr sei auch nichts aufgefallen. Ihr seien auch keine Spuren auf der Straße aufgefallen. DI L hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim Bezirksgericht G am 11. Dezember 1995 nach Durchführung eines Ortsaugenscheins ausgeführt, die vom Zeugen S angegebene Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h sei als sicher anzusehen, wobei das Abkommen von der Fahrbahn nicht geschwindigkeitsbedingt sei, sondern andere Ursachen haben müsse. Der Reaktionsanlaß zu diesem Abkommen müsse etwa 1,5 sec vor dem Einsatz der Spuren liegen. Unter Berücksichtigung einer Breite des PKW S von 1,65 m (VW-Golf) und des VW-Busses von 1,85 m ergebe sich eine Summenbreite von 3,50 m bei einer Fahrbahnbreite von 5,5 m, sodaß bei einem abgeschlossenen Überholvorgang ein Passieren der beiden Fahrzeuge ohne Schwierigkeit möglich gewesen wäre. Wenn rechts eine Radfahrerin gefahren sei, wobei ca 1 m Platzbedarf für diese bestehe, so würde auf der rechten Fahrbahnhälfte noch ein 1,75 m breiter Raum verbleiben. Bei einem Abstand des VW-Busses von 1,50 m zur Radfahrerin nur mehr 25 cm. Beim Überholmanöver des VW-Busses hätte dieser die Fahrbahnmitte zwischen 1,30 und 1,60 m überschritten, sodaß für den Gegenverkehr nur mehr 1,15 bis 1,45 m verbleiben würden. Bei einer Breite des Fahrzeuges von 1,65 m wäre ein ganz knappes Passieren nur unter Mitbenützung des Banketts möglich. Wären tatsächlich zum Zeitpunkt der Begegnung die drei Fahrzeuge annähernd auf gleicher Höhe, wäre ein Passieren sohin nur möglich, wenn der PKW S nach rechts aufs Bankett gelenkt worden wäre. Bei einer Sichtweite von 400 m hätten sich die im Gegenverkehr befindlichen Fahrzeuglenker 9 bis 10 sec lang erkennen können, damit so rechtzeitig, daß von einem Überholen des Fahrrades Abstand genommen hätte werden können. Hätte das Passieren der Fahrzeuge stattgefunden nach Beendigung des Überholvorgangs, hätte keine Notwendigkeit bestanden, das Fahrzeug nach rechts zu verlenken.

Unter Zugrundelegung der Aussagen des Zeugen S wäre diesem ein Reaktionsverzug auf eine Fehlreaktion nicht nachzuweisen, sondern der Ausweichversuch sei als technisch richtig anzusehen. Der Sachverständige hat weiters ausgeführt, daß, wenn der Zeuge im maximalen Bereich etwa 60 bis 50 cm außerhalb der Fahrbahn sich befunden hätte, ein ganz knappes Passieren von drei nebeneinander befindlichen Fahrzeugen möglich wäre. Objektivierbar sei weder die Version S noch die der Beschuldigten. Das von der Zeugin W bestätigte Quietschgeräusch hinter ihr könne erst beim Zurückschleudern nach links eingetreten sein. Nach Ansicht des Sachverständigen wäre ein Herausschleudern der Zeugin R aus dem Fahrzeug nicht eingetreten, wenn diese angegurtet gewesen wäre. Daraus wird der Schluß gezogen, daß sie nicht angegurtet gewesen sein könne und auch nicht den Gurt vor dem Unfallgeschehen unbeabsichtigt öffnen hätte können, da bei einem bereits schleudernden Fahrzeug auf den Gurt eine solche Kraft einwirke, daß er fast nicht mehr zu lösen sei. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Beschuldigtenvertreter anklingen lassen, daß die Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn nach rechts beim Zeugen S offenbar darin gelegen sein könnte, daß dieser einen Blick auf die von der Beifahrerin angesehenen Bilder geworfen hat und aus Unaufmerksamkeit von der Fahrbahn abgekommen sei.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates besteht weder aus technischen Überlegungen noch nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Anhaltspunkt dafür, daß der Zeuge S aus Unachtsamkeit auf das Bankett und anschließend nach links ins Schleudern geraten sein könnte. Wie bereits dem Verfahrensakt zu entnehmen ist, hat der Zeuge bereits bei der Unfallaufnahme angegeben, durch den entgegenkommenden blauen VW-Bus, der im Rahmen des Überholmanövers auf seine Fahrbahnhälfte gekommen war, zu diesem Fahrmanöver gezwungen worden zu sein. Auch die Zeugin R hat seine Schilderung des Unfallhergangs bestätigt, auch wenn sie sich in der mündlichen Verhandlung nicht mehr an die Radfahrerin erinnern konnte, weil sie - nicht unlogisch - ihre ganze Aufmerksamkeit auf den auf ihrer Fahrbahnhälfte entgegenkommenden VW-Bus richtete. Die von den beiden Zeugen geschilderte Version des Unfallhergangs steht nicht in Widerspruch zum Gutachten des Gerichtssachverständigen DI L. Die von der Rechtsmittelwerberin unter Berufung auf die Verletzung der Gurtenpflicht behauptete Unglaubwürdigkeit der Zeugen vermag der unabhängige Verwaltungssenat schon auf Grund der inzwischen erfolgten Befriedigung der Schmerzensgeldansprüche der Zeugin R nicht zu erkennen. Unverständlich ist, warum der Zeugin W vom Unfall nichts aufgefallen sein soll. Zu bedenken ist dabei aber, daß sie bei ihrer Befragung am Tag nach dem Unfall noch eine wesentlich genauere Erinnerung, insbesondere an das hinter sich wahrgenommene Quietschgeräusch, das sich doch deutlich vom normalen Fahrgeräusch eines Kraftfahrzeuges unterscheidet, hatte. Ihre Aussage bei der mündlichen Verhandlung läßt entweder den Schluß zu, daß die Erinnerung mittlerweile tatsächlich abhanden gekommen ist oder daß sie mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben will. Die Beweiskraft ihrer nunmehrigen unschlüssigen Aussage ist daher gering.

Die Schilderungen der Rechtsmittelwerberin, sie habe mit dem Unfall überhaupt nichts zu tun gehabt, weil sie sich schon hunderte Meter von der späteren Unfallstelle entfernt befunden habe, als dieser passiert sei, ist insofern unglaubwürdig, weil dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zum einen möglich sein muß, abzuschätzen, ob ein Überholmanöver bei sich näherndem Gegenverkehr noch gefahrlos abgeschlossen werden kann, noch dazu, wenn in Fahrtrichtung der Rechtsmittelwerberin mehrere 100 m uneingeschränkte Sicht bestand, wie beim Ortsaugenschein zweifellos festgestellt werden konnte. Bloße Unaufmerksamkeit des Zeugen S als Unfallursache scheidet schon deswegen aus, weil der Zeuge ja die Radfahrerin und beide PKW auf sich zukommen sah und nach logischen Überlegungen nicht anzunehmen ist, daß er genau in dieser Situation die Unterlagen seiner Beifahrerin eingehend betrachtet. Der Zeuge S hinterließ bei der mündlichen Verhandlung einen durchaus lebensnahen und korrekten Eindruck, sodaß keinerlei Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage besteht. Wäre die Rechtsmittelwerberin tatsächlich schon mehrere hundert Meter entfernt gewesen, hätte sie nicht bloß eine Staubwolke im Rückspiegel sehen, sondern den ganzen Vorfall beobachten können. Auch daß sie später von sich aus ihr Fahrzeug zum Stillstand gebracht und nach Rücksprache mit der Zeugin M sogar ein Stück zur Unfallstelle zurückgefahren ist, läßt Zweifel an dem von ihr behaupteten Unbeteiligtsein aufkommen. Der unabhängige Verwaltungssenat nimmt im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen an, daß die Version des Zeugen S über das Zustandekommen des gegenständlichen Verkehrsunfalls der Wahrheit entspricht, sodaß davon auszugehen ist, daß das Verhalten der Rechtsmittelwerberin als unfallkausal anzusehen ist. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Daß es sich beim gegenständlichen Verkehrsunfall um einen solchen mit Personenschaden gehandelt hat, steht außer Zweifel, zumal der Zeuge S Prellungen des Kopfes, des Brustkorbes und des rechten Knies, die Zeugin R Prellungen des rechten Schlüsselbeines und des rechten Oberschenkels mit Abschürfungen und eine fragliche Gehirnerschütterung erlitten hat. Die Rechtsmittelwerberin wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes G vom 11. Dezember 1995, 2U 169/95, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB schuldig erkannt und mittlerweile rechtskräftig bestraft. Ebenso steht für den unabhängigen Verwaltungssenat fest, daß die Rechtsmittelwerberin an diesem Verkehrsunfall mit Personenschaden ursächlich beteiligt war, nämlich insofern, als sie durch ihr Überholmanöver den entgegenkommenden PKW-Lenker zum Auslenken seines PKW auf das Bankett genötigt hat, wodurch dieser ins Schleudern kam und sich im links an die J Bezirksstraße angrenzenden Pferdebohnenfeld überschlug. Unbestritten steht auch fest, daß die Rechtsmittelwerberin die Fahrt fortgesetzt hat, ohne den Verkehrsunfall mit Personenschaden bei der nächsten Sicherheitsdienststelle, das wäre der Gendarmerieposten G gewesen, zu melden. Zu ihrem Einwand, sie sei vom Bezirksgericht G wegen des Vorwurfs nach § 94 StGB freigesprochen worden, ist auszuführen, daß sich der in Rede stehende Tatvorwurf des § 4 Abs.2 zweiter Satz StVO 1960 wesentlich vom strafgerichtlichen Tatvorwurf unterscheidet, sodaß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die ihr im Verwaltungsstrafverfahren vorgeworfene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklichen könnte. Eine Konsumation des Verwaltungsstraftatbestandes durch den strafgerichtlichen Tatbestand ist nicht eingetreten, weshalb auch eine Doppelbestrafung auszuschließen ist. Bei der Bestimmung des § 94 Abs.1 StGB handelt es sich zweifellos um ein Vorsatzdelikt, dh dem Verletzer muß bekannt sein, daß er eine Körperverletzung verursacht hat, sein Opfer hilfsbedürftig und Hilfe tatsächlich möglich ist, wo bereits dolus eventualis ausreicht, dh der Täter hält die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbildes ernstlich für möglich und findet sich mit ihr ab (siehe Kienapfel: Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, Seite 222 RN 48, iVm § 5 Abs.1 StGB). Aus diesem Grund hatte das Gericht "lediglich" zu prüfen, ob objektive Hinweise dafür zu finden waren, die bei der Rechtsmittelwerberin zumindest die Schuldform des dolus eventualis zu begründen vermochten. Diese objektiven Hinweise wurden verneint und die Rechtsmittelwerberin freigesprochen. Im Gegensatz dazu genügt gemäß § 5 Abs.1 VStG, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Bei der Bestimmung des § 4 Abs.2 zweiter Satz StVO 1960 handelt es sich überdies um ein Ungehorsamsdelikt, da zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und Fahrlässigkeit ohne weiteres dann anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl ua VwGH vom 27. Februar 1981, 3407/80). Die Definition der Fahrlässigkeit findet sich im § 6 Abs.1 StGB. Diese Bestimmung besagt, daß fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist und deshalb nicht erkennt, daß er einen gesetzlichen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Maßstab für das Ausmaß der objektiven Sorgfaltspflicht ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Nicht aber schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl VwGH vom 12. Juni 1989, 88/10/0169). Die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt kann dem Täter iSd § 6 Abs.1 StGB nur dann vorgeworfen werden, wenn es ihm unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden (vgl ua VwGH vom 6. März 1981, 235/80). Der Lenker muß den Geschehnissen um sein Fahrzeug volle Aufmerksamkeit zuwenden (vgl VwGH vom 14. Dezember 1988, 88/03/0084). Den Lenker eines Fahrzeuges trifft in bestimmten - etwa in riskanten - Verkehrssituationen die Verpflichtung, erhöhtes Augenmerk darauf zu richten, ob sein Fahrmanöver zu einem Verkehrsunfall geführt hat oder ohne Folgen geblieben ist, weshalb er gegebenenfalls das Geschehen hinter ihm im Rückspiegel seines Kraftfahrzeuges zu beobachten und sich zu vergewissern hat, ob sein Fahrverhalten nicht für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist (vgl VwGH vom 28. Juni 1991, 91/18/0102). Eine Beobachtung des Nachfolgeverkehrs ist nicht nur durch einen Blick in den Rückspiegel, sondern auch durch einen Blick über die Schulter möglich (vgl VwGH vom 17. April 1991, 90/02/0209). Abgesehen davon, daß die Rechtsmittelwerberin schon beim Entschluß, das Überholmanöver vor dem herankommenden Gegenverkehr doch noch durchzuführen, in der Lage gewesen sein muß, die Geschwindigkeit des Gegenverkehrs im Sinne eines vorausschauenden Zeit-Weg-Diagrammes abzuschätzen und daß sie schon aus diesen Überlegungen das Überholmanöver gar nicht hätte beginnen dürfen, muß ihr in dessen Verlauf aufgefallen sein, daß der Zeuge S seine Geschwindigkeit, nach den Bremsspuren zu schließen, offenbar drastisch vermindert hat und daß er aufgrund des großen Sicherheitsabstandes des Beschuldigtenfahrzeuges zur Radfahrerin nicht mehr in der Lage sein würde, seinen PKW gefahrlos an den beiden Fahrzeugen im Gegenverkehr vorbeizubewegen. Selbst wenn die Rechtsmittelwerberin, wie sie selbst angegeben hat, darauf geachtet hat, die Radfahrerin nicht zu schneiden, muß ihr aufgefallen sein, daß der PKW S von der Fahrbahn abkam, weil die von ihr durch einen Blick in den Rückspiegel wahrgenommene Staubwolke, die mit dem asphaltierten Belag der J Bezirksstraße nicht in Einklang zu bringen wäre, als Anzeichen dafür zu deuten war, daß keine gefahrlose Weiterfahrt des PKW S erfolgt ist. Es hätte für die Rechtsmittelwerberin jederzeit die Möglichkeit bestanden, sofort anzuhalten - ein diesbezüglicher Tatvorwurf wurde ihr aus nicht nachvollziehbaren Gründen nie gemacht - und sich zu vergewissern, ob ihr Fahrverhalten nicht für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Dabei hätte ihr auch auffallen müssen, daß der PKW quer über die Fahrbahn ins Schleudern gekommen und sich überschlagend im angrenzenden Pferdebohnenfeld gelandet war. Daß bei solchen Unfallabläufen schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Möglichkeit der Verletzung von Personen besteht, liegt auf der Hand, sodaß die Rechtsmittelwerberin verpflichtet gewesen wäre, sich vom Gegenteil zu überzeugen. Eine solche Vorgangsweise war ihr nicht nur objektiv und subjektiv sondern auch nach den Verhältnissen des Einzelfalls jedenfalls zuzumuten. Sie hat daher den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG vor allem dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung entspricht, als auch den finanziellen Verhältnissen der Rechtsmittelwerberin angemessen ist (13.000 S netto monatlich, Sorgepflichten für drei Kinder).

Bereits von der Erstinstanz wurde die Unbescholtenheit als Milderungsgrund berücksichtigt, erschwerend war kein Umstand. Eine Herabsetzung der ohnehin niedrigen Strafe war nicht gerechtfertigt. Die verhängte Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.2 StVO 1960 sieht Geldstrafen von 500 S bis 30.000 S bzw Ersatzfreiheitsstrafen von 24 Stunden bis zu sechs Wochen vor) und soll die Rechtsmittelwerberin zur genauesten Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften anhalten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Beweisverfahren ergab unfallkausales Verhalten der Berufungswerberin, Nichtmeldung erwiesen -> Bestätigung, 1.000 S gerechtfertigt.

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