Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104914/2/Ki/Shn

Linz, 09.12.1997

VwSen-104914/2/Ki/Shn Linz, am 9. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Mag. T, vom 8. August 1997 gegen das Straferkenntnis der BH Linz-Land vom 22. Juli 1997, VerkR96-22281-1996-Hu, zu Recht erkannt:

I: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II: Zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz hat der Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 140 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlage: zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 22. Juli 1997, VerkR96-22281-1996-Hu, über den Berufungswerber (Bw) gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 700 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des PKW, Kz., trotz schriftlicher Aufforderung der BH Linz-Land vom 12.2.1997, Zl. VerkR96-22281-1996, nicht binnen zwei Wochen, nämlich in der Zeit vom 14.2.1997 bis 28.2.1997, der Behörde Auskunft darüber erteilt hat, wer dieses Fahrzeug am 1.10.1996 um 16.22 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann (verletzte Rechtsvorschrift: § 103 Abs.2 KFG 1967). Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 70 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 8. August 1997 Berufung mit dem Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat möge in Stattgebung des vorliegenden Rechtsmittels das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verfahren einstellen. Der Bw bestreitet nicht, daß er der Behörde mitgeteilt habe, daß er im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens keine Auskunft erteilen werde. Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß das zugrundeliegende Delikt der Geschwindigkeitsüberschreitung im sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich der BPD Linz begangen wurde. Sowohl nach dem KFG als auch nach dem VStG sei zur Führung des diesbezüglich einzuleitenden Verfahrens die BPD Linz zuständig.

Nur in den in § 29a VStG genannten Ausnahmefällen könne von diesem Grundsatz Abstand genommen werden und das Strafverfahren an jene Behörde abgetreten werden, in deren Zuständigkeitsbereich der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt habe. Die Anwendung dieser Bestimmung setze aber zwingend die Einleitung eines Strafverfahrens gegen eine konkret bestimmte Person voraus. Nur so könne einerseits den Beschleunigungsintentionen dieser Bestimmung entsprochen werden und entspreche diese Überlegung auch dem zwingenden Wortlaut des § 29a VStG. Daraus erhelle, daß bereits anläßlich der Abtretung des gegenständlichen Aktes an die BH Linz-Land ein Strafverfahren gegen ihn wegen des Verdachtes der Übertretung des § 52 StVO eingeleitet worden wäre.

Wenn nunmehr im Zuge dieses Strafverfahrens die Erstbehörde die Bestimmung des § 103 KFG zur Anwendung gebracht habe und davon ausgehe, daß er im Rahmen dieser Bestimmung zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen verhalten sei, so entspreche dies nicht der diesbezüglichen Gesetzeslage, sondern sei diese Anfrage von der unzuständigen Behörde ergangen, sodaß er zur Beantwortung dieser Anfrage nicht veranlaßt gewesen sei. Dem liege zugrunde, daß die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG eine Ausnahmebestimmung insoferne darstelle, daß sie ein eigenes außerhalb des Strafverfahrens zu führendes Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Erforschung eines Fahrzeuglenkers ermögliche. Im Hinblick auf das durch dieses normierte auch im Verfassungsrang stehende Auskunftsrecht, welches im Spannungsfeld sowohl zu den Bestimmungen des Art.5 und 6 MRK als auch zu Art.90 BVG stehe, sei die Anwendung dieses Rechtes einschränkend auszulegen und mit möglichster Schonung der in der MRK und im BVG normierten Rechte des Beschuldigten anzuwenden.

Daß das Auskunftsrecht nach § 103 Abs.2 KFG kein im Strafverfahren zur Anwendung gelangendes Recht darstelle, sondern ein eigenständiges Ermittlungsverfahren diesbezüglich einzuleiten sei, gehe auch aus § 123 KFG hervor, welches hinsichtlich der Verfahrensvorschriften auf § 39 AVG verweise. Auch daraus erhelle, daß § 103 KFG nicht die Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren tangiere, sondern eben ein eigenständiges Ermittlungsverfahren darstelle. Unter Zugrundelegung dieser Überlegungen zeige sich, daß die zuständige Behörde, der das Recht zur Anfrage nach § 103 KFG zukomme, die BPD Linz gewesen wäre, sodaß die von der erstinstanzlichen Behörde gestellte Anfrage jedenfalls von der unzuständigen Behörde erfolgt sei und somit von ihm nicht zu beantworten gewesen wäre.

Darüber hinaus müsse darauf hingewiesen werden, daß § 103 KFG keinesfalls eine Einschränkung der Beschuldigtenrechte in einem eingeleiteten Strafverfahren ermögliche, sondern den Beschuldigten im Strafverfahren selbstverständlich nach wie vor die im BVG und MRK normierten Grundrechte zustehen würden.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte unterbleiben, zumal im bekämpften Bescheid keine 3.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und wie folgt erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Fahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen.

Der Bw ist unbestritten Zulassungsbesitzer des tatgegenständlichen Kraftfahrzeuges und er hat der Behörde auf Anfrage hin bekanntgegeben, daß er von seinem Recht Gebrauch mache, in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren keine Auskunft zu erteilen.

Wenn der Bw vermeint, zum Zeitpunkt der Anfrage sei gegen ihn bereits ein Strafverfahren eingeleitet worden, so entspricht dies nicht der Tatsache. Der Bw war zum Zeitpunkt der Anfrage noch keineswegs Beschuldigter iSd VStG, zumal gegen ihn noch keinerlei Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG gerichtet war. Der Behörde war vorerst lediglich das Kennzeichen jenes Kraftfahrzeuges bekannt, mit welchem die angezeigte Verwaltungsübertretung begangen wurde und es diente die vorliegende Anfrage vorerst letztlich der Ermittlung jener Person, welche das Fahrzeug tatsächlich gelenkt hat, um gegen diese Person in der Folge eine Verfolgungshandlung zu richten bzw ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten. Der Bw wäre demnach Kraft der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 verpflichtet gewesen, die entsprechende Auskunft zu erteilen.

Was das Vorbringen anbelangt, eine Abtretung gemäß § 29a VStG wäre im vorliegenden Fall nicht zulässig gewesen, so wird festgestellt, daß die Frage, ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vorgehens der Behörde bestimmt (vgl VwGH 87/03/0119 vom 23.9.1987 ua). Demgemäß richtet sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer auf § 29a VStG gestützten Übertragung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht danach, ob im nach der Übertragung durchgeführten Verfahren tatsächlich eine wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung erzielt wurde, sondern danach, ob die übertragende Behörde im Zeitpunkt ihres Vorgehens nach der angeführten Gesetzesstelle begründet der Auffassung sein konnte, durch die Übertragung des Verfahrens an eine andere Behörde werde der angeführte Erfolg eintreten (vgl VwGH 92/10/0419 vom 25.1.1993 ua).

Nach der zitierten Judikatur des VwGH ist das Zutreffen der Voraussetzungen des § 29a VStG nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vorgehens der Behörde zu beurteilen und es war unter diesem Aspekt im Hinblick auf den Wohnsitz des Zulassungsbesitzers nicht denkunmöglich, daß letztlich die BH Linz-Land zur Verfolgung der angezeigten Straftat örtlich zuständig werden könnte.

Darüber hinaus hat der VwGH auch festgestellt, daß eine Übertragung des Verfahrens an die sachlich zuständige Wohnsitzbehörde dann zulässig ist, wenn zunächst nur das Kennzeichen eines Kraftfahrzeuges, nicht jedoch der Lenker zur Tatzeit bekannt war (VwGH 88/10/0026 vom 6.2.1989). Die erkennende Berufungsbehörde vertritt daher die Auffassung, daß im vorliegenden Fall die Abtretung iSd § 29a VStG im Hinblick darauf, daß der Bw Zulassungsbesitzer des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges war, durchaus mit der Rechtslage in Einklang steht und es kann diesbezüglich eine Rechtswidrigkeit nicht festgestellt werden. Die Zuständigkeit der Erstbehörde, sowohl zur Anfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 als auch zur Durchführung des in dieser Angelegenheit geführten Strafverfahrens war gegeben.

Was das vom Bw angesprochene Spannungsfeld sowohl zu den Bestimmungen der MRK als auch zur Art.90 BVG anbelangt, so werden diese Bedenken im Hinblick auf die Judikatur des VfGH nicht geteilt. Der VfGH hat die Verfassungsbestimmung des § 103 Abs.2 (letzter Satz) KFG bereits geprüft und es wurde diese Bestimmung als im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG sowie mit Art.6 MRK stehend festgestellt (VfGH G72/88 vom 29.9.1988 ua). Die Berufungsbehörde weist weiters darauf hin, daß ungeachtet des Umstandes, daß eine Lenkeranfrage auch anderen Zwecken als denen der Ausforschung eines Straßenverkehrstäters dienen kann (vgl VwGH 89/18/0085 vom 7.7.1989), weshalb grundsätzlich jede Anfrage durch eine Behörde iSd § 103 Abs.2 KFG 1967 zu beantworten ist. Die Erstbehörde hatte daher im Hinblick darauf, daß mit dem Kraftfahrzeug des Bw eine verwaltungsstrafrechtlich relevante Handlung begangen wurde, jedenfalls das Recht, die gegenständliche Lenkeranfrage vorzunehmen.

Der Argumentation des Bw, wonach die gegenständliche Lenkeranfrage ein eigenes Administrativverfahren darstellt, ist beizupflichten. Gerade dieser Umstand muß jedoch dazu führen, daß grundsätzlich jede Behörde iSd 103 Abs.2 KFG 1967 berechtigt ist, eine entsprechende Lenkeranfrage zu stellen.

Zusammenfassend wird daher festgestellt, daß die dem Bw vorgeworfene Verwaltungsübertretung als erwiesen angesehen wird.

Was die Strafbemessung (§ 19 VStG) anbelangt, so wird darauf hingewiesen, daß die verletzte Verwaltungsvorschrift vor allem dazu dient, daß Übertretungen der Verkehrsvorschriften auch in den Fällen wirkungsvoll geahndet werden können, in denen das Fahrzeug nicht angehalten werden konnte.

Aus den dargelegten Gründen ist gerade auch in den Fällen des § 103 Abs.2 KFG eine äußerst strenge Bestrafung geboten und es ist bei dem gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 30.000 S) die von der Erstbehörde verhängte Geld- bzw Ersatzfreiheitsstrafe durchaus tat- und schuldangemessen. Die Erstbehörde hat die bisherige Unbescholtenheit des Bw als strafmildernd gewertet, aus den erstbehördlichen Verfahrensunterlagen geht jedoch hervor, daß über den Bw bereits mehrere Geldstrafe insbesondere auch wegen Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 verhängt wurden. Dieser Umstand darf jedoch im Berufungsverfahren nicht zu einer Erhöhung des festgelegten Strafausmaßes führen. Weitere straferschwerende Gründe konnten auch durch die Berufungsbehörde nicht festgestellt werden. Auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurde ebenfalls Bedacht genommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilagen Mag. K i s c h Beschlagwortung: Eine Abtretung nach § 29a VstG ist auch vor Einleitung eines Strafverfahrens, etwa im Fall des § 103 (2) KFG, zulässig.

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