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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104947/12/WEG/Ri

Linz, 20.10.1998

VwSen-104947/12/WEG/Ri Linz, am 20. Oktober 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des W K, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M D und Dr. G S-L, vom 17. September 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 5. September 1997, VerkR96-35-1997-Pre, zu Recht erkannt:

Die Berufung hinsichtlich der Tatbildmäßigkeit zu den Spruchpunkten 1., 2., 3., 4a des Straferkenntnisses wird abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufung hinsichtlich des Spruchpunktes 4b wird Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Der strafsatzändernde Tatbestand des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 hinsichtlich der unter I. dieses Erkenntnisses genannten Verwaltungsübertretungen wird auf den Straftatbestand des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 geändert.

Kosten: Der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der ersten Instanz ermäßigt sich auf 650 S. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm. § 24, § 19, § 44a Z1 (zu I.), § 45 Abs.1 Z1 (zu II.), § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG (zu IV.).

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft B hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 18 Abs.1, 2.) § 16 Abs.2 lit.b, 3.) § 16 Abs.1 lit.a, 4a) § 16 Abs.1 lit.c und 4 b) § 9 Abs.1, jeweils StVO 1960, jeweils in Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, Geldstrafen von 1.) 1.000 S, 2.) 2.000 S, 3.) 1.500 S, 4a) 2.000 S und 4b) 800 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Arreststrafen von 1.) 48 Stunden, 2.) 72 Stunden, 3.) 72 Stunden, 4a) 72 Stunden und 4 b) 36 Stunden verhängt, weil dieser am 5. November 1996 um 8.10 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen B auf der B von M kommend in Richtung U gelenkt hat und 1.) von ca. Strkm. bis ca. Strkm. in F, Gemeinde S, beim Fahren hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B keinen solchen Abstand eingehalten hat, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, zumal er bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 80 km/h einen Abstand von ca. 2 - 3 m eingehalten habe; 2.) bei Strkm., im Bereich einer dort befindlichen unübersichtlichen Rechtskurve überholt habe, obwohl das Überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen z.B. vor unübersichtlichen Kurven verboten ist; 3.) bei Strkm das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen überholt habe, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten und die Lenkerin des entgegenkommenden Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen habe abbremsen müssen um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern; 4.) kurz vor der Eisenbahnkreuzung in H, bei Strkm. verbotenerweise a) 4 Personenkraftwagen überholt habe, obwohl er nicht einwandfrei erkennen habe können, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr hätte einordnen können und dabei b) eine Sperrlinie überfahren hat.

Durch sein Verhalten bei der gegenständlichen Fahrt habe er mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen (deshalb erfolgten fünf Bestrafungen nach § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960).

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von insgesamt 730 S in Vorschreibung gebracht.

Dagegen bringt der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber rechtzeitig und auch sonst zulässig nachstehende Berufung ein (wörtliche Wiedergabe):

....."In umseits bezeichneter Rechtssache erstattet der Beschuldigte gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B VerkR 96-35-1997-Pre vom 5.9.1997, zugestellt am 11.9.1997, sohin binnen offener Frist nachstehende B E R U F U N G an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich.

Der angefochtene Bescheid wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten und es wird die ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides beantragt.

Im einzelnen werden folgende Berufungsgründe geltend gemacht:

1. unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige Beweiswürdigung 2. Mangelhaftigkeit des Verfahrens 3. unrichtige rechtliche Beurteilung 1. Zur unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung:

Richtig ist, daß ich beim Fahren hinter dem PKW, B, einen zu geringen Abstand eingehalten habe.

Dieser Abstand betrug jedoch nicht ca. 2 - 3 Meter sondern 3 - 4 Meter.

Der Abstand zwischen dem PKW B und meinem PKW war deswegen gering, da ich bereits ein Überholmanöver beabsichtigt hatte. Außerdem war nicht damit zu rechnen, daß die Lenkerin des vor mir fahrenden PKW's, B plötzlich abrupt bremsen würde. Mit einem abrupten bremsen ist eher bei Ortsdurchfahrten und nicht im Freilandgebiet zu rechnen.

Aufgrund der gegebenen örtlichen Umstände (Freilandgebiet, keine Häuser neben der Straße) und der Tatsache, daß der vor mir fahrende PKW konstant eine Geschwindigkeit von 80 km/h einhielt, schien mir ein kurzzeitiger Abstand von 4 - 5 Meter vor dem beabsichtigten Überholmanöver ausreichend. Betonen möchte ich außerdem, daß ich vor und während des Überholmanövers äußerst konzentriert mein Fahrzeug lenkte.

Im übrigen habe ich mein diesbezügliches Fehlverhalten von Anfang an eingesehen und eingestanden.

Mir wird vorgehalten, daß ich bei Straßenkilometer im Bereich einer unübersichtlichen Rechtskurve überholt hätte. Ursprünglich führte die Erstbehörde dazu aus, daß ich bei ca. Straßenkilometer trotz Gegenverkehr den PKW B vor einer unübersichtlichen Rechtskurve überholt hätte. Nicht richtig sind die Feststellungen der Erstbehörde, wonach die Rechtskurve unübersichtlich sei. Im Rahmen des Überholmanövers habe ich sukzessive an Sicht auf einen allfälligen Gegenverkehr gewonnen.

Die Aussagen der Gendarmeriebeamten Bezirksinspektor P und Gedarmerieinspektor S, wonach ich mein Überholmanöver bei Straßenkilometer , begonnen hätte, sind unrichtig Nach den Angaben der Gendarmeriebeamten hätte die Zeugin H mit ihrem PKW bei einer Distanz von 20 - 30 Meter vom begonnenen Überholvorgang abgebremst.

Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß hier eklatante Widersprüche bzw technische Unmöglichkeiten gegeben sind. Die diesbezüglichen Angaben der Gendarmeriebeamten sind daher nicht richtig.

Die Aussagen der Gendarmeriebeamten sind außerdem widersprüchlich. Anfangs wird behauptet, ich hätte den Überholvorgang bei Straßenkilometer begonnen. Bei der Niederschrift vom 20.3.1997 wiederum wird behauptet, ich hätte den Überholvorgang bei Straßenkilometer begonnen.

Den ersten Überholvorgang habe ich wesentlich früher, nämlich bei Straßenkilometer begonnen. Ich hatte dabei eine freie Sicht von mindestens 400 Meter auf einen allfälligen Gegenverkehr.

Ganz offensichtlich hat der Gegenverkehr eine wesentlich überhöhte Geschwindigkeit eingehalten, sodaß folglich aus der Sicht der Gendarmeriebeamten tatsächlich eine "kritische Situation" entstanden ist.

Aus völlig unerklärlichen Gründen sind für die Erstbehörde die Aussagen der obgenannten Gendarmeriebeamten exakt. Dies trotz der Tatsache der differierenden Straßenkilometerangaben.

Bestritten wird, daß ich den von Revierinspektor P gelenkten PKW nach dem Überholmanöver abgedrängt habe.

Weiters wird mir vorgehalten, ich hätte bei Straßenkilometer neuerlich eine Kolonne von 4 PKW's überholt und dabei eine Sperrlinie überfahren. Nach den Aussagen des Gendarmerieinspektor S vom 29.1.1997 hätte ich diesen Überholvorgang erst bei Straßenkilometer begonnen! Für die Gendarmeriebeamten war es unmöglich, dies zu beobachten, da weitere 4 PKW's zwischen meinem PKW und dem von Bez. Insp. P gelenkten PKW fuhren.

Anläßlich des Lokalaugenscheines vom 20.3.1997 wurde festgestellt, daß der Bahnübergang sich bei Straßenkilometer befindet. Demnach hätte ich den Überholvorgang unmittelbar vor dem Bahnübergang begonnen. Dies ist keinesfalls richtig. Die Kolonne, bestehend aus 4 Fahrzeugen begann ich bei ca. Straßenkilometer zu überholen. Da diese Fahrzeuge eine wesentlich geringere Geschwindigkeit als ich einhielten, konnte ich den Überholvorgang rasch und jedenfalls vor der Sperrlinie der Eisenbahnkreuzung abschließen.

Unrichtig ist daher, daß ich beim Überholen der 4 PKW's die Sperrlinie vor der Eisenbahnkreuzung überfahren haben soll.

Um Wiederholungen zu vermeiden verweise ich nochmals auf die erheblichen Abweichungen der Angaben der Gendarmeriebeamten.

Weiters wirft mir die Erstbehörde Uneinsichtigkeit vor und unterstellt mir, daß ich nicht gewillt sei, die Vorschriften der StVO einzuhalten. Uneinsichtigkeit kann mir nicht vorgeworfen werden, da die beiden Überholvorgänge nicht gefährlich waren.

Ich sehe im nachhinein sehr wohl ein, daß der Abstand zwischen dem PKW B und meinem PKW zu gering war. Zum damaligen Zeitpunkt war für mich jedoch eine solche Gefährdung aus den oben erwähnten Gründen nicht zu erkennen.

2. Zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

In der Stellungnahme vom 22.5.1997 habe ich bereits auf die Widersprüche der obgenannten Zeugen und dem Sachverständigengutachten hingewiesen und bemängelt, daß sich die Erstbehörde nicht mit der Stellungnahme und den Beweisanträgen auseinandergesetzt hätte.

In dem von mir nun angefochtenen Bescheid der Erstbehörde vom 5.9.1997 wird wiederum nicht konkret angegeben, weshalb den Gendarmeriebeamten mehr Glauben geschenkt wird als meinen Angaben.

Die Erstbehörde würdigt die Aussagen der Gendarmeriebeamten unter dem Vorwand, diese stünden unter Diensteid.

Die Erstbehörde übersieht dabei, daß eine vorgreifende Beweiswüdigung die darin besteht, daß der Wert des Beweises abstrakt (im vorhinein) beurteilt wird, unzulässig ist (siehe VwGH 25.2.1969, Z. 1214/68). Zwar kommt den Angaben eines Beamten im Hinblick auf seine besondere Stellung ansich erhöhte Bedeutung zu, trotzdem begründet die Organeigenschaft allein keinen ausreichenden Beweis (vgl. VwSlgNF 9602 A):

Da hinsichtlich dem mir vorgeworfenen Verhalten widersprüchliche Zeugenaussagen gegeben sind, hätte die Erstbehörde auf diese genau eingehen müssen und konkret begründen müssen, weshalb sie den Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten mehr Glauben schenkt.

Die Überlegungen, die im Zuge der Beweiswürdigung angestellt wurden, sind in die Begründung eines Bescheides aufzunehmen:

Unschlüssig ist auch das Sachverständigengutachten und ich verweise dazu auf meine Rechtfertigung vom 22.5.1997 3. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

Voraussetzung für eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. c ist, daß der Lenker eines Fahrzeuges unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die entsprechenden Vorschriften verstößt, insbesondere Fußgänger oder Radfahrer gefährdet oder behindert. Hingewiesen wird, daß bei meinen Überholmanövern sich keine Radfahrer oder Fußgänger auf den betreffenden Straßenstücken befanden. Außerdem waren keine "besonders gefährlichen Verhältnisse", wie zum Beispiel Geschwindigkeitsüberschreitung, beeinträchtigte Sichtverhältnisse, ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen, mangelnde Straßenbreite, mangelnde geistige oder körperliche Verfassung, gegeben. Für die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse im Sinne des § 99 Abs. 2 lit.c reicht ein die besondere Gefährlichkeit betreffendes Sachverhaltselement nicht aus. Der Spruch der Erstbehörde enthält keine konkreten Umstände, die eine in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit.c begangene Verwaltungsübertretung betreffen. (vgl. VwGH 20.2.1997, ZVR 1992/41.

A N T R Ä G E :

Vorlage des Aktes an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich als Berufungsbehörde. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und das Verfahren einstellen. In eventu, möge dem Bescheid insoferne Folge gegeben werden, als die Geldstrafe um ein erhebliches Maß herabgesetzt wird. In eventu, möge der angefochtene Bescheid aufgehoben werden und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde zurückverwiesen werden.

M W K" Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschuldigten wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und am 22. April 1998 durchgeführt. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde auch ein Lokalaugenschein abgehalten.

Befragt wurde bei dieser Verhandlung der Beschuldigte selbst, zeugenschaftlich vernommen wurden die Gendarmeriebeamten Gr. Insp. S und Abteilungsinspektor P. Ing. R vom Amt der Oö. Landesregierung wurde als straßenverkehrstechnischer Amtssachverständiger der Verhandlung beigezogen.

Entsprechend der eben angeführten Beweismittel steht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren hinlänglichen Sicherheit folgendes fest:

zu 1.: Der Beschuldigte lenkte zu der im Straferkenntnis angeführten Zeit den verfahrensgegenständlichen PKW auf der B von M kommend in Richtung U. Bevor es zum Überholen des vor dem Beschuldigten fahrenden PKW's mit dem Kennzeichen B kam, nämlich vor Strkm. fuhr der Beschuldigte mit seinem PKW auf den eben genannten PKW auf und hielt dabei mehrere hundert Meter hindurch lediglich einen Abstand von ca. 3 m ein. Die Geschwindigkeit betrug dabei ca. 80 km/h.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen beträgt bei einer Reaktionszeit von 0,8 sec. der Mindestsicherheitsabstand 17,7 m, bei der theoretisch erreichbaren Reaktionszeit von 0,5 sec. ergäbe sich ein Mindestsicherheitsabstand von ca. 11 m. Daraus ergibt sich, daß - selbst wenn man von einem tatsächlichen Abstand von ca. 4 m ausginge, was der Beschuldigte selbst eingestanden hat, der Sicherheitsabstand bei weitem zu gering war.

zu 2. und 3.: Etwa bei Strkm begann der Berufungswerber sein Überholmanöver, wobei die Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges mit dem Kennzeichen B ca. 80 km/h betrug und der Beschuldigte bei diesem Überholmanöver auf ca. 110 km/h beschleunigte. Das Vorbeibewegen des überholenden Fahrzeuges am überholten Fahrzeug endete ca. bei Kilometer wobei der Fahrstreifen noch nicht gewechselt wurde, das Einordnen schließlich war bei ca. Kilometer beendet. Eine entgegenkommende PKW-Lenkerin namens H mußte, weil diese Bundesstraße nur zwei Fahrstreifen aufweist, ihren PKW abrupt abbremsen und bei Kilometer (Wieseneinfahrt) anhalten, um einem Frontalzusammenstoß zu entgehen. Beim Lokalaugenschein wurde vom Sachverständigen ermittelt, daß unter den angeführten Prämissen die erforderliche Überholsichtweite 222 m hätte betragen müssen, während die Erkennungsentfernung auf den Gegenverkehr maximal 200 m (günstigste Version für den Berufungswerber) betrug. Nachdem dieses Straßenstück eine unübersichtliche Rechtskurve darstellt, fand ein Überholmanöver statt, welches einerseits vor einer unübersichtlichen Kurve und andererseits durchgeführt wurde, obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden konnten. Eine Sperrlinie war auf diesem Straßenstück nicht angebracht. Die rechtliche Würdigung vorwegnehmend wird festgestellt, daß der Berufungswerber mit diesem Überholmanöver kumulativ gegen § 16 Abs.1 lit.a und § 16 Abs.2 lit.b, jeweils StVO 1960, verstoßen hat.

zu 4a: Nach diesem äußerst rücksichtslos durchgeführten Überholmanöver schloß der Berufungswerber unter Beibehaltung seiner Geschwindigkeit von ca. 110 km/h auf eine Kolonne, bestehend aus vier Fahrzeugen, auf. Diese Kolonne näherte sich der Eisenbahnkreuzung bei Kilometer. Diese Eisenbahnkreuzung ist durch eine Lichtsignalanlage gesichert und ist diese Eisenbahnkreuzung durch Bahnbaken hinreichend angezeigt. Die vor dem Beschuldigten fahrenden PKW's hatten eine Geschwindigkeit von ca. 80 km/h inne und fuhren etwa im Abstand von jeweils 20 m hintereinander. Der Berufungswerber begann das Überholmanöver etwa bei Kilometer und beschleunigte dabei auf ca. 110 km/h. Das Überholmanöver wurde nach Aussagen des Beschuldigten selbst erst nach der Eisenbahnkreuzung beendet. Zu den Sichtverhältnissen im Bereiche dieser Eisenbahnkreuzung ist noch auszuführen, daß die Sicht auf den Gegenverkehr dadurch beeinträchtigt war, daß sich auf der linken Seite Pflanzen einer Baumschule bzw. in der weiteren Folge sich ein auf der linken Straßenseite direkt bei der Eisenbahnkreuzung stehendes Häuschen befindet. Der Berufungswerber benötigte nach den Berechnungen des Sachverständigen für dieses Überholmanöver einen Überholweg von ca. 460 m, womit evident ist, daß der Berufungswerber bei den gegebenen Sichtverhältnissen (Sichtweite ca. 300 m) vier PKW's überholt hat, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr hätte einordnen können.

zu 4b: Im übrigen überfuhr der Berufungswerber im Zuge dieses Überholmanövers eine Sperrlinie bei Strkm, welche nach den von der Bezirkshauptmannschaft B vorgelegten Unterlagen am 24.3.1997 (also nach der Tatzeit) verordnet wurde. Es ist nach den Aktenunterlagen davon auszugehen, daß zur Tatzeit diese Sperrlinie nicht verordnet war.

Ermittelt wurden noch die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten. Dieser bringt vor, als Bäckergeselle ca. 14.800 S per Monat zu verdienen, hat keine Sorgepflichten und ist vermögenslos. Von den im Vorstrafenverzeichnis aufscheinenden fünf Verwaltungsübertretungen sind vier getilgt. Es verbleibt eine Übertretung nach § 102 Abs.4 KFG 1967 vom 6. August 1996.

Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven nicht überholen, es sei denn die Fahrbahn ist durch eine Sperrlinie geteilt und diese Linie wird vom überholenden Fahrzeug nicht überragt.

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf nicht überholt werden, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten.

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf nicht überholt werden, wenn der Lenker nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Der oben dargestellte und auch vom Berufungswerber im wesentlichen eingestandene Sachverhalt läßt sich unschwer unter die eben zitierten gesetzlichen Bestimmungen subsumieren, wobei der Sachverhalt mit der selben Chronologie behaftet ist, wie die eben zitierten gesetzlichen Bestimmungen.

Damit steht fest, daß der Berufungswerber die unter 1., 2., 3. und 4a des Straferkenntnisses zum Vorwurf gemachten Verwaltungsübertretungen begangen hat und zu bestrafen ist. Die unter 4b (Überfahren der Sperrlinie) zum Vorwurf gemachte Verwaltungsübertretung mußte, weil dieser Sperrlinie keine Verordnung zugrunde liegt, iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt werden.

Die Erstbehörde hat bei allen Verwaltungsübertretungen die strafsatzändernde Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.c angewendet und dazu hinsichtich aller Verwaltungsübertretungen ausgeführt, daß der Beschuldigte bei der gegenständlichen Fahrt durch sein Verhalten mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen hat.

Auch die Berufungsbehörde ist der Meinung, daß zu den einzelnen Tatbildern der StVO 1960 ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern hinzutritt und somit die Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 gerechtfertigt wäre.

Gemäß § 44a Z1 VStG ist aber sowohl die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern als auch das qualifizierte Verhalten, das diese Rücksichtslosigkeit begründet, in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen. Der einzige Spruchteil, der die besondere Rücksichtslosigkeit beinhaltet, liegt im Vorwurf, der Beschuldigte hätte bei der gegenständlichen Fahrt durch sein Verhalten mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber den "Vorschriften der Straßenverkehrsordnung" verstoßen. Abgesehen davon, daß nichteinmal der Vorwurf erhoben wurde, mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber "anderen Straßenbenützern" gegen die Vorschriften der StVO verstoßen zu haben, wird dieser Spruchteil nicht dem durch den VwGH ausgeformten § 44a Z1 VStG gerecht. Die Behörde hätte hinsichtlich jedes einzelnen Deliktes die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützer als auch das die besondere Rücksichtslosigkeit qualifizierende Verhalten in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen gehabt. Im übrigen ergibt nicht die Summe der gesetzten Tathandlungen eine Übertretung nach § 99 Abs.2 lit.c. Die in der Begründung (ebenfalls mangelhaft) enthaltenen Passagen betreffend die besondere Rücksichtslosigkeit können das aufgezeigte Manko nicht beseitigen.

Eine (vom Sachverhalt an sich gerechtfertigte) Korrektur des Spruches ist nicht mehr möglich. Es müßte nämlich innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ein diesbezüglich ausreichender Strafvorwurf erhoben werden. In der in Betracht kommenden Verfolgungshandlung vom 28. April 1997 ist jedoch die selbe und somit nicht ausreichende Passage enthalten wie im Straferkenntnis.

Dem Berufungswerber kann sohin lediglich zur Last gelegt werden, gegen die §§ 18 Abs.1, 16 Abs.2 lit.b, 16 Abs.1 lit.a und 16 Abs.1 lit.c, jeweils StVO 1960, jeweils iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verstoßen zu haben.

Zur Strafhöhe:

Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Der Strafrahmen beträgt gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S bzw. im Falle der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Arrest.

Selbst wenn nunmehr ein anderer und somit geringerer Strafrahmen zur Anwendung gelangt, ist die Berufungsbehörde infolge des groben Fehlverhaltens des Beschuldigten (Gefährlichkeit der einzelnen Taten) der Ansicht, daß mit keiner Strafminderung vorzugehen ist. Dies umsomehr, als keine mildernden Umstände bekannt wurden und auch die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten nicht unter dem Durchschnitt liegen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Wegschaider

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