Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200151/2/Gf/Km

Linz, 10.06.1994

VwSen-200151/2/Gf/Km Linz, am 10. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des J, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried vom 5. Mai 1994, Zl. Agrar96-78/9-1993-Hö, wegen Übertretung des Viehwirtschaftsgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z.1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried vom 5. Mai 1994, Zl. Agrar96-78/9-1993-Hö, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er in seinem Tierhaltungsbetrieb insgesamt 65 Kühe und 3 Mastrinder gehalten habe, ohne hiefür die - wegen Überschreitung des bewilligungsfreien Gesamttierbestandes - gesetzlich erforderliche Haltungsbewilligung zu besitzen; dadurch habe er eine Übertretung des § 13 Abs. 1 bis 3 des Viehwirtschaftsgesetzes, BGBl.Nr.

621/1983, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 374/1992 (im folgenden: ViehWG), begangen, weshalb er gemäß § 27 Abs. 4 ViehWG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Berufungswerber am 10. Mai 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 23. Mai 1994 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß am 27. November 1993 eine amtstierärztliche Kontrolle im Betriebsstandort E einen Bestand von u.a. 29 Kühen und 38 Mastrindern ergeben und der Berufungswerber dabei dem Amtstierarzt gegenüber freiwillig und durch Unterschrift bestätigt angegeben habe, darüber hinaus im Betriebsstandort G weitere 36 Kühe und 1 Mastrind zu halten, wobei von diesen insgesamt 65 Kühen und 39 Mastrindern mit Sicherheit zwar lediglich 3 Zuchtstiere nicht als nicht einrechenbar - und damit die potentielle Bewilligungspflicht begründend - angesehen hätten werden können; da eine Bewilligungspflicht jedoch bereits bei einer Überschreitung der Anzahl von 50 Kühen einsetze, sei die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns des Berufungswerbers sohin offenkundig, wobei ihm aufgrund des Umstandes, daß ihm die Tierbestandsgrenzen aus einem früheren Verfahren bekannt sein mußten, vorsätzliche Begehungweise zur Last zu legen gewesen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Berufungswerbers - da dieser entsprechende Angaben verweigert habe - von Amts wegen zu schätzen und dessen bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu berücksichtigen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Rechtsmittelwerber vor, daß die Annahme des Amtstierarztes betreffend den Betriebsstandort G nur auf einem Irrtum beruhen könne, weil er dort nicht 36 Kühe, sondern insgesamt nur 36 Stück Vieh, nämlich 13 Kühe mit Kälbern und 1 Zuchtstier, gehalten hätte. Daher hätte er auch bei der belangten Behörde beantragt, den tatsächlichen Viehbestand zu kontrollieren, was diese jedoch abgelehnt habe.

Da aber Kälber nicht zum "Bestand" im Sinne des § 13 Abs. 2 ViehWG zählten, sei somit der höchtzulässige bewilligungsfreie Gesamtbestand nicht überschritten worden; folglich liege auch keine strafbare Handlung vor.

Aus diesem Grund wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Ried zu Zl.

Agrar96-78/9-1993; da bereits aus diesem hervorging, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 27 Abs. 4 iVm § 13 Abs. 1 ViehWG begeht u.a.

derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 S bis 200.000 S zu bestrafen, der in einem Betrieb ohne Einzelrichtmenge - abzüglich jener Anzahl an Jungrindern, die als Nachzucht gelten - mehr als 50 Kühe, d.s. weibliche Rinder ab dem ersten Abkalben, ohne entsprechende behördliche Bewilligung hält.

4.2. Der dem Berufungswerber gegenüber erhobene Tatvorwurf, er habe in seinen beiden Betrieben insgesamt 65 Kühe und 3 Mastrinder gehalten, gründet sich auf einen Aktenvermerk des Amtstierarztes der BH Ried. Dieser auf einem Schmierzettel festgehaltene und sowohl vom Amtstierarzt als auch vom Rechtsmittelwerber unterfertigte Aktenvermerk hat folgenden Wortlaut:

"2 Zuchtstiere 36 Stiere 9 Mo - 11/2 25 Kalbinnen weibl. 1 - 2 Jahre (teilweise ... [unleserlich]) Kühe: 29 (4 Luing, 25 Galloway 11 Kälber 3 - 6 Monate (6 weiblich, 5 männlich) O: Pächterin M, Mutter 17 Kühe (trockenstehend) Abkalbung im Frühjahr N, G: Pachtbetrieb L 13 Kühe + 10 Kälber 1 Zuchtstier 23 Kühe trockenstehend, Abkalbung Frühjahr 27.XI.93 (Unterschriften)" Dieses "Ermittlungsergebnis" wurde dem Berufungswerber vorgehalten, worauf sich dieser u.a. dahingehend rechtfertigte, daß er am Standort in G lediglich 13 Kühe mit Kälbern gehalten habe und die Angaben des Amtstierarztes daher auf einem Irrtum beruhen müßten; zudem beantragte er, seine Tierbestände in E und G nochmals zu kontrollieren.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre es der belangten Behörde eingedenk der Tatsache, daß sich ein Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren nach jeder Richtung hin verantworten kann, oblegen, dem Einwand des Berufungswerbers entsprechend zu überprüfen, ob hinsichtlich des Betriebsstandortes G etwa die in der drittletzten Zeile des zitierten Aktenvermerkes des Amtstierarztes angesprochenen 13 Kühe und 10 Kälber identisch sind mit den dort in der letzten Zeile angeführten 23 trockenstehenden Kühen oder ob bzw. inwieweit es sich hiebei um andere Tiere handelte. Dieser Frage wurde jedoch im Zuge der zeugenschaftlichen Einvernahme des Amtstierarztes vor der belangten Behörde nicht einmal ansatzweise angeschnitten, heißt es doch in der Niederschrift der BH Ried vom 12. April 1994, Zl.

Agrar96-78/9-1993, lediglich:

"Dr. F gibt folgendes zu Protokoll:

Der Tierbestand im Standort E wurde von mit gemeinsam mit Hr. L gezählt u. auf dem im Akt befindlichen Zettel festgehalten. Die Aufzeichnungen zum Tierbestand in G beruhen auf den freiwilligen Angaben des H.

Er hat die Richtigkeit der Angaben durch seine Unterschrift auf dem Zettel bestätigt." Desgleichen unterblieb eine behördliche Stellungnahme zum Antrag des Berufungswerbers, seinen Tierbestand an beiden Betriebsstandorten neuerlich zu kontrollieren. Mag es auch zutreffen, daß ein vier Monate nach der Tat abgeführter Lokalaugenschein nicht geeignet gewesen wäre, unmittelbar der Klärung des strittigen Sachverhaltes zu dienen, so wäre es aber offenkundig jedenfalls erforderlich gewesen, derartige Feststellungen im Wege anderer Beweismittel (Einvernahme weiterer Zeugen, z.B. von Bediensteten des Berufungswerbers, etc.) zu treffen. Denn allein das Setzen der Unterschrift des Berufungswerbers unter einen Aktenvermerk macht diesen (wegen Fehlens der übrigen Formerfordernisse) noch nicht zu einer Niederschrift iSd § 14 AVG und ist daher auch nicht geeignet, gemäß § 15 AVG einen - überdies ohnehin widerlegbaren - vollen Beweis zu liefern.

4.3. Wie der Oö. Verwaltungssenat bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. z.B. VwSen-230128 v. 7.10.1992), ist es mit dessen verfassungsrechtlicher Stellung als ein Organ der Gesetzmäßigkeitskontrolle nicht vereinbar, anstelle der belangten Behörde substantielle, sich auf die Klärung offensichtlicher Zweifelsfragen beziehende Versäumnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens nachzuholen und damit zugleich nicht bloß die Funktion des entscheidenden, sondern auch des untersuchenden Organes auszuüben (vgl. Art.

129 iVm Art. 90 Abs. 2 B-VG).

Bei dieser Sachlage war vielmehr im Zweifel iSd Art. 6 Abs. 2 MRK zugunsten des Berufungswerbers von der Nichterwiesenheit des Umstandes, daß der Beschwerdeführer insgesamt mehr als 50 Kühe iSd § 13 Abs. 1 ViehWG gehalten hat, auszugehen, womit ihm auch ein tatbestandsmäßiges Handeln nicht angelastet werden kann.

4.4. Aus diesem Grund war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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