Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105027/2/BI/FB

Linz, 04.11.1997

VwSen-105027/2/BI/FB Linz, am 4. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn J S, Z, W, Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J L, T, I, vom 9. Oktober 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 15. September 1997, VerkR96-2970-1997 Sö, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, daß die Wortfolge "in W, P, Km in Fahrtrichtung G" zu entfallen hat und unter "Behörde" die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems zu verstehen ist; die Geldstrafe wird jedoch auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 20 Stunden herabgesetzt.

Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 50 S; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG). zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung wegen §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 600 S (72 Stunden EFS) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des PKW, Kz. (D), der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 17. März 1997 nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt habe, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen am 28. Dezember 1996 um 10.29 Uhr in W, P A, Km 10,6, in Fahrtrichtung G gelenkt habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 60 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen, sondern nur von dem ihm nach deutschem Recht verfassungsrechtlich zugesicherten Zeugenaussagen- Verweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Er verweise auf die Bestimmungen der deutschen Strafprozeßordnung und beantrage, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Aus der Anzeige geht hervor, daß der PKW, Kz. (D), am 28. Dezember 1996 um 10.29 Uhr bei km 10.600 der P A, Gemeindegebiet W, in Richtung G fahrend mittels Radargerät Multanova 6 FA Nr. 1075 im Bereich der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von 134 km/h gemessen wurde. Eine Anhaltung konnte nicht durchgeführt werden. Vom gemessenen Wert wurden gemäß den Verwendungsbestimmungen 5 % abgezogen und eine Geschwindigkeit von 127 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Als Zulassungsbesitzer (Halter) des PKW wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg der Rechtsmittelwerber bekanntgegeben. Dieser wurde mit Schreiben der Erstinstanz vom 17. März 1997 "als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems mitzuteilen, wer den PKW, Kz. , am 28. Dezember 1996 um 10.29 Uhr gelenkt/verwendet bzw abgestellt" habe. Es wurde auf die dem Ersuchen um Lenkerauskunft zugrundeliegende Verwaltungsübertretung ebenso hingewiesen wie darauf, daß das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei. Das Schreiben wurde am 21. März 1997 von der Ehegattin des Rechtsmittelwerbers übernommen. Eine Reaktion auf das Ersuchen um Lenkerauskunft erfolgte nicht, sodaß schließlich die Strafverfügung vom 28. April 1997 erging, gegen die fristgerecht Einspruch erhoben wurde. Dies mit der Begründung, der Rechtsmittelwerber erinnere sich nicht, wer zum besagten Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt habe, zumal dieses als Geschäftsfahrzeug einem größeren Personenkreis zur Verfügung stehe. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Die Anwendung deutschen Rechtes kommt hier deswegen nicht in Betracht, weil nach neuer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (hier: Kirchdorf/Krems) ist, dh in Österreich gelegen ist (vgl Erk verst Senat v 31. Jänner 1996, 93/03/0156, ua). Im übrigen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte es nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991Nr. 23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf den Rechtsmittelwerber zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde - was nie bestritten wurde - und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl ua VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095).

Die Erhebung des oben zitierten letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 in den Verfassungsrang erachtete der (österreichische) Verfassungsgerichtshof als nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK stehend (vgl VfGH v 29. September 1988, G 72/88, ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde diese jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294, ua).

Der zitierten Rechtsprechung hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre und deshalb in dieses Konzept alle die österreichischen Straßen benützenden, dh auch ausländische, Fahrzeuge einbezogen werden müssen. Die Nichtbekanntgabe des Lenkers durch den Rechtsmittelwerber bedeutet daher, daß er in objektiver Hinsicht den ihm vorgeworfenen Tatbestand erfüllt hat, zumal das Auskunftsbegehren eine ausdrückliche Belehrung über die maßgeblichen Rechtsvorschriften enthielt. Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit der gesetzlichen Bestimmung im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung der gewünschten Auskunft war unmißverständlich. Der Rechtsmittelwerber hat daher insofern schuldhaft gehandelt, als in Anbetracht des Hinweises auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 im Auskunftsbegehren zumindest grob fahrlässige Begehung anzunehmen war. Bei einem zur Unübersichtlichkeit führenden Fahrerwechsel hätte er entsprechende Aufzeichnungen zu führen gehabt, wenn er ohne solche zur Auskunftserteilung nicht imstande gewesen wäre, wobei es auch einem ausländischen Fahrzeuglenker zuzumuten ist, sich über ihn in Österreich betreffende gesetzliche Bestimmungen entsprechend zu informieren. Er hat daher sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Sein Hinweis auf die deutsche Strafprozeßordnung geht mangels deren Geltung in Österreich ins Leere. Die Spruchänderung war insofern begründet, als die Frage nach dem Ort des Lenkens nicht zum in Rede stehenden Tatbestand gehört. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 30.000 S Geldstrafe bzw bis zu 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Die von der Erstinstanz verhängte Strafe war insofern als überhöht anzusehen, als der beim Rechtsmittelwerber zweifellos bestehende wesentliche Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht berücksichtigt wurde.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den von der Erstinstanz geschätzten und unwidersprochen gebliebenen finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers (5.000 DM Monatseinkommen als selbständiger Elektrotechniker - die zugesagte telefonische Mitteilung traf nicht ein -, Sorgepflichten sind für die Ehegattin anzunehmen, die Hausfrau ist, nicht aber für die Kinder im selbsterhaltungsfähigen Alter, kein Vermögen). Die Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und ist im Hinblick auf general- und vor allem spezialpräventive Überlegungen gerechtfertigt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Lenkerauskunft gilt auch für ausländische Zulassungsbesitzer; Unbescholtenheit nicht berücksichtigt -> Herabsetzung der Strafe.

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