Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105075/11/GU/Mm

Linz, 20.01.1998

VwSen-105075/11/GU/Mm Linz, am 20. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des L P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 21. Oktober 1997, Zl. VerkR96--, wegen Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, nach der am 12. Jänner 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich der Fakten 1 und 3 aufgehoben; die diesbezüglichen Verfahren werden gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

II. Bezüglich des Faktums 2 wird das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich, sohin hinsichtlich Schuld-, Straf- und Kostenausspruch bestätigt. Diesbezüglich hat der Rechtsmittelwerber gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von 160 S zu leisten.

Hinsichtlich des Faktums 4 wird der Spruch neu gefaßt und lautet wie folgt: III.A.: "4.a. sich vor Antritt der Fahrt, obwohl es ihm zumutbar war, nicht davon überzeugt haben, daß das Fahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, da die hintere Kennzeichenbeleuchtung defekt war und b. die gemäß § 27 Abs.2 KFG vorgeschriebenen Aufschriften über das Eigengewicht, c. das höchstzulässige Gesamtgewicht, d. die höchsten zulässigen Achslasten und e. die höchstzulässige Nutzlast nicht an der rechten Außenseite vollständig sichtbar und dauerhaft gut lesbar und unverwischbar angebracht waren." III.B.: Dem Beschuldigten wird zu Faktum 4.a. wegen Verletzung des § 102 Abs.1 im Zusammenhang mit § 14 Abs.6 KFG 1967 unter Anwendung des § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 300 S, im Nichteinbringungsfall zehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 30 S auferlegt. III. C.: Bezüglich Faktum 4.b. bis e. hat der Rechtsmittelwerber Verletzungen des § 102 Abs.1 in KFG 1967 im Zusammenhang mit § 13 b KDV und § 27 Abs.1 KFG 1967 begangen.

Diesbezüglich werden in Anwendung des § 21 Abs.1 VStG von Strafaussprüchen abgesehen und dem Beschuldigten Ermahnungen erteilt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5, § 19, § 64 Abs.1 und 2, § 65, § 66 VStG, § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960, § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, Art.4 Abs.1 des 7. Zusatzprotokolles zur MRK.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat am 21.10.1997 zur Zl. VerkR96--gegen den Beschuldigten ein Straferkenntnis erlassen, dessen Spruch lautet: "Sie haben am 14.11.1996 um 16.25 Uhr den LKW, Kennz. --, auf der --straße , im Gde.Gebiet von S, Bez. K., in Richtung W, gelenkt, wobei Sie 1. bei StrKm. 57,266 verbotenerweise überholt haben, obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden war, und 2. bei StrKm. 57,266 einen LKW mit Anhänger, Kennz. --, überholt haben, obwohl Sie nicht einwandfrei erkennen konnten, ob Sie Ihr Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werden können, und 3. auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, nämlich im Bereich einer unübersichtlichen Rechtskurve, verbotenerweise überholt haben, und 4. sich vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, nicht davon überzeugt haben, daß das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, da die hintere Kennzeichenbeleuchtung defekt war, und die gem. § 27 Abs.2 KFG vorgeschriebenen Aufschriften wie das Eigengewicht, das höchst zulässige Gesamtgewicht, die höchsten zulässigen Achslasten und die höchst zulässige Nutzlast, nicht an der rechten Außenseite vollständig sichtbar und dauernd gut lesbar und unverwischbar angebracht waren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 16 Abs.1 lit.a, § 16 Abs.1 lit. c und § 16 Abs.2 lit.b jeweils iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 § 102 Abs.1 iZm § 14 Abs.6 KFG 1967 iZm § 13b KDV und § 27 Abs.2 und § 134 Abs.1 KFG 1967 Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe falls diese un- Freiheits- gemäß § von Schilling einbringlich ist, strafe von Ersatzfreiheitsstrafe von Pkt. 1. 1.000,-- 24 Stunden 99/3a StVO 1960 Pkt. 2.

800,-- 24 Stunden 99/3a StVO 1960 Pkt. 3. 800,-- 24 Stunden 99/3a StVO 1960 Pkt. 4. 700,-- 24 Stunden 134/1 KFG 1967 Weitere Verfügungen (z.B. Anrechnung der Vorhaft, Verfallsausspruch):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 330,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 3.630,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG)." 2. In seiner dagegen erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht erwiesen seien. Er wolle genau wissen, wie die Behörde zu den genauen Straßenkilometerangaben gekommen sei; außerdem begehrt er die Einsichtnahme in die Tachoscheibe des LKWs --, aus der die Geschwindigkeit zur Tatzeit hervorgehe.

Im Verfahren hatte er bezüglich des Defektes einer Kennzeichenleuchte deren Nichtfunktionieren zugestanden, aber vorgebracht, daß sie vor Fahrtantritt noch intakt gewesen sei. Im Ergebnis begehrt der Rechtsmittelwerber wegen der vorgeworfenen Delikte nicht bestraft zu werden.

3. Aufgrund der Berufung wurde am 12.1.1998 in Gegenwart des Beschuldigten die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und in deren Rahmen der Aktenninhalt erörtert, der Beschuldigte vernommen und ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten sowie die Zeugen Insp. R M und GI H S vernommen. Ferner wurde in die von den Gendarmeriebeamten angefertigten Lichtbilder, die entsprechend ihrer Aussage einer Übersicht über die Überholstrecke darstellen, Einsicht genommen und diese zur Erörterung gestellt.

4. Demnach ist folgender Sachverhalt erwiesen: Der Beschuldigte lenkte am 14.11.1996 nach 16.00 Uhr den LKW Ford Transit mit dem Kennzeichen -- auf der --straße Richtung Süden. Um diese Zeit herrschte auf der Straße reges Verkehrsaufkommen mit Gegenverkehr. Vor dem vom Beschuldigten gelenkten Fahrzeug fuhr ein LKW mit Anhänger der Firma T (Kennzeichen --). Hinter dem Fahrzeug, welches vom Beschuldigten gelenkt wurde, fuhr ein Dienstfahrzeug des Gendarmeriepostens W, welches von Insp. R M gelenkt wurde; am Beifahrersitz saß Herr GI H S.

Die ..straße verläuft im Bereich der sogenannten "P Geraden" auf einer längeren Strecke geradlinig und annähernd horizontal, um dann zur sogenannten W Höhe relativ steil anzusteigen.

Vor dem Scheitelpunkt der W Höhe verläuft die Straße in mehreren Kurven, darunter auch eine Passage mit einer leichten Linkskurve übergehend in eine kurze Gerade (in einer Länge von rund 120 m), um dann in eine Rechtskurve einzuschwenken. Weil Gegenverkehr herrschte und der LKW mit Anhänger offensichtlich beladen war und somit am ansteigenden Straßenteil immer mehr an Geschwindigkeit verlor, hatte sich hinter ihm eine Kolonne gebildet. Um ca. 16.25 Uhr - es herrschte bereits Dunkelheit, die Fahrbahn war naß und es schneite leicht, unternahm es der Beschuldigte im Bereich der vorerwähnten leichten Linkskurve - als er Sicht auf den kurzen geraden Teil vor der Rechtskurve hatte, den etwa mit 25 km/h bergwärts fahrenden Anhängerzug der Firma T zu überholen, wobei er bei StrKm. 57,266 mit seiner Vorderfront auf Höhe der hinteren Stoßstange des Anhängerzuges war und bei StrKm. 57,357 sich im Bereiche vor der Rechtskurve einordnete bzw. den Blicken des Lenkers des nachfolgenden Gendarmeriefahrzeuges entschwand.

Da der Beschuldigte mit einem Gegenverkehr mit einer zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h hätte rechnen müssen und angesichts der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit und der für das Überholen benötigten Strecke eine Sicht über 300 m benötigt hätte, um gefahrlos den Überholvorgang durchführen und beenden zu können, eine solche Sicht aber nur auf ca. 120 m gegeben war, konnte er nicht einwandfrei erkennen, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werde können.

Da die Gendarmeriepatrouille für sich selbst eine solche Gefahr nicht heraufbeschwören wollte, gelang es erst nach einiger Zeit den Anhängerzug zu überholen und den Beschuldigten stellig zu machen.

Anläßlich der Amtshandlung stellten die Beamten fest, daß eine hintere Kennzeichenleuchte defekt war. Bei einem Rundgang um das Fahrzeug und der Nachschau, ob die für LKWs erforderlichen Aufschriften (im Sinn des § 27 Abs.2 KFG) am Fahrzeug aufschienen, konnten sie keine diesbezüglichen Aufschriften feststellen. Auf das Fehlen der Aufschrift von den Gendarmen aufmerksam gemacht, zeigte der Beschuldigte keine Reaktion.

5. Bei der Würdigung der Beweise war zu bedenken:

Dem Beschuldigten steht es im Verwaltungsstrafverfahren frei sich nach jeder Richtung zu verteidigen. Er ist nicht an die Wahrheitspflicht gebunden. Er gestand zu, zur Tatzeit die ..straße im Bereich von S befahren zu haben und beschränkte sich im Verfahren darauf, zu behaupten, daß sein Überholmanöver nicht gefährlich gewesen sei und er konnte oder wollte sich in der mündlichen Verhandlung auf keinen Ort seines Überholmanövers festlegen.

Dem gegenüber hat der das Patrouillenfahrzeug lenkende Gendarmeriebeamte M unter Hinweis auf seine Wahrheitspflicht und als geschulter und mit dem Verkehrsgeschehen vertrauter Gendarmeriebeamter dartun können, daß der Beschuldigte im ansteigenden Teil der ..straße zur W Höhe unter Hinweis auf die Bilddokumentation im Bereich der Linkskurve sein Auslenkmanöver begann, um dann zu überholen und vor der Rechtskurve sich einzuordnen bzw. aus dem Gesichtsfeld des nachfahrenden Beamten zu verschwinden.

Die Nachfahrt, das Stelligmachen und das Anbieten der Bezahlung eines Organmandates ist nicht strittig. Als der Beschuldigte letzteres verweigerte, fuhr M gemeinsam mit GI S die Strecke zurück, um den Weg des Überholens genau zu orten und aufzuzeichnen. Dies erscheint lebensnah, zweckmäßig und überzeugend. Wenn dabei in der mündlichen Verhandlung die Meterangaben bezüglich des Beginnes des Überholvorganges dahingehend erklärt wurden, daß sie sich auf den Überholbeginn von der gleichen Höhe der Vorderfront des Ford Transit des Beschuldigten mit der hinteren Stoßstange des überholten Fahrzeuges einerseits bis zum Einordnen bzw. aus dem Gesichtsfeld Verlieren andererseits bezogen, so gibt dies in der Zusammenschau mit dem im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Sachverständigenbeweis, der in der Verhandlung erörtert wurde, plausibel wieder, daß die Überholstrecke relativ kurz (111 m) gewesen ist und damit die Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges keinesfalls 40 sondern eher 25 km/h oder geringfügig darunter gewesen ist.

Der Zeitpunkt bzw. die streckenmäßige Erfassung des Beginnes des Überholvorganges erscheint auch mit der Lebenserfahrung übereinstimmend, zumal, wie bereits in den Feststellungen ersichtlich, die zunächst gerade und eben verlaufende ..straße, die dann im Niveau steil ansteigend verläuft, wenn auf dem geraden Verlaufstück Gegenverkehr herrscht, die Stelle an der der Beschuldigte überholt hat, durch eine anscheinend einigermaßen weite Sichtdistanz zum Überholen verleitet.

Dies aber verbotenerweise, weil anhand der in der Bilddokumentation ersichtlichen Straßenbegrenzungspflöcke (4 Stück mit einer Distanz von jeweils 33 m auf der Geraden) die Sicht nur rund 120 m betrug und keinen Raum für einen bis zu 100 km/h ankommenden mitzubedenkenden Gegenverkehr bietet, sich einzuordnen. Für ein gefahrloses Überholen, wäre sohin eine einsehbare Strecke von über 300 m erforderlich gewesen. Diese konnte der Beschuldigte nicht dartun und haben dies auch die objektiven Anknüpfungspunkte nicht ergeben. Die geringfügige Abweichung der Aussage des Zeugen M von jener des Zeugen S ist unschwer dadurch erklärbar, daß S, der sich am Beifahrersitz aufhielt, aufgrund des voranfahrenden Schwerfahrzeuges der Firma T auf die Gegenfahrbahn der ..straße und somit die Überholstrecke, weniger Sicht hatte, als der Lenker des Patrouillenfahrzeuges M.

Was die leugnende Verantwortung hinsichtlich der Aufschrift über Achslasten, Nutzlasten udgl. bei dem vom Beschuldigten gesteuerten LKW anlangt, so konnte die Aussage des Zeugen M, der bei mutwilliger Falschaussage seinen Beruf riskieren würde, überzeugen. Er gab an, daß der Beschuldigte offensichtlich nicht einmal wußte, daß eine solche Aufschrift vorhanden sein mußte. Eine Bescheinigung des Gegenteils, etwa daß eine bestimmte Person oder eine Rechnung die Anbringung der Aufschriften vor der Beanstandung bezeugen oder bescheinigen könnte, lag nicht vor.

Der O.ö. Verwaltungssenat kommt (wie die erste Instanz), bezüglich der nicht funktionierenden Kennzeichenleuchte zum Schluß, daß der Beschuldigte, wenn er sich nicht einmal von den Aufschriften überzeugte, auch bezüglich des Funktionierens der Kennzeichenleuchte sorglos war und seine Behauptung, er habe sich vor Antritt der Fahrt vom Funktionieren der Kennzeichenleuchte überzeugt, als bloße, für seine Verteidigung freistehende, Leerformel erweist.

In der Zusammenschau waren damit die im Schuldspruch durch den Unabhängigen Verwaltungssenat bestätigenden Fakten objektiv und da der Beschuldigte zum Verschulden selbst nichts vorgebracht hatte, was ihn auf der subjektiven Tatseite entlasten könnte, auch diesbezüglich als erwiesen anzusehen.

6.1. Was die rechtliche Seite anlangt so war, was das Überholmanöver betrifft, die erste Instanz noch an der bisherigen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes, welche vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den Fällen Schmautzer-Umlauft-Gradinger vom 23.10.1995, A 328 A und folgende erging, orientiert.

6.2. Unberücksichtigt blieb, daß auch mittlerweile der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5.12.1996, G 9/96-12, die Wirkungslosigkeit des Vorbehaltes der Republik Österreich zu Art.4 Abs.1 7.ZP zur Menschenrechtskonvention erkannt hat und damit das Verbot der Doppelbestrafung implizit auch bei Verwaltungsübertretungen anerkannt hat. Gleichzeitig hat er bei der Auslegung der Gesetze die Prüfung der Scheinkonkurrenz hervorgehoben (vgl. Punkt 2.4. des zitierten Erkenntnisses).

6.3. Während der Spruch zu Faktum 3 des angefochtenen Straferkenntnisses auch im Zusammenhalt mit dem Einleitungssatz nicht hinreichend determiniert ist, weil dort weder eine bestimmte sichtbehindernde Rechtskurve, sei es in der Vulgo-Bezeichnung, sei es nach einem bestimmten StrKm., angeführt wurde und somit schon deshalb in diesem Punkt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses geboten erschien und nicht zu prüfen war, inwiefern der Begriff "Außer" in § 16 Abs.2 der StVO 1960 zu verstehen sei, war der vorstehend festgestellte Lebenssachverhalt zu prüfen, unter welche letztlich tragende Bestimmung das Verhalten fiel.

6.4. Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere Entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

6.5. Gemäß Art.4 Abs.1 7.ZP zur Menschenrechtskonvention darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahren eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergibt sich daraus zwangsläufig das Verbot der Doppelbestrafung in Verwaltungsstrafverfahren, in denen ein Sachverhalt "based on the same conduct" zugrundeliegt. Der Verfassungsgerichtshof hat dies auslegungsweise auf "basierend auf demselben Aspekt" für österreichische Verhältnisse zugeschnitten.

6.6. Der Zweck des Überholverbotes ist der Ausschluß der Gefährdung von Straßenbenützern. Unstrittig ist, daß es sich beim Verhalten des Beschuldigten um ein und dasselbe Verhalten gehandelt hat und dasselbe Rechtsgut zu schützen war bzw. durch ihn verletzt wurde. Auch die Strafdrohung des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 läßt in ihrer generalisierenden Form im Zusammenhalt mit der Verbotsnorm des § 16 keinen Unterschied erkennen, welcher andere Aspekt den Überholverboten innewohnen sollte.

6.7. Unter Zugrundelegung des Doppelbestrafungsverbotes und unter dem Blickwinkel, daß dem Gesetzgeber ein sinnhafter Regelungswille unterlegt wird, fand der O.ö. Verwaltungssenat, daß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 durch die Worte "insbesondere entgegenkommende" sich auf eine Präsensform, also auf "tatsächlich entgegenkommende" bezieht und daß der zweite Straftatbestand "oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist" sich auf den Seitenabstand bezieht.

6.8. Aus diesen Gründen erschien nach dem erwiesenen Lebenssachverhalt § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 verletzt, weil der Beschuldigte nicht einwandfrei erkennen konnte, daß er sein Fahrzeug (aufgrund der zu kurzen Sicht) nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen konnte, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, wobei ein Entgegenkommen anderer Straßenbenützer imaginär und nicht unmittelbar gegeben war.

7. Die im Punkt 4 des angefochtenen Straferkenntnisses beschriebenen Mängel stellten im Grunde genommen fünf gesonderte Übertretungen dar, weil alleine Dassichnichtüberzeugen von der nicht funktionierenden Kennzeichenbeleuchtung einerseits und ein Fehlen jeder der im Gesetz geforderten Angaben bezüglich Eigengewicht, zulässiges Gesamtgewicht höchste zulässige Achslast, höchst zulässige Nutzlast, andererseits gesonderte Delikte darstellen.

Aus diesem Grunde mußte eine neue Fassung des Spruches erfolgen.

8. Was die Strafzumessung anlangt, so war zu bedenken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

8.1. Der Strafrahmen für das gefahrvolle Überholen beträgt gemäß § 99 Abs.3 lit.a in Geld bis zu 10.000 S und an Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen.

Der Unrechtsgehalt, das ist im gegenständlichen Fall das Gefährdungsmoment, wog schwer. Angesichts des aufgrund der Arbeitslosigkeit nunmehrigen Monatseinkommens des Beschuldigten von rund 10.000 S bei Darlehensraten von 1.200 S monatlich, erschien die verhängte Geldstrafe von 800 S, im Nichteinbringungsfall 24 Stunden EFS, ohne daß im Verfahren besondere Milderungs- und Erschwerungsgründe hervorgetreten sind, jedenfalls nicht überhöht.

8.2. Was das Nichtfunktionieren der hinteren Kennzeichenleuchte anlangt, so war aus dem Strafausspruch zu Punkt 4 des angefochtenen Straferkenntnisses das Strafübel wie in dem im Eingang stehenden Spruch herauszusondern.

8.3. Das Fehlen der Aufschriften hingegen, für die gemäß § 102 Abs.1 KFG auch der Lenker einzustehen hat, ist zwar objektiv als erwiesen anzusehen, das Gewicht dieses Fehlens und die subjektive Tatseite erschienen jedoch gering, zumal dieses Anbringen vornehmlich den Zulassungsbesitzer, im gegenständlichen Fall den damaligen Dienstgeber des Beschuldigten betraf. Aus diesem Grunde konnte diesbezüglich noch von der Rechtswohltat des § 21 Abs.1 VStG Gebrauch gemacht werden und von einem Strafausspruch abgesehen werden.

Für die Zukunft galt es allerdings, durch den Ausspruch einer Ermahnung beim Beschuldigten die Aufmerksamkeit zu schärfen, um ihn bei einer etwaigen späteren Berufsausübung als LKW-Lenker anläßlich der Fahrzeugübernahme die erforderlichen vorgängigen Kontrollen durchzuführen. Was die Kostenbeteiligung am Berufungsverfahren anlangt, so war gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG lediglich bei der zu Faktum 2 bestätigten Geldstrafe ein Beitrag von 20 % zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorzuschreiben.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. Guschlbauer Beschlagwortung: Bei Übertretungen des § 16 StVO ist auf Grund des Doppelbestrafungsverbotes zu prüfen, welche (einzig zur Bestrafung) heranzuziehende Vorschrift verletzt wurde.

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