Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105138/2/BI/Ha

Linz, 31.12.1997

VwSen-105138/2/BI/Ha Linz, am 31. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn K S, S, L, vom 9. Dezember 1997 gegen die mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 26. November 1997, S-30636/97-3 wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 ausgesprochene Strafe zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Strafausspruch behoben und dem Rechtsmittelwerber eine Ermahnung erteilt wird.

Verfahrenskostenbeiträge fallen nicht an.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 21 VStG, § 99 Abs.3a StVO 1960. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 24 Abs.1a iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S (18 Stunden EFS) verhängt, weil er am 29. August 1997 um 09.57 Uhr in L, M, das Kraftfahrzeug Kennzeichen abgestellt habe, obwohl an dieser Stelle ein durch das Vorschriftszeichen Halten und Parken verboten (Zusatztafel: an Werktagen Montag bis Freitag 7.00 - 19.00 Uhr) kundgemachtes Halte- und Parkverbot bestehe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber ersucht, von einer Bestrafung Abstand zu nehmen, zumal er in den letzten vier Jahren lediglich "drei strafbare Tatbestände" von insgesamt fünf Minuten gesetzt habe und doch ein disziplinierter Autofahrer gewesen sei. Er werde sich bemühen, in nächster Zeit nicht mehr ins Fettnäpfchen zu treten. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen: Die Berufung beantragt ausschließlich, von einer Bestrafung Abstand zu nehmen, weshalb der Schuldspruch des zitierten Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen ist. Aufgrund des Akteninhalts nimmt der unabhängige Verwaltungssenat als erwiesen an, daß der Rechtsmittelwerber tatsächlich nur ein Schriftstück beim Portier der E abgegeben hat, wofür dieser auch als Zeuge namhaft gemacht wurde. Auch aus der Anzeige geht nichts Gegenteiliges hervor. Insbesondere wird darin nicht behauptet, daß der Rechtsmittelwerber den Verkehr behindert oder sonst durch das kurzfristige Abstellen des Kraftfahrzeuges im Halteverbot nachteilige Folgen eingetreten wären.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 21. Februar 1991, 90/19/173, Erk v 27. Februar 1992, 92/02/0033 u.a.) ermächtigt § 21 VStG die Behörde trotz der Verwendung des Wortes "kann" nicht zur Ermessensübung, sondern der Beschuldigte hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch darauf, daß von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht wird. Die Schuld des Beschuldigten ist nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt.

Im gegenständlichen Fall ist mangels gegenteiliger Feststellungen davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber tatsächlich nur beim Portier der E ein Schriftstück abgegeben und zu diesem Zweck vor dem Haus M für kurze Zeit den PKW abgestellt hat. Ein kurzzeitiges freiwilliges Abstellen des PKW erfüllt zweifelsfrei das Tatbestandsmerkmal des Haltens. Zu bedenken ist dabei aber, daß sich der Rechtsmittelwerber für die kurze Zeit des Haltens in unmittelbarer Nähe des Fahrzeuges befunden hat, sodaß bei einer eventuellen Behinderung des Fahrzeugverkehrs durch das abgestellte Fahrzeug ein sofortiges Wegfahren möglich gewesen wäre. Das Abgeben eines Schriftstückes beim im Erdgeschoß befindlichen Portier, von dem in der Regel noch die Bestätigung der Entgegennahme des Papiers verlangt wird, nimmt einen so kurzen Zeitraum in Anspruch, daß die Behauptung des Rechtsmittelwerbers, das Ganze habe knapp eine Minute gedauert, durchaus nachvollziehbar ist.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG für ein Absehen von der Strafe sind insofern gegeben, als zum einen die Übertretung keinerlei Folgen nach sich gezogen hat und zum anderen das Verhalten des Rechtsmittelwerbers weit hinter dem delikttypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurückgeblieben ist. Abgesehen vom äußerst geringen Unrechtsgehalt, der mit dem kurzfristigen Abstellen des Fahrzeuges für den genannten Zweck verbunden ist, kann vom Lenker eines Fahrzeuges auch nicht verlangt werden, sämtliche Ermahnungen, die er in den letzten fünf Jahren von der Behörde bekommen hat, in der Eile nachzuvollziehen und zu überlegen, ob er sich auf das geplante Vorhaben noch einlassen kann.

Das Argument der Erstinstanz, § 21 VStG konnte nicht angewendet werden, da sich bei mehreren gleichartigen oder ähnlichen Verwaltungsübertretungen schon gezeigt habe, daß eine Ermahnung nicht ausreiche, um den Rechtsmittelwerber von der wiederholten Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten, ist insofern nicht stichhaltig, als zum einen beim Vorliegen der in § 21 VStG genannten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf ein Absehen von der Strafe gegeben ist und die Ermahnung nur aus spezialpräventiven Gründen auszusprechen ist - andere Sanktionen bei einem Absehen von der Strafe sind nicht vorgesehen, sodaß die Behörde diesbezüglich kein Wahlrecht hat - und zum anderen orientiert sich ein Fahrzeuglenker in Situationen des täglichen Lebens sicher nicht an schon fast getilgten Vormerkungen bei der für ihn zuständigen Strafbehörde. Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt aus all diesen Überlegungen zu der Auffassung, daß die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe im gegenständlichen Fall vorliegen, wobei der Ausspruch einer Ermahnung schon insofern gerechtfertigt war, als der Rechtsmittelwerber als Lenker eines Fahrzeuges sicher wieder in ähnliche Situationen kommen wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Entfall des Verfahrenskostenersatzes ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: 1minütiges Abstellen des PKW im Halteverbot zur Abgabe eines Schriftstücks beim Portier ohne Behinderung des Verkehrs erfüllt Voraussetzungen des § 21 VStG, auch wenn schon Ermahnungen bei der Strafbehörde bestehen.