Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105922/34/Gu/Pr

Linz, 08.11.1999

VwSen-105922/34/Gu/Pr Linz, am 8. November 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des E. T., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R. L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 22.10.1998, VerkR96-2688-1998, wegen Übertretung der StVO 1960 nach der am 20.4.1999 und am 18.10.1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Der Rechtsmittelwerber hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 400,00 Schilling (entspricht  29,07 Euro) zu bezahlen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG;

§ 19 Abs.4 und Abs.7 StVO 1960, § 99 Abs.3 lit.a leg.cit.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 25.5.1998 gegen 13.30 Uhr den PKW Toyota Corolla, Kennzeichen vom landwirtschaftlichen Zufahrtsweg "A." im Gemeindegebiet B. L. zur B gelenkt und dabei als durch das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" Wartepflichtiger durch Einfahren bei Str.km 28,85 in die B den auf der B in Richtung B. L. fahrenden, vorrangberechtigten Lenker des Sattelkraftfahrzeuges, Kennzeichen zum unvermittelten Bremsen des Fahrzeuges genötigt zu haben.

Wegen Verletzung des § 99 Abs.3 lit.a iVm § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960 wurde ihm deswegen in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 2.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 200 S auferlegt.

In seiner dagegen vom rechtsfreundlichen Vertreter erhobenen Berufung macht der Beschuldigte Verfahrensmängel geltend und führt aus, dass er im ausreichenden Abstand zum Sattelkraftfahrzeug auf die Bundesstraße eingebogen sei und es anschließend zum Unfall nur deswegen gekommen sei, weil das Sattelkraftfahrzeug die zulässige Geschwindigkeit überschritten habe und mit 90 km/h gefahren sei und darüber hinaus überladen gewesen sei und es zum Unfall nur deswegen gekommen sei, weil der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges zu spät gebremst habe.

Der Beschuldigte habe sich nach dem Abbiegevorgang mit seinem PKW bereits auf der L. B. befunden und eine Wegstrecke von rd. 30 - 40 m zurückgelegt. Erst dann sei das Sattelkraftfahrzeug heckseitig auf sein Fahrzeug aufgefahren und erst rd. 100 m nach der Kollision zum Stillstand gekommen.

Durch Beischaffung des Tachografenblattes, Anfertigung von Lichtbildern, Durchführung eine fotogrammetrischen Bildauswertung und Erstellung eines Zeit- und Wegdiagrammes sowie einer Stoßrechnung von einem KFZ-Sachverständigen könne der Sachverhalt geklärt werden, ob tatsächlich eine Vorrangverletzung vorliege oder nicht.

Im Übrigen müsse der Lenker eines vorrangberechtigten Fahrzeuges auf die Notwendigkeit eines nicht unvermittelten Bremsens gefasst sein. Ein solches nicht unvermittelte Bremsen liege vor, wenn ein Fahrzeuglenker lediglich eine normale Betriebsbremsung einleiten müsse. Mangels vorliegender Beweise stünde nicht fest, ob der Lenker des LKW-Zuges durch die Einleitung einer ihm zumutbaren normalen Betriebsbremsung in der Lage gewesen wäre, seine Fahrgeschwindigkeit zu vermindern und dadurch ein Auffahren auf seinen PKW zu vermeiden. Es stünde nicht einmal fest, dass der Lenker des bevorrangten Fahrzeuges überhaupt eine Reaktion gesetzt habe. Für den Fall, dass der Beschuldigte, dessen ungeachtet eine Vorrangverletzung zu verantworten habe, müsste jedenfalls ein Mitverschulden des LKW-Lenkers bei der Strafbemessung als Milderungsgrund gewertet werden. Aus all diesen Gründen beantragt der Rechtsmittelwerber die Einstellung des Verfahrens in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe.

Aufgrund der Berufung wurde am 20.4.1999 und in Fortführung der Beweisaufnahme am 18.10.1999 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Beschuldigten und seines Vertreters durchgeführt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G. Sch. und H. K.. Die Zeugin M. T. - Schwägerin des Beschuldigten - hat sich nach Belehrung in der mündlichen Verhandlung aufgrund des vom Gesetz eingeräumten Entschlagungsrechtes der Aussage entschlagen. Ihre Erstangaben vor der Gendarmerie am 25.5.1998, zu welchen sie sich nach Belehrung über das Entschlagungsrecht noch bereit fand und welche den Beschuldigten belasteten, durften aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor dem UVS nicht verwertet werden.

In der mündlichen Verhandlung wurde ferner Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung der Tachografenscheibe des bevorrangten Sattelkraftfahrzeuges, Kennzeichen vom 25.5.1998; ferner wurde das Protokoll der Abwaage des Sattelkraftfahrzeuges vom Gendarmerieposten B. L. vom 25.5.1998 zur Erörterung gestellt.

In der mündlichen Verhandlung wurde in die im Akt erliegenden Lichtbilder über die Endstellung der Fahrzeuge sowie in die Handskizze und darüber hinaus über die maßstabsgetreue Darstellung M 1:150 der fotogrammetrischen Auswertung der Gendarmerie Einsicht genommen und diese zur Erörterung gestellt.

Ferner wurde Beweis erhoben durch Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen, welcher zu aufgetretenen Fachfragen fachkundige Äußerungen abgegeben hat. Es wurde der Beschuldigte vernommen und ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten.

Demnach ist folgender Sachverhalt erwiesen:

Am 25.5.1998, um 13.30 Uhr, lenkte der Beschuldigte seinen PKW Toyota Corolla (Leistung 52 kw) auf dem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg "A." im Gemeindegebiet von B. L. in Richtung L. B. Im Fahrzeug saß als Beifahrerin seine Schwägerin M. T. und auf den Rücksitzen die Söhne des Beschuldigten P. und Ch. T.. Der Beschuldigte hatte die Absicht, nach links in die B einzubiegen, um dann Richtung B. L. weiter Fahrt aufzunehmen.

Auf dem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg "A." war vor der Bundesstraße durch das entsprechende Verkehrszeichen "Vorrang geben" angezeigt, dass der Verkehr auf der B bevorrangt war. Im Einbindungs-(Kreuzungs-)bereich steigt der landwirtschaftliche Zufahrtsweg "A." zur B an. Links vom Blickwinkel des Beschuldigten aus betrachtet steht ein Haus, welches beim Annähern an die Kreuzung den Blick auf den aus einer Senke aus Richtung B. L. ankommenden Verkehr erschwert. Rechts vom Blickwinkel des Beschuldigten fiel die Bundesstraße von einer mehr als 200 m entfernten leichten Kuppe in einem für Bundesstraßen mittleren Gefälle ein. Es herrschten einwandfreie Fahrbahnverhältnisse und vom Kreuzungsbereich selbst bestand auf die B nach beiden Seiten eine freie Sicht von mehr als 200 m.

Zur selben Zeit hatte der Lenker G. Sch. den von ihm gelenkten PKW; Marke Renault Clio, auf der B von B. L. kommend vor der Hauszufahrt O. angehalten, weil er in diese Zufahrt nach links einbiegen wollte, aber dieses Manöver nicht in einem Zuge durchführen konnte, weil er einem im Gegenverkehr ankommenden Sattelkraftfahrzeug den Vorrang geben musste. In dieser Warteposition war der Clio vom Fahrzeug des Beschuldigten ca. 20 m entfernt.

Bei dem aus Richtung Grenze auf der B ankommenden auf der einfallenden B sich bewegenden LKW handelte es sich um ein mit Holz beladenes Sattelkraftfahrzeug der Marke Volvo mit dem Kennzeichen, welches von H. K. mit einem Gesamtgewicht von 27.020 kg und einer Geschwindigkeit von 90 km/h gelenkt wurde.

Obwohl der Beschuldigte sich noch näher zum herannahenden Sattelkraftfahrzeug befand als der weiter entfernte und den Gegenverkehr abwartende Lenker des Clio, welcher immerhin auch noch gegenüber dem Beschuldigten den Vorrang hatte, lenkte der Beschuldigte sein Fahrzeug nach links abbiegend auf die B ein, obwohl hiebei der herannahende Sattelzug erheblich weniger als 111 m, mit hochgradiger Wahrscheinlichkeit weniger als 50 m vom Kreuzungsbereich entfernt war und nötigte dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen. Der Abstand hätte aber mindestens 111 m betragen müssen, um beim Einbiegen in die Kreuzung den bevorrangten LKW Lenker nicht zu einer unvermittelten Abbremsung zu nötigen (entspricht einer Verzögerung von 2,5 m/sek2). Trotz des sofort eingeleiteten Bremsmanövers konnte der Lenker des bevorrangten LKW-Sattelzuges sein Fahrzeug vor dem eingebogenen Fahrzeug des Beschuldigten nicht mehr so weit herunter bremsen, dass ein Anstoß hätte verhindert werden können, sodass es in der Folge ca. 20 m nach der Kreuzung der B mit dem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg "A." mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von ca. 20 km/h in der Nähe des wartenden Clio zum Anstoß kam. Mit Rücksicht auf diesen Clio konnte der LKW-Lenker auch nicht nach links auslenken.

Der PKW des Beschuldigten wurde nach dem Anstoß nach vorne geschleudert. Beide unfallbeteiligten Fahrzeuge rollten nach der Anstoßstelle noch weiter. Das Bremsmanöver des LKW-Lenkers hinterließ keine Bremsspuren. Durch das Fahrmanöver des Beschuldigten wurde der Lenker des LKW jedenfalls zu mehr als einer leichten Betriebsbremsung veranlasst. Aus dem Verkehrsunfall entstanden neben Sachschäden auch Personenschäden und zwar wurde der Beschuldigte selbst verletzt, sein Sohn Ch. erlitt eine Riss-Quetsch-Wunde am Ohr und einen Bluterguss am linken Auge.

Aufgrund der Strafanzeige der Gendarmerie an das Gericht wurde diese sowohl gegen den Beschuldigten gemäß § 90 StPO aus dem Grunde des § 88 Abs.2 Z1 StGB und gegen den Lenker K. gemäß § 90 StPO von der Staatsanwaltschaft Linz zurückgelegt.

Bei der Würdigung der Beweise war zu bedenken:

Der Beschuldigte konnte bei seiner Ersteinvernahme durch die Gendarmerie am 5.6.1998, sohin am 11. Tag nach dem Unfall, als auch bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat weder eine Entfernung des herannahenden LKW-Zuges noch dessen geschätzte Geschwindigkeit angeben, sondern hat sich auf die gänzlich unbestimmte Aussage gestützt, dass er sich noch weit genug vom herannahenden LKW befunden habe, als er in die Kreuzung eingefahren sei. Die Aussage des am Verfahren nicht beteiligten und daher an dessen Ausgang nicht interessierten Zeugen Sch., dem Lenker des Clio, hatte für den Oö. Verwaltungssenat ein besonderes Gewicht, wenn er im Ergebnis zusammengefasst seine Verwunderung und seinen Schrecken zum Ausdruck brachte, dass der Beschuldigte vor dem herannahenden und bevorrangten LKW-Zug noch in die Kreuzung einfuhr, obwohl der Zeuge selbst infolge des beabsichtigten Linksabbiegemanövers das Passieren des LKW-Zuges abzuwarten hatte und der Beschuldigte aber noch zwischen ihm und dem herannahenden LKW-Zug los fuhr.

Mag sich der Zeuge auch bei der groben Schätzung der Distanz zwischen dem von ihm gelenkten (angehaltenen) Fahrzeug und dem Fahrzeug des einbiegenden Beschuldigten verschätzt haben - wenn man die Situation und den Ablauf anhand der maßstabgetreuen Skizze der Gendarmerie über den Verlauf der Bundesstraße und den Kreuzungsbereich im Nachhinein sorgfältig betrachtet - so war zu bedenken, dass er erst ca. einen Monat nach dem Geschehen und zwar am Gendarmerieposten A. - seinem heimatlichen Gendarmerieposten - erst vernommen wurde und die Vernehmung vor dem UVS erst rund 11 Monate nach dem Geschehen erfolgte.

Der Zeuge Sch. ist geprüfter Autolenker, hinterließ bei seiner Vernehmung vor dem UVS einen ausgezeichneten Eindruck und konnte mit seiner Aussage überzeugen, dass er durch das Fahrmanöver des Beschuldigten angesichts des nahen LKWs in einen Schock (gemeint wohl große Angst) versetzt wurde, zumal die Nachhaltigkeit der Erinnerung an die Situation in der er durch das Fahrmanöver des Beschuldigten selbst in große Gefahr gebracht wurde, einprägsam und nachvollziehbar erscheint.

Auch der als Zeuge vernommene Lenker des LKW, H. K., hinterließ bei der mündlichen Verhandlung einen guten und ausgeglichenen Eindruck. Er wurde noch am Tattag, wo also der Eindruck noch besonders frisch war, vernommen und hat einen plausiblen Ablauf des Geschehens im Großen und Ganzen in Übereinstimmung mit den Angaben über den Hergang, wie sie vom Zeugen Sch. geschildert wurden, dargetan und diese im Wesentlichen in der mündlichen Verhandlung vor dem UVS bestätigt. Wenngleich bei einer späteren Betrachtung seine Schätzungen (der Geschwindigkeit anhand der Tachografenscheibe und der Distanz zum einbiegenden Fahrzeug des Beschuldigten beim Ansichtigwerden bzw. der Bremsreaktion im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen) als etwas zu tief gegriffen erschienen, so konnte die Aussage des LKW-Lenkers jedenfalls im Resümee betrachtet gegenüber der leugnenden Verantwortung des Beschuldigten überzeugen, dass er zu mehr als einer leichten Betriebsbremsung gezwungen war und es bedurfte keines unerlaubten Rückgriffes auf die belastende Aussage der Schwägerin (anlässlich der Erstvernehmung durch die Gendarmerie).

Rechtlich war nämlich zu bedenken, dass es für den Beschuldigten als Benachrangten galt, die Situation genauestens abzuschätzen. Zum einen hatte er aus einer Steigung wegzufahren, sein PKW war mit vier Personen (zwei davon Kinder) besetzt und verfügte über keine allzu starke Motorkraft (52 kw). Zum anderen stand auf der Vorrangstraße links von ihm betrachtet ein PKW zum Linksabbiegen bereit, dessen Verharren ihn hätte besonders aufmerksam stimmen müssen. Zum anderen wies die Vorrangstraße, wenn der Beschuldigte rechts blickte, zu ihm ein entsprechendes Gefälle auf. Wenn nun von dieser Seite ein vollbeladener LKW-Sattelzug nahte, dann war es Sache des benachrangten Beschuldigten, besonders sorgfältig die Geschwindigkeit und die Distanz des herannahenden LKW-Sattelzuges zu schätzen, um eine verlässliche Übersicht aus allen Komponenten, nämlich seinem Beschleunigungsvermögen, dem zulässigen leichten Bremsmanöver des Sattelzuges und den schließlich noch zu gewährleistenden Sicherheitsabstand zu gewinnen.

Wenn der Beschuldigte daher keine Schätzung der Geschwindigkeit und der Distanz des Sattelzuges machte, dann vernachlässigte er wesentliche Komponenten seiner Sorgfaltspflicht.

Abgesehen davon, dass nach der fachkundigen Stellungnahme des zugezogenen Amtssachverständigen die feinmikroskopische Auswertung der Tachografenscheibe aufgrund einer Knickstelle (unbekannten Ursprungs) mit hochgradiger Wahrscheinlichkeit keine zusätzlichen genaueren, für den Ausgang des Verfahrens bedeutsamen Erkenntnisse hätte liefern können, wäre für die Verantwortung des Beschuldigten, dass nämlich der LKW-Lenker zu spät gebremst habe und der Beschuldigte ohnedies auf hinreichende Distanz - Angaben hiezu fehlen von ihm gänzlich - in die Kreuzung eingefahren, sei nichts Präzises zu gewinnen gewesen. Es fehlten dann nämlich noch immer verlässliche Kenndaten über die Zeit des Lenkens des Fahrzeuges des Beschuldigten auf die Vorrangstraße und die von ihm erreichte Geschwindigkeit sowie über eine exakte Anstoßgeschwindigkeit. Insoferne war eine weitere Beweisaufnahme entbehrlich. Alles in allem kam es nämlich entgegen den Ausführungen in der Berufung auf die Vermeidung des Anstoßes gar nicht an.

Die Vorschrift des § 19 Abs.7 StVO 1960 kann auch ohne Verursachung eines Unfalles verletzt werden.

Demnach darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a. StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer unter anderem diese Vorschrift übertritt.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Ein im Nachhang befindlicher Verkehrsteilnehmer darf in eine bevorrangte Verkehrsfläche nur einfahren, wenn er durch gehörige Beobachtung des bevorrangten Verkehrs in seiner tatsächlichen Gestaltung sich Gewissheit verschafft hat, dies ohne Gefährdung oder auch nur Behinderung unternehmen zu können (OGH 17.10.1984, 8 Ob 56/84).

Die Veranlassung zu einer mittleren Betriebsbremsung entspricht schon einer Nötigung zum unvermittelten Bremsen im Sinne des § 19 Abs.7 StVO (OGH 24.3.1981, 2 Ob 36/81). Die Nötigung das Fahrtempo in sogleich einsetzender und durchgehaltener Bremsung um die Hälfte herabzusetzen, kann nicht mehr mit der geringen Beeinträchtigung verglichen werden, die dem Vorrangberechtigten als geringfügige Ermäßigung der Fahrgeschwindigkeit zugemutet werden kann (OGH 12.5.1981, 2 Ob 74/81).

Die Höchstgerichte haben die Pflicht der gehörigen Beobachtung des bevorrangten Verkehrs besonders angesprochen und hiebei die Pflicht des Benachrangten insbesondere die Geschwindigkeit und die Distanz des herannahenden Fahrzeuges zu schätzen hervorgehoben (VwGH 22.10.1982, 80/02/2243; OLG Wien 12.5.1982, 22 BS 149/82). Auch ein Lenker, des mit überhöhter Geschwindigkeit nahenden bevorrangten Fahrzeuges darf vom Benachrangten nicht zu unvermitteltem Bremsen genötigt werden (OGH 7.9.1977, 8 Ob 112/113 77). Darüber hinaus muss nach der Veranlassung zum leichten Bremsen zwischen dem benachrangten und dem bevorrangten Fahrzeug auch noch der Sicherheitsabstand gewährleistet sein (vergl. OGH 17.10.1984, 8 Ob 56/84). Angesichts der einschlägigen Judikatur der Höchstgerichte, von welchen abzugehen der Oö. Verwaltungssenat keinen Anlass sieht, gingen einerseits die Ausführungen in der Berufung ins Leere, welche die überhöhte Geschwindigkeit und die Überladung des LKW als für das Verschulden des Rechtsmittelwerbers exkulpierend eingewendet wurden. Da das Fahrmanöver des Beschuldigten in der Zusammenschau aller Umstände den LKW-Lenker jedenfalls zu mehr als einer leichten Betriebsbremsung nötigte, war die objektive Tatseite als verwirklicht anzusehen.

Dass der Beschuldigte alles Mögliche und Zumutbare getan hätte, um vor seinem Einfahrmanöver in die Kreuzung sämtliche Umstände genauestens zu beobachten, die eine Gefährdung oder Behinderung des bevorrangten Verkehrs ausgeschlossen hätten, konnte er auch im Berufungsverfahren nicht dartun. Er hat dieses Defizit als Fahrlässigkeit zu verantworten.

Da die objektive und subjektive Tatseite erfüllt waren, musste der Schuldspruch bestätigt werden.

Was die Strafhöhe anlangt so war zu bedenken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Unrechtsgehalt wog schwer, zumal es über das Nötigen zu unvermitteltem Bremsen durch die Handlung des Beschuldigten hinaus es zu einem Unfall mit Personen und Sachschaden gekommen ist und darüber hinaus ein weiterer Verkehrsteilnehmer, nämlich G. Sch., erheblich gefährdet worden ist.

Wohl mochte sich bei der Schwere der Unfallsfolgen die Überladung des gegnerischen bevorrangten Fahrzeuges zu Gunsten des Beschuldigten als der Unrechtsgehalt etwas mindernd darstellen; die überhöhte Geschwindigkeit des LKW wäre jedoch von ihm ohnedies in Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten genau abzuschätzen gewesen, sodass alles in allem noch ein beträchtlicher Unrechtsgehalt verblieb.

Das Maß des Verschuldens - der Fahrlässigkeit - war ebenfalls beträchtlich, wenn der Beschuldigte die allseitigen Verhältnisse aufgrund der örtlichen Situation nicht gewissenhaft auslotete, zumal einerseits auf der Vorrangstraße ein Linksabbieger wartete und andererseits ein schwerer LKW talwärts fuhr und er mit dem besetzten PKW "bergwegfahren" musste.

Aus diesem Grunde schied das Absehen von einer Bestrafung im Sinne des § 21 VStG von vorneherein aus.

Die bedeutenden Gewichte der objektiven und subjektiven Tatseiten wurden gemildert durch die bisherige Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers und den Umstand, dass der Beschuldigte bei Sorgepflichten für vier Kinder nur ein Monatseinkommen von 11.000 S bis 12.000 S bezieht. Diese Umstände lassen es verständlich und gerechtfertigt erscheinen, dass die erste Instanz nur 20 % des Strafrahmens ausgeschöpft hat.

Insoweit war aber auch kein Ermessensmissbrauch festzustellen.

Auch die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem Verhältnismäßigkeits-grundsatz.

Aus all diesen Gründen musste der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Dies hatte gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG die gesetzliche Folge, dass der Rechtsmittelwerber einen Beitrag von 20 % der bestätigten Geldstrafe zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. G u s c h l b a u e r

Beschlagwortung: Beweiswürdigung, leichte Bremsverzögerung wird angesetzt mit 2,5 m/sek2

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