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VwSen-106085/8/Gu/Pr

Linz, 07.06.1999

VwSen-106085/8/Gu/Pr Linz, am 7. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung der St. T. bei der mündlichen Verhandlung nachmalig vertreten durch P. T., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 2.12.1998, Zl. III/S 24774/97 V1P SE, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach der am 26.4.1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Berufung zu Faktum I wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

Die Rechtsmittelwerberin hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 160 S zu bezahlen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG, § 11 Abs.1 StVO 1960 idF der 19. StVO-Novelle, § 99 Abs.3 lit.a leg.cit.

Bezüglich des Faktums II wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 1. Sachverhalt VStG eingestellt.

Diesbezüglich entfällt eine Kostenbeitragspflicht für das Berufungsverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Rechtsmittelwerberin mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 18.7.1997 um 15.10 Uhr in Linz auf der U., also Richtung W. kommend, in Richtung W., Fahrtrichtung stadteinwärts nach rechts in die K. einbiegend, das KFZ mit dem Kennzeichen gelenkt zu haben und

1.den Fahrstreifen nach rechts gewechselt zu haben, ohne sich vorher zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei,

2.vor dem Einbiegen nach rechts das Fahrzeug nicht auf den rechten Fahrstreifen ihrer Fahrtrichtung gelenkt zu haben.

Wegen Verletzung des § 11 Abs.1 StVO 1960 einerseits und des § 12 Abs.2 StVO 1960 andererseits, wurden ihr in beiden Fällen in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. Geldstrafen von zweimal 800 S, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von zweimal 24 Stunden und erstinstanzliche Verfahrenskostenbeiträge von 10 % der ausgesprochenen Geldstrafen auferlegt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung rügt die Rechtsmittelwerberin die Beweiswürdigung und die darauf aufgebaute unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Diesbezüglich verweist sie auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren, worin sie zum Ausdruck brachte, daß der Fahrstreifenwechsel schon vor dem Unfallszeitpunkt abgeschlossen gewesen sei. Es habe sich nicht um ein Schneiden ihrerseits durch ein Einbiegen nach rechts, sondern um einen Auffahrunfall, verschuldet durch den Lenker des LKW, begründet durch überhöhte Geschwindigkeit im Kreuzungsbereich und das Nichteinhalten des notwendigen Sicherheitsabstandes, gehandelt. Die Aussage des Lenkers dieses LKW, des Herrn B., seien im Ergebnis nicht zutreffend und hätten die Ermittlungen bei der Unfallaufnahme beeinflußt.

Unter Zugrundelegung, daß ihr Fahrzeug im Zuge des Geschehens um 180o versetzt worden sei, am LKW vorne links und am Fahrzeug der Beschuldigten am hinteren rechten Kotflügel lediglich geringe Beschädigungen entstanden seien, ergebe sich, daß der Aufprall des LKW bei der Bewegung ihres Fahrzeuges in Fahrtrichtung bzw. zum Abbiegen leicht nach rechts erfolgt sei und nicht durch ein Einbiegen ihres PKW über den rechten Fahrstreifen hinweg, weil hiedurch ein anderer Schadensverlauf aufgetreten wäre.

Das Heckteil ihres Fahrzeuges habe starke Beschädigungen aufgewiesen, die rechte Fahrzeugseite ihres PKW sei dagegen beinahe unbeschädigt geblieben.

Die von Herrn B. behauptete Notbremsung könne nicht nachvollzogen werden, weder durch das Tachoblatt noch durch Bremsspuren.

Im Ergebnis treffe sie kein Verschulden, sondern sei der Unfall durch die Unaufmerksamkeit des LKW-Fahrers verursacht und habe die Beschuldigte keine Fahrfehler begangen.

Im Ergebnis begehrt die Rechtsmittelwerberin wegen der Sache nicht bestraft zu werden.

Aufgrund der Berufung wurde am 26.4.1999 die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der die persönlich geladene Beschuldigte nicht erschien aber bei welcher sie durch ihren Sohn vertreten wurde. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde A. B. als Zeuge vernommen, in die Lichtbilder bezüglich der verunfallten Fahrzeuge erliegend unter ON 20 - 24 des erstinstanzlichen Verfahrensaktes sowie in die Verkehrsunfallskizze des Verkehrsunfallkommandos der BPD Linz angefertigt zur Zahl VU: 24744/97V1P und in die Tachographenscheibe des unfallbeteiligten LKW, Einsicht genommen und diese Beweismittel zur Erörterung gestellt. Ferner wurde die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Linz, Zl.: 43BAZ 903/97-1 (AN), vom 19.9.1997, betreffend die Zurücklegung der Anzeige im Verfahren gegen A. B. verlesen und das im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Gutachten des Amtssachverständigen vom 24.8.1998 zur Würdigung gestellt.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Die Rechtsmittelwerberin lenkte am 18.7.1997 gegen 15.10 Uhr ihren Kombi-Peugeot 205 mit dem Kennzeichen, auf der U. aus Richtung W. kommend in Richtung W. und benützte im Annäherungsbereich zur Kreuzung der U. mit der K. dabei den linken Fahrstreifen.

Zu gleicher Zeit lenkte Herr A. B. den LKW M.A.N. mit dem Kennzeichen auch auf der U. aus Richtung W. kommend und näherte sich auf dem rechten Fahrstreifen der U. fahrend der ampelgeregelten Kreuzung mit der K.. Er hielt dabei eine Geschwindigkeit von 50 km/h. Es herrschte an jenem Freitag erhebliches aber flüssiges Verkehrsaufkommen. Die Fahrbahn war naß, die Bodenmarkierungen (Leitlinie, Haltelinie und Richtungspfeile) in Kreuzungsnähe waren in gutem Zustand und gut wahrnehmbar. Die Rechtsmittelwerberin lenkte ihren Kombi mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h, setzte noch vor der Haltelinie zum Fahrstreifenwechsel an, mit der Absicht, im Weg über den rechten Fahrstreifen in die Kreuzung mit der K., in der sie ihre Wohnung hat, nach rechts einzubiegen. Die Verkehrslichtsignalanlage war auf grün geschaltet und der LKW-Fahrer hatte die Absicht, die Kreuzung auf seinem rechten Fahrstreifen in gerader Richtung zu überqueren.

Der LKW-Fahrer hatte das Fahrzeug der Beschuldigten in seinem Rückspiegel wahrgenommen, war jedoch überrascht, als sie dann kurz vor ihm, etwa 10 - 15 m vor der Haltelinie der ampelgeregelten Kreuzung auf den rechten Fahrstreifen wechselte, wodurch es trotz eingeleiteter starker Bremsung zum Anstoß des von ihm gelenkten LKW mit dem von der Beschuldigten gelenkten Fahrzeug kam. Dabei entstanden am LKW im Bereich des linken vorderen Scheinwerfers und des linken Stoßstangenbereiches Beschädigungen und wurde der von der Beschuldigten gelenkte Kombi am rechten hinteren Kotflügel eingedrückt und zerbarst das rechte Rücklicht.

Durch den Anprall kam der Kombi (Peugeot 205) ins Schleudern, drehte sich um ca. 180o und stieß verkehrt dahinschlitternd an eine auf der Kreuzung gegenüber befindliche Betonsäule, wodurch er an der rechtsseitigen Heckpartie erheblich beschädigt wurde und die Heckscheibe zerbarst.

Festzuhalten gilt, daß eben durch den knapp vor dem Kreuzungsbereich vorgenommenen Fahrstreifenwechsel, wobei allerdings noch keine Sperrlinie herrschte, der Vorwurf der Nichtbeachtung der Bodenmarkierungen und damit des Verstoßes gegen § 12 Abs.2 StVO 1960 nicht aufrechterhalten werden konnte. Was die rechtlich erheblichen Teile der Sachverhaltsfeststellungen betrifft, so ist unbestritten, daß die Tatörtlichkeit zwei Fahrstreifen aufwies und die Berufungswerberin im Einzugsbereich der Kreuzung U. - K. einen Fahrstreifenwechsel durchführte, wobei jedenfalls zum Zeitpunkt, als der LKW-Fahrer mit dem Kombi der Beschuldigten anstieß, der Kombi zumindest schon zum Teil auf dem rechten Fahrstreifen der U. fuhr.

Aus der Tachographenscheibe ist zweifelsfrei erwiesen, daß der Lenker des LKW zum Tatzeitpunkt mit 50 km/h fuhr und ein Bremsmanöver setzen mußte. Die Tatsache der Kollision und die Anstoßstellen der Fahrzeuge bekräftigen die Aussage des vernommenen Zeugen B., der darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung einen guten Eindruck hinterlassen hat und anläßlich der Unfallaufnahme durch das Verkehrsunfallkommando nach deren Bericht auf keine körperliche oder geistige Gebrechen schließen ließ. Auch der geringe Geschwindigkeitsunterschied der beiden Fahrzeuge sprechen dafür, daß es für den Vorgang der Beschuldigten mit ihrem Kombi am LKW vorbeizukommen, einer erheblichen Wegstrecke bedurfte, es für die Beschuldigte vor der Kreuzung knapp wurde, zunächst auf dem linken Fahrstreifen fahrend nach rechts in die K., in der sich ihre Wohnung befand, zu gelangen.

Für den Oö. Verwaltungssenat steht daher zweifelsfrei fest, daß der LKW-Fahrer durch das Fahrmanöver zumindest veranlaßt war, stark abzubremsen.

Rechtlich war dabei zu bedenken, daß gemäß § 11 Abs.1 StVO 1960 der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern darf oder den Fahrstreifen nur wechseln darf, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Aus diesem Gesetzestext im Vergleich zu § 19 Abs.7 StVO 1960 betreffend die Beachtung der Vorrangregeln geht daraus hervor, daß beim Fahrstreifenwechsel überhaupt keine Gefährdung oder Behinderung erfolgen darf, während eine Vorrangverletzung nur bei Veranlassung zu unvermitteltem Bremsen vorliegt.

Ein Fahrstreifenwechsel hat demnach zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist. Eine Behinderung liegt insbesondere dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen und Auslenken genötigt wird. (OGH 28.6.1978, 8 OB 103/78, abgedruckt in ZVR 1979/60).

Eine Mißachtung der Fahrregel des § 11 Abs.1 StVO 1960 ist gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 10.000 S im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu ahnden.

Nachdem an der Tatbestandsmäßigkeit, nämlich der Mißachtung dieser Fahrregel kein Zweifel bestand und die Rechtsmittelwerberin nichts darzutun vermochte, was sie auf der subjektiven Tatseite im Sinne des § 5 Abs.1 VStG entlastet hätte, war diesbezüglich der Schuldspruch zu bestätigen.

Hingegen war mangels Erwiesenseins des Umstandes, daß das Ansetzen zum Rechtsabbiegen entgegen der Bodenmarkierung vom linken Fahrstreifen aus geschehen sei, war das Verfahren bezüglich der angelasteten Übertretung des § 12 Abs.2 StVO 1960 einzustellen. Hätte nämlich die Beschuldigte in diesem Sinne ihr Fahrzeug gelenkt, so hätten die Schäden an ihrem Fahrzeug nach der Lebenserfahrung ein anderes Bild ergeben und sich auf weitere Teile der hinteren rechten Längsseite ihres Fahrzeuges erstreckt.

Hinsichtlich der Strafbemessung, die nicht gesondert angefochten und von Amts wegen geprüft wurde, war zu bedenken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Unrechtsgehalt der Tat wog beträchtlich, zumal das Fehlverhalten auch schadensträchtig war, welcher Umstand bei einem Ungehorsamsdelikt ansonsten a priori nicht erforderlich ist. Auch die subjektive Tatseite, die Fahrlässigkeit, war ausgehend von einer maßgerechten und geprüften Autolenkerin von Gewicht.

Mildernde Umstände, insbesondere jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit lagen nicht vor, zumal die Rechtsmittelwerberin am 13.3.1996 wegen Übertretung des § 4 Abs.2 StVO 1960 bestraft worden ist.

In der Zusammenschau der Umstände, auch unter Berücksichtigung, daß die Beschuldigte Pensionistin ist und eine Pension unter 10.000 S bezieht, kein Vermögen besitzt aber auch keine Sorgepflichten hat, kann der ersten Instanz kein Ermessensmißbrauch vorgeworfen werden, wenn sie eine Geldstrafe an der Untergrenze des Strafrahmens ausgesprochen hat. Auch die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses in diesem Punkte hatte zur Folge, daß gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG die Rechtsmittelwerberin verpflichtet ist, einen Beitrag von 20 % der bestätigten Geldstrafe zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. G u s c h l b a u e r

Beschlagwortung: Beweiswürdigung; bein Fahrstreifenwechsel darf überhaupt keine Behinderung erfolgen, Behinderung liegt bei Nötigung zum Abbremsen vor.

 

 

 

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