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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106188/3/ und 106189/2/WEI/Bk

Linz, 02.11.1999

VwSen-106188/3/ und 106189/2/WEI/Bk Linz, am 2. November 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 3. Kammer (Vorsitzender Dr. Fragner, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bissenberger) und durch sein Einzelmitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des L, gegen Spruchpunkt 1. (Kammer) und Spruchpunkt 2. (Einzelmitglied) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. Februar 1999, Zl. VerkR 96-12053-1998-Pre, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 5 Abs 1 und § 7 Abs 1 StVO 1960 (BGBl Nr. 159/1960 idFd 19. StVO-Nov BGBl Nr. 518/1994), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufgehoben und es werden die Strafverfahren zu beiden Spruchpunkten gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie lenkten am 11. Juli 1998 um ca. 04.45 Uhr den PKW, Kennzeichen , auf der Frankinger Landesstraße, L 504, aus Richtung Gundertshausen kommend, in Fahrtrichtung Franking, auf Höhe der Ortschaft Geretsberg, bis Strkm 4,382 und haben

  1. sich hiebei aufgrund des bei Ihnen gemessenen Atemluftalkoholgehaltes von 1,04 mg/l in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und
  2. als Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges dieses nicht so weit rechts gelenkt, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich war, zumal Sie die Fahrbahnmitte um annähernd 1 m überschritten haben und es aus diesem Grund bei Strkm 4,382 zu einer Kollision mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen kam."

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1. den § 5 Abs 1 StVO 1960 und zu Spruchpunkt 2. den § 7 Abs 1 1. Satz StVO 1960 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu Spruchpunkt 1. gemäß § 99 Abs 1 lit a) StVO 1960 eine Geldstrafe von S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 99 Abs 3 lit a) StVO 1960 eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden).

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters am 10. Februar 1999 zugestellt wurde, richtet sich die am 24. Februar 1999 noch rechtzeitig zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung der Strafverfahren in beiden Spruchpunkten angestrebt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Aus der Verkehrsunfallsanzeige des Gendarmeriepostenkommandos Eggelsberg vom 5. September 1998, Zl. P 357/98/Wi, geht hervor, dass der Bw am 11. Juli 1999 um ca. 04.30 Uhr seinen PKW Opel Ascona, Kz., auf der Frankinger Landesstraße L 504 in Richtung Geretsberg in alkoholisiertem Zustand lenkte. Auf Höhe der Ortschaft Geretsberg bei Strkm 4,382 kam es in einer leichten Linkskurve zu einer Streifkollision mit dem entgegenkommenden PKW Mercedes, Kz. , des A, weil der Bw seinen PKW über die Fahrbahnmitte auf den linken Fahrstreifen gelenkt hatte. Obwohl E noch versuchte nach rechts auszuweichen und dabei den linken Randstein streifte, kam es zur Kollision auf der linken Fahrzeugseite, bei der erheblicher Sachschaden entstand.

Die erhebende Sektorstreife E mit BezInsp. S und Insp. W fand die Fahrzeuglenker am Unfallort vor. Von den Fahrzeugen in Unfallendlage wurden Lichtbilder angefertigt. Da die Gendarmeriebeamten beim Bw eindeutige Alkoholisierungssymptome wie einen deutlichen Alkoholgeruch, unsicheren schwankenden Gang, eine lallende Sprache und deutliche Rötung der Bindehäute feststellen konnten (vgl Beilage zur separaten Anzeige vom 12.07.1998 an die BH Braunau) und der Bw auch Alkoholkonsum zugestand, wurde er von Insp. W zum Alkomattest aufgefordert. Die Atemluftuntersuchung erfolgte an der Unfallstelle mit dem geeichten Alkomat der Marke Dräger, Alcotest 7110 A, Serien-Nr. ARLA-0043. Laut Messprotokoll erfolgten Atemluftmessungen um 05.26 und 05.29 Uhr, die einen verwertbaren Wert von 1,04 mg/l (= 2,08 %o BAG) ergaben. Der vom Unfallgegner E abgelegte Alkotest verlief mit 0,0 mg/l negativ.

2.2. Die Gendarmerie E hat die beiden Fahrzeuglenker in der Folge auch niederschriftlich zur Sache vernommen. Der Bw gab bei seiner Einvernahme am 12. Juli 1998 an, dass er am 10. Juli 1998 gegen 20.30 Uhr beim Kirchenwirt M in F einige Gespritzte Wein getrunken hätte. In weiterer Folge wäre er gegen 24.00 Uhr in den Club R nach W gefahren, wo er dann noch ca. 5 Viertel Cola mit Rotwein getrunken hätte. Um ca. 04.15 Uhr wäre er vom R nach Hause gefahren, wobei er sich nicht mehr fahrtüchtig gefühlt hätte. Er wäre aber nie schneller als 60 km/h gefahren. In der Linkskurve im Bereich der Ortschaft Geretsberg lenkte er seinen PKW etwa in der Mitte der Fahrbahn, als ihm ein Fahrzeug entgegenkam. Er hätte noch versucht auszuweichen, jedoch zu spät reagiert und das andere Fahrzeug mit seiner linken Fahrzeugseite gestreift. Der Bw gab auch abschließend an, dass er sich am Zustandekommen des Unfalls schuldig fühlte.

Der am 27. Juli 1998 einvernommene Unfallgegner A schilderte den Vorfall aus seiner Sicht so, dass ihm am 11. Juli 1998 um ca. 04.30 Uhr auf der Frankinger Landesstraße von Geretsberg kommend in einer leichten Rechtskurve zwei Fahrzeuge entgegenkamen, wobei der zweite Fahrzeuglenker auf seine Fahrbahnseite herüberlenkte. Trotz eines Ausweichversuches nach rechts, bei dem er die Leitplanke streifte, kam es zur Kollision, weil der Bw schon sehr weit auf seiner Fahrbahnseite gefahren wäre. Als der Bw nach dem Unfall ausstieg, hätte der Zeuge schon gesehen, dass er stark alkoholisiert gewesen wäre. Er habe dann den Zulassungsbesitzer des von ihm gelenkten Fahrzeuges angerufen, der die Gendarmerie verständigte. Dass niemand verletzt wurde, wäre ein Glück gewesen.

2.3. Auf Grund der Strafanzeige des Gendarmeriepostens E vom 5. September 1998 , Zl. P-357/98/Wi, erhob der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht W am 14. Oktober 1998 Strafantrag gegen den Bw wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 iVm § 81 Z 2 StGB. In der vom Bezirksgericht am 4. November 1998 zur Zl. 1 U durchgeführten Hauptverhandlung wurde der Bw vom Vorwurf nach § 89 (§ 81 Z 2) StGB wegen Fehlens der gerichtlichen Strafbarkeit rechtskräftig freigesprochen (vgl Akt, Seiten 59 ff) . Dem StPOForm U 8 (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung - bei Freispruch) ist ein am 4. November 1998 zu 1U 100/98d aufgenommenes gerichtliches Protokoll angeschlossen, dem Feststellungen zur Unfallstelle und ein kraftfahrtechnisches Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. W, zu entnehmen sind.

Der Gutachter verwies auf die vorhandenen Lichtbilder und führte zunächst aus, dass die Kollision - in Fahrtrichtung des beschuldigten Bw gesehen - innerhalb des linken Fahrstreifens stattfand, wobei ein deutliches Überschreiten der Fahrbahnmitte in der Größenordnung von etwa 1 m erfolgte. Wegen der geringfügig überdeckten Kollision mit anschließendem Abgleiten wären keine Verletzungen entstanden. Die Situation wäre extrem günstig gewesen, da es zu keinem Verhaken mit Austausch der Geschwindigkeiten kam. Die Abgleitkollision wäre auf Grund einer Teilverhakung schwerwiegender gewesen, wäre die Überdeckung nur geringfügig größer gewesen. Wegen der Überdeckung von lediglich 10 cm trafen sich lediglich die Vorderräder außenseitig, was eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von lediglich 5 km/h, die als Ruck zu spüren war, ergeben hätte. Das rechtsseitige Abgleiten des von E gelenkten Fahrzeuges führte nur zu einer Streifung der Leitschiene im Bereich des rechten vorderen Radlaufes, wodurch keine nennenswerte Erschütterung stattgefunden hätte. Da das Unfallgeschehen so günstig verlaufen wäre, hätte keine besondere Verletzungsgefahr für die Fahrzeuginsassen im PKW E bestanden. Es grenzte daher nicht an ein Wunder, dass die Fahrzeuginsassen unverletzt blieben.

2.4. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 hat die belangte Behörde dem Bw die Verwaltungsübertretungen wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelastet. Mit der rechtsfreundlich verfassten Rechtfertigung vom 14. Dezember 1998 wurde auf das vom BG W durchgeführte Strafverfahren verwiesen, in dem der Bw am 4. November 1998 freigesprochen worden war. In weiterer Folge wird unter Hinweis auf den Wortlaut des Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK und die dazu ergangene Judikatur des EGMR und des VfGH die Ansicht vertreten, dass es nicht auf einen Schuld- oder Freispruch im gerichtlichen Strafprozess ankäme. Die Bestimmung des § 99 Abs 6 lit c) StVO verlange lediglich das Verwirklichen einer in die Zuständigkeit der Strafgerichte fallenden Tat. Der staatliche Strafanspruch wäre mit Durchführung eines gerichtlichen Strafprozesses unabhängig vom Prozessausgang konsumiert.

Die belangte Behörde erließ daraufhin das angefochtene Straferkenntnis und verwies begründend auf den Freispruch wegen Fehlens der gerichtlichen Strafbarkeit und darauf, dass sich das Gericht mit der Frage der Alkoholbeeinträchtigung überhaupt nicht beschäftigte. Unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 30. Juli 1998 im Fall Oliviera wird ausgeführt, dass der mangels Erfüllung eines gerichtlichen Tatbestandes Freigesprochene gemäß § 99 Abs 1 lit a) StVO zu bestrafen sei. Die angelasteten Verwaltungsübertretungen erachtete die belangte Behörde auf Grund der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos E als erwiesen.

2.5. Die Berufung bekämpft die rechtliche Argumentation der belangten Behörde als unrichtig und spricht von einem krassen Widerspruch zur Konkurrenzlehre. Im Gegensatz zum Fall Oliviera im Urteil des EGMR vom 30. Juli 1998 lägen gegenständlich keinesfalls idealkonkurrierende Bestimmungen vor. Im zitierten Urteil des EGMR wäre wesentlicher Entscheidungsgrund, dass Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK das Vorliegen zweier verschiedener Handlungen nicht von vornherein ausschließe, selbst wenn beide vom gleichen strafrechtlichen Sachverhalt umfasst und von verschiedenen Gerichten abgeurteilt worden wären, vor allem dann, wenn nicht kumuliert, sondern die geringere von der höheren Strafe absorbiert wurde. Gegenständlich gehe es nicht um Idealkonkurrenz, die nur vorliege, wenn der Beschuldigte mehrere Delikte durch eine Tat (Tateinheit) begangen habe. Idealkonkurrierende Delikte widersprächen auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes noch nicht dem Doppelbestrafungsverbot. In VfSlg 14696/1996 sei die verfassungsrechtliche Grenze so gezogen worden, dass eine strafbare Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft und ein weiteres Strafbedürfnis entfällt. Strafverfolgungen wegen mehrerer Delikte, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bildeten verfassungswidrige Doppelbestrafungen ( Hinweis auf VfGH 19.6.1998, G 275/96).

Nach Darstellung des § 99 Abs 1 lit a) iVm § 5 Abs 1 StVO und des § 89 StGB verweist die Berufung auf die Subsidiaritätsklausel des § 99 Abs 6 lit c) StVO idF BGBl I Nr. 3/1998 und zieht daraus den Schluss, dass die zitierten einfachgesetzlichen Bestimmungen nicht miteinander ideal konkurrierten, sondern im Verhältnis der Subsidiarität stünden.

In den Erkenntnissen vom 11. März 1998, G 262/1997 und VfSlg 14696/1996 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die Fälle der Scheinkonkurrenz im Wege der Auslegung festzustellen seien, wobei das Verbot der Doppelbestrafung im Wege verfassungskonformer Auslegung der Straftatbestände zum Tragen kommen müsse. Da die gegenständlichen Bestimmungen der StVO und des StGB im Verhältnis der einfachgesetzlich normierten Subsidiarität stehen, sei die vom Verfassungsgerichtshof (Erk. vom 19.6.1998, G 275/1996, Seite 11) dargelegte Prüfung der Scheinkonkurrenz nicht vorzunehmen.

Die erstbehördliche Behauptung, dass das Vorliegen der Alkoholisierung vom Strafgericht nicht geprüft worden wäre, sei unrichtig, weil es sonst nicht zu einer Hauptverhandlung wegen des Vergehens nach § 89 StGB gekommen wäre. Dem Strafantrag wäre natürlich das aktenkundige Alkomatmessergebnis zugrunde gelegen. Der Maßstab für die Subsidiarität könne nicht eine "Bestrafung" durch das Strafgericht sein. Das ergebe sich aus der Verfassungsbestimmung des Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK, wo nicht nur von Bestrafung, sondern auch von der Durchführung eines neuerlichen Strafverfahrens gesprochen werde, nachdem jemand bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist.

Somit sei der staatliche Strafanspruch ohne Unterschied, ob ein gerichtlicher Schuld- oder Freispruch ergangen ist, konsumiert, wenn das Strafgericht eine Hauptverhandlung auf Grund eines Strafantrages wegen § 89 StGB durchführt. Dass der österreichische Vorbehalt zu Art 4 des 7. ZP zur EMRK ungültig sei, stehe nach dem Urteil des EGMR im Fall Gradinger vom 23. Oktober 1995 fest und entspreche auch der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. § 22 VStG sei nur dann anzuwenden, wenn das Gesetz keine Subsidiaritätsklausel zugunsten des gerichtlichen Verfahrens beinhalte (Hinweis auf VfGH 7.10.1998, G 51/97 und G 26/98). Diese Argumente würden auch für die angelastete Übertretung nach § 7 Abs 1 Satz 1 StVO gelten.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine in tatsächlicher Hinsicht unstrittige Aktenlage vorgefunden, weshalb von dem oben dargestellten Sachverhalt ausgegangen werden konnte. In der Sache waren nur strittige Rechtsfragen zu beurteilen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Zunächst ist klarzustellen, dass auf den gegenständlichen Vorfall vom 11. Juli 1998 noch die StVO 1960 idFd 19. StVO-Novelle anzuwenden war, da die 20. StVO-Novelle BGBl I Nr. 92/1998 erst am 21. Juli 1998 kundgemacht wurde und für den Bw keine günstigere Rechtslage geschaffen hat.

Gemäß § 5 Abs 1 StVO darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Gemäß § 99 Abs 1 lit a) StVO idFd 19. StVO-Nov begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-- bis S 50.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen,

wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

Gemäß § 99 Abs 3 lit a) StVO idFd 19. StVO-Nov begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften der StVO oder der auf Grund der StVO erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

In tatsächlicher Hinsicht steht unbestritten und nach der Aktenlage hinreichend ausgewiesen fest, dass der Bw die ihm im angefochtenen Straferkenntnis näher angelasteten Verwaltungsübertretungen des Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand nach § 5 Abs 1 und des Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot nach § 7 Abs 1 StVO begangen hat. Dennoch ist es im Hinblick auf das vor dem Bezirksgericht W durchgeführte Strafverfahren wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB fraglich, ob der strafbehördliche Schuldspruch zu Recht ergangen ist.

4.2. Nach § 99 Abs 6 lit c) StVO idFd 19. StVO-Novelle (BGBl Nr. 518/1994) liegt keine Verwaltungsübertretung vor, wenn eine in Abs 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht. Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 ua Zlen (vgl EuGRZ 1997, 169 ff = JBl 1997, 447 ff = ZVR 1997/90) hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "in Abs 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" wegen des darin liegenden Ausschlusses der Subsidiarität des § 99 Abs 1 StVO als verfassungswidrig aufgehoben. Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art 4 Abs 1 des 7. ZP zur EMRK einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, liegt nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs darin, dass eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war. Dies sei der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt. Die Bedeutung Art 4 Abs 1 7. ZP zur EMRK sah der Verfassungsgerichtshof mit der Bundesregierung in der verfassungsrechtlichen Absicherung der Lehre von der Scheinkonkurrenz.

Diesen Standpunkt hat der Verfassungsgerichtshof in jüngeren Erkenntnissen weiterentwickelt und die Annahme von Scheinkonkurrenz im Wege der gebotenen verfassungskonformen Auslegung durch die Verwaltungsstrafbehörden gefordert, wenn die gerichtlich strafbare Handlung im Einzelfall den Unwert eines Täterverhaltens vollständig erschöpft (vgl die Erk. VfGH 11.3.1998, G 262/97 und G 328/97; VfGH 19.6.1998, G 275/96 und VfGH 7.10.1998, G 51/97 und G 26/98).

Durch das oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996 ist die Subsidiaritätsklausel des § 99 Abs 6 lit c) StVO in der Altfassung erweitert worden. Dementsprechend enthält auch die danach durch die Novelle BGBl I Nr. 3/1998 neugefasste Subsidiaritätsklausel, die nunmehr anzuwenden ist, keine Einschränkung mehr.

Die anzuwendende Subsidiaritätsklausel im Fall des § 99 Abs 6 lit c) StVO idgF lautet:

Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine Tat nach diesem Bundesgesetz oder nach den §§ 37 und 37a FSG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.

Nach dieser ausdrücklich angeordneten Subsidiarität kommt es nur darauf an, ob das eine Verwaltungsübertretung darstellende Verhalten zugleich unter einen gerichtlichen Straftatbestand zu subsumieren ist. Es ist nicht Voraussetzung der Subsidiarität, dass es zu einer gerichtlichen Verurteilung und Bestrafung des Täters gekommen ist. Wesentlich ist nur, dass eine Tat auch Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens wäre. Entgegen der Berufung setzt die ausdrückliche Subsidiaritätsklausel des § 99 Abs 6 lit c) StVO idealkonkurrierende Tatbestände voraus, weil das Tatverhalten sowohl nach der StVO als auch gerichtlich strafbar sein und in diesem Sinne Tateinheit vorliegen muss. Auch bedarf es bei der gegebenen Subsidiaritätsklausel keines Rückgriffes auf Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK und die dazu ergangene Judikatur, um verfassungskonforme Ergebnisse zu erzielen.

Schon in der bisherigen Judikatur war klargestellt, dass im Fall einer ausdrücklich angeordneten Subsidiarität eine Ausnahme vom verwaltungsstrafrechtlichen Kumulationsprinzip besteht (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A, 1996, E 5, 6, 10 und 11 zu § 30 VStG). Eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde besteht nur im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht. Bei Freispruch oder Einstellung hat die Strafbehörde hingegen nach der Judikatur selbständig zu prüfen, ob sie zur Ahndung einer Verwaltungsübertretung zuständig ist oder das Verwaltungsstrafverfahren wegen Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung einzustellen hat (vgl mwN Hauer/Leukauf, aaO, Anm 5 und E 3 zu § 30 VStG). Es kann daher durchaus vorkommen, dass ein in einer gerichtlichen Fehlentscheidung getroffener Freispruch im Hinblick auf die angeordnete Subsidiarität zur Einstellung der Verwaltungsstrafsache durch die Verwaltungsstrafbehörde zu führen hat, weil bei richtiger rechtlicher Beurteilung ein gerichtliches Strafurteil hätte ergehen müssen (vgl idS auch Messiner, StVO10,1999, Anm 30 zu § 99).

4.3. Im vorliegenden Fall ist daher der Grund des gerichtlichen Freispruches näher zu untersuchen. Die belangte Strafbehörde ist davon ausgegangen, dass die gegenständlichen Übertretungen der StVO mangels Erfüllung eines gerichtlichen Straftatbestandes verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden wären. In der gekürzten Urteilsausfertigung wird als Grund des Freispruchs "Fehlen der gerichtlichen Strafbarkeit" angegeben. Träfe diese rechtliche Beurteilung der Tat zu, hätte die belangte Behörde entgegen den Berufungsausführungen mit Recht das Straferkenntnis gegen den Bw erlassen, weil dann von Doppelbestrafung oder Doppelverfolgung keine Rede sein könnte.

4.3.1. Aus dem Gutachten des kraftfahrtechnischen Gerichtssachverständigen ergibt sich, dass die gegenständliche Abgleitkollision trotz des deutlichen Überschreitens der Fahrbahnmitte durch den Bw um etwa 1 m infolge der geringen Überdeckung der Frontecken von weniger als 10 cm und der damit verbundenen geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung extrem günstig verlaufen ist, weshalb keine besondere Verletzungsgefahr für die Fahrzeuginsassen bestanden hat. Schon bei nur geringfügig größerer Überdeckung wäre die Abgleitkollision auf Grund der Teilverhakung wesentlich schwerwiegender verlaufen. Der Sachverständige meinte in seiner abschließenden Wertung, dass die fehlenden Verletzungen nicht geradezu an ein Wunder grenzten, sondern dass bei der gegebenen extrem günstigen Kollisionssituation mit Verletzungen der Fahrzeuginsassen nicht zu rechnen war. Aus diesem Gutachten zog der Bezirksrichter offensichtlich den Schluss, dass im Hinblick auf die fehlende besondere Leibesgefahr für einen anderen der Straftatbestand des § 89 StGB mangels gerichtlicher Strafbarkeit ausscheide.

4.3.2. Diese Rechtsansicht ist unrichtig, weil § 89 StGB nach richtiger Ansicht zwei strikt zu trennende Deliktsfälle enthält. Die Herbeiführung des Gefährdungserfolges kann nämlich entweder unter den Voraussetzungen des § 81 Z 1 oder jenen des § 81 Z 2 StGB erfolgen (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3, Rz 6 zu § 89). Das qualifiziert gefährliche Verhalten iSd § 81 Z 1 StGB ("unter besonders gefährlichen Verhältnissen") ist vom konkreten Gefährdungserfolg des § 89 StGB streng zu unterscheiden (vgl Burgstaller, Wiener Kommentar, Rz 5 zu § 89; Kienapfel, BT I3, Rz 9 zu § 89; Leukauf/Steininger, aaO, Rz 4 zu § 89).

Es mag beim gegebenen Sachverhalt zwar zutreffen, dass keine außergewöhnlich hohe Verletzungsgefahr iSd § 81 Z 1 StGB vorlag. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass § 89 StGB überhaupt ausscheidet. Denn der zweite Deliktsfall setzt lediglich eine "einfache" konkrete Gefährdung im Minderrausch unter den Voraussetzungen des § 81 Z 2 StGB voraus. Von einer konkreten Gefahr, die die Möglichkeit eines schädlichen Verletzungserfolgs besorgen ließ (vgl dazu Leukauf/Steininger, aaO, Rz 7 zu § 89), wird man in der gegenständlichen Situation sprechen müssen. Denn ein deutliches Überschreiten der Fahrbahnmitte mit einer Geschwindigkeit von zumindest 60 km/h (Aussage des Bw), und die darauffolgende Kollision mit einem entgegenkommenden, etwa 60 bis 70 km/h schnellen Fahrzeuglenker führt erfahrungsgemäß typischerweise zu Verletzungen. Da vermutlich wegen des rechtsseitigen Ausweichmanövers des Zeugen E glücklicherweise nur eine Abgleitkollision mit geringfügiger Überdeckung stattfand, traten keine Verletzungsfolgen auf. Dabei handelte es sich - ex ante betrachtet - um unberechenbare und unvorhersehbare glückliche Umstände, die der kraftfahrtechnische Gutachter auch in seinem Befund aufzeigte. Demnach war es einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass keine Verletzungen auftraten. Der Sachverständige sprach von einer "extrem günstigen Kollisionssituation" und brachte damit nichts anderes zum Ausdruck.

4.3.3. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die konkrete Gefährdung eines anderen nicht verneint werden dürfen. Auch die zumindest fahrlässige Versetzung in einen Minderrausch, obwohl er vorhersehen hätte können, dass ihm noch die gefahrenträchtige Tätigkeit des Lenkens eines Kraftfahrzeuges bevorsteht, liegt beim Bw nach seiner eigenen Verantwortung eindeutig vor. Nach Ansicht der erkennenden Kammer wäre der Bw daher wegen Begehung des 2. Deliktsfalles des § 89 StGB unter den im § 81 Z 2 StGB genannten Umständen vom Strafrichter zu verurteilen gewesen. Mit dem Freispruch liegt deshalb ein Fehlurteil des Bezirksgerichts W vor, das mangels eines Rechtsmittels des öffentlichen Anklägers in Rechtskraft erwachsen ist.

Da beim gegebenen Sachverhalt der gerichtlich strafbare Tatbestand des § 89 StGB verwirklicht wurde, kann entsprechend der Subsidiaritätsklausel des § 99 Abs 6 lit c) StVO keine verwaltungsstrafrechtliche Ahndung der an sich idealkonkurrierend gegebenen Verwaltungsübertretungen stattfinden. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufzuheben. Die Strafverfahren waren zu beiden Spruchpunkten mangels strafbarer Verwaltungsübertretungen gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfiel gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r Dr. W e i ß

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