Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106353/6/Ga/Ri

Linz, 31.07.2000

VwSen-106353/6/Ga/Ri Linz, am 31. Juli 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Ing. Mag. N M in P gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 3. Mai 1999, Zl. VerkR96-2274-1998-OJ/KB, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), nach öffentlicher Verhandlung am 21. Juli 2000 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 3. Mai 1999 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 22. April 1998 um 18.00 Uhr einen durch das Kennzeichen bestimmten PKW in O aus Richtung P kommend auf der B bei der Kreuzung mit der W gelenkt und dabei bei rotem Licht der Verkehrsampel als Zeichen für "Halt" das Fahrzeug nicht vor der Kreuzung angehalten und sei in die W eingefahren. Dadurch habe er § 99 Abs.3 lit.a iVm § 38 Abs.5 iVm § 38 Abs.1 lit.c StVO verletzt.

Über ihn wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) kostenpflichtig verhängt.

Im Hinblick auf die gegen dieses Straferkenntnis erhobene, die Tatseite im Wesentlichen mit dem Vorbringen, er sei bei "Grün" in die Kreuzung eingefahren und er wehre sich dagegen, dass den Angaben des Meldungslegers von vornherein eine höhere Glaubwürdigkeit zugemessen, seine Darstellung jedoch als Schutzbehauptung abgetan werde, bestreitende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat am 21. Juli 2000 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt und auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens (vernommen wurde der Meldungsleger als Zeuge sowie der Berufungswerber; die belangte Behörde als weitere Verfahrenspartei hatte auf die Teilnahme verzichtet) erwogen:

Vorliegend standen sich die Aussage des Berufungswerbers und die Aussage des Zeugen im entscheidenden Punkt widersprechend gegenüber. Die für die Bestätigung des Schuldspruchs erforderliche Sicherheit für die Annahme der belangten Behörde, es sei der Berufungswerber bei rotem Licht der Verkehrsampel in die W eingefahren, konnte nicht erzielt werden.

Aus dem konkreten Vernehmungsverhalten (Bestimmtheit in den Antworten; Tonfall und Körpersprache, insbesondere in den Schilderungen der gegensätzlichen Standpunkte; Schlüssigkeit im Detail und im großen Bogen) gewann das erkennende Mitglied nicht den Eindruck, dass die Glaubwürdigkeit des Berufungswerbers hinter jener des Zeugen zurückblieb. Im Gegenteil: In der Genauigkeit bei bestimmten Detailbeschreibungen konnte der Berufungswerber Vorteile für sich verbuchen.

Beide gaben an, die in Rede stehende Kreuzung mit ihren verschiedenen Ampeln durch nahezu tägliche Erfahrung über Jahre hinweg genau zu kennen. Davon ausgehend war jedoch auffallend, dass der Zeuge die Situierung der Hauptampel zunächst anders beschrieb (nämlich: am Spitz zwischen der Rechtsabbiegespur und der Bundesstraßenfahrbahn und zwar neben der Ampel für die W, wobei er offen lassen musste, ob die Hauptampel am selben Masten wie die Ampel für die Rechtsabbiegespur oder auf einem eigenen Masten angebracht ist) und über Vorhalt der vom Berufungswerber abgegebenen Beschreibung dann bestätigte, dass die Hauptampel tatsächlich, so wie vom Berufungswerber beschrieben, auf Seilen hängend über der Kreuzungsmitte angebracht ist. Diesem Manko des Zeugen in der Beobachtung der Kreuzungsgegebenheiten kommt einige Beachtlichkeit zu, weil der Zeuge seine Angaben zum Querverkehr auch auf die Beobachtung der Hauptampel stützte ("während der lange dauernden Rotphase der Rechtsabbiegeampel hat die Hauptampel einige Male von Rot auf Grün gewechselt").

Die Darstellung des Berufungswerbers, dass zwischen der Durchfahrt beider Züge die Rechtsabbiegeampel auch auf Grün schalten kann, wurde vom Zeugen nicht widerlegt ("das hängt von den genauen Durchfahrtszeiten der Züge ab und vom Programm der Ampeln - die Züge können mal früher, mal später durchfahren"). Andererseits wurde durch die Schilderung des Zeugen nicht plausibel aufgeklärt, warum ausgerechnet zum Vorfallszeitpunkt die Rotphase ununterbrochen derart lang, nämlich vier bis fünf Minuten angedauert haben soll. In dieser Zeit, so der Zeuge, habe nicht nur die Hauptampel einige Male (offen blieb, wie oft tatsächlich) von Rot auf Grün gewechselt und seien beide Züge durchgefahren. Der Beru-

fungswerber hat nur die Durchfahrt eines Zuges wahrgenommen. Dies kann jedoch seine Erklärung auch darin haben, dass er jedenfalls später als der Zeuge zur Kreuzung gekommen ist und schon daher nicht ausgeschlossen scheint, dass der von ihm wahrgenommene Zug bereits der Gegenzug gewesen ist.

Als ungewöhnlich beurteilt das erkennende Mitglied, dass der Berufungswerber vor dem Ausscheren und Vorbeifahren am noch immer vor der Ampel wartenden PKW des Zeugen nicht gehupt hat. Für lebensnäher hielte das h Tribunal, dass in Situationen, wie sie der Zeuge beschrieb, zunächst ein Hupzeichen gegeben wird, um so den "Vordermann" aufmerksam zu machen, dass die Ampel bereits auf Grün geschaltet hat. Dieses daher wenig glaubwürdige Verhalten wird allerdings aufgewogen durch den Umstand, dass der Zeuge seinerseits auch kein Hupzeichen oder Blinkzeichen gab, als er wahrgenommen habe, dass der Berufungswerber an ihm vorbei gefahren und trotz roten Ampellichtes in die W abgebogen sei. Dieses "Stillhalten" scheint dem h Tribunal noch weniger lebensnah, gerade wenn bedacht wird, dass der Zeuge Polizist ist (wobei es für die Würdigung in diesem Punkt keinen Unterschied macht, dass er bereits sich außer Dienst befunden hatte).

Und schließlich ist als Widerspruch in der Schilderung des Zeugen zu werten, wenn er angibt, er habe dem Auto nachgeschaut und habe selbst das Kennzeichen notiert; es sei jedoch neben ihm seine Gattin gesessen und zu dieser habe er gesagt, schreibe bitte das Kennzeichen auf, worauf sie aus dem Handschuhfach Zettel und Schreibgerät nahm und das Kennzeichen notiert habe.

Dass die Gattin des Zeugen mit ihm im Auto war, ist erst in der öffentlichen Verhandlung hervorgekommen. Aus dem vorgelegten Strafakt war diesbezüglich kein Hinweis ersichtlich und ist daher anzunehmen, dass die belangte Behörde keine Kenntnis von diesem Umstand hatte. Im Hinblick auf ihren Verhandlungsverzicht war die belangte Behörde allerdings nicht in der Lage, zur Verteidigung des angefochtenen Straferkenntnisses den Zeugenbeweis durch Vernehmung der Gattin des Meldungslegers zu beantragen. Von sich aus hatte der Oö. Verwaltungssenat, der keine Strafverfolgungsbehörde ist (vgl VwGH 26.4.1999, 97/17/0334; mit Hinweisen auf weiterführende Judikatur des EGMR und des VfGH), keine Möglichkeit, diesen Zeugenbeweis durchzuführen (um belastende Umstände zum Nachteil des Berufungswerbers erst herbeizuschaffen).

Zusammenfassend hält es das erkennende Mitglied für zwar nicht unwahrscheinlich, dass zur Vorfallszeit die Rotphase der Rechtsabbiegeampel ungewöhnlich lange andauerte und der Berufungswerber durch Ungeduld veranlasst in die Weingartenstraße verbotenerweise einfuhr. Eine schlichte Wahrscheinlichkeit ist aber für den Schuldspruch im Verwaltungsstrafverfahren nicht ausreichend. Der sichere Beweis jedoch konnte nach den Ergebnissen der öffentlichen Berufungsverhandlung nicht erbracht werden. Vielmehr war im Hinblick auf die dargelegten Ungereimtheiten und Unsicherheiten im Zweifel zu Gunsten des Berufungswerbers wie im Spruch zu erkennen.

Dieses Verfahrensergebnis entlastet den Berufungswerber auch aus seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner