Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106389/2/Le/Km

Linz, 21.06.1999

VwSen-106389/2/Le/Km Linz, am 21. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Dr. P F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.5.1999, VerkR96-11628-1998-Pue, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 31, 32 Abs.2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.5.1999, wurden über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretungen des

  1. § 7 Abs.1 erster Satz Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz: StVO 1960),
  2. § 11 Abs.1 StVO 1960 und
  3. § 11 Abs.2 erster Satz StVO 1960

Geldstrafen in Höhe von je 500 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 24 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, am 5.6.1998 um ca. 19.28 Uhr auf einer näher bezeichneten Stelle der Westautobahn in Fahrtrichtung S als Lenker des Fahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen ,

  1. dieses nicht so weit rechts gelenkt zu haben, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich war,
  2. den Fahrstreifen gewechselt zu haben, ohne sich vorher zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und
  3. den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nicht so rechtzeitig angezeigt zu haben, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 13.5.1999, mit der schlüssig beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung wendete der Berufungswerber Verjährung ein, da gegen ihn innerhalb der sechsmonatigen Frist keine Verfolgungshandlung gesetzt worden sei. Eine Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG stelle keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs.2 VStG dar.

Im übrigen gab er seine neue Adresse bekannt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Da schon aus dem vorgelegten Verwaltungsakt hervorgeht, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG eine mündliche Verhandlung entfallen.

    1. . Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der nunmehrige Berufungswerber wurde von einem anderen Pkw-Lenker angezeigt, weil er diesen auf der Westautobahn kurz vor Linz durch einen absichtlich durchgeführten Fahrstreifenwechsel, den er nicht angezeigt hätte und der auch nicht erforderlich gewesen wäre, sondern lediglich dazu dienen sollte, den anderen Fahrzeuglenker am Überholen zu hindern, gefährdet und behindert hätte.

Diese Anzeige wurde bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck erstattet, wo der Anzeiger seinen Wohnsitz hat. Daraufhin wurde von der Bundespolizeidirektion Innsbruck der Lenker ausgeforscht und die Angelegenheit sodann der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Linz-Land abgetreten. In der Lenkeranfrage hatte der nunmehrige Berufungswerber angegeben, selbst das Kraftfahrzeug gelenkt zu haben.

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land richtete daraufhin ein Rechtshilfeersuchen an die Bezirkshauptmannschaft M, welches mit 22.10.1998 datiert ist. Darin wurde wie folgt um Rechtshilfe ersucht:

"Beiliegender Akt wird mit der Bitte um Einvernahme des Beschuldigten Herrn Dr. P F übermittelt.

Ebenfalls wird ersucht, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu erheben und bekanntzugeben.

Weiters wird ersucht, die Verwaltungsvorstrafen und ev. Verwaltungsmaßnahmen (Entzüge bzw. Androhungen) des Beschuldigten Herrn Dr. P F anher zu übermitteln."

Die angelasteten Taten wurden im Gegenstand wie folgt dargestellt:

"Dr. P F, geb. am ; Vorfall vom 5.6.1998, um ca. 19.28 Uhr, auf der A 1, bei Km 162,5, in Fahrtrichtung Westen, kurz vor L; Verw.Übertr.n. § 7/1 StVO 1960, § 11/1 StVO 1960 und § 11/2 StVO 1960".

Die Bezirkshauptmannschaft M trat dieses Rechtshilfeersuchen an die Marktgemeinde M E ab, die nach zwei vergeblichen Ladungsversuchen den Akt wiederum an die Bezirkshauptmannschaft M retournierte, die diesen sodann der anfragenden Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zurückreichte.

Daraufhin erließ die Erstbehörde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit einer Geldstrafe in Höhe von nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Der Berufungswerber hat die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht bestritten, sondern (lediglich) Verfolgungsverjährung eingewendet. Seiner Ansicht nach wäre die Lenkeranfrage keine derartige taugliche Verfolgungshandlung, die die Verfolgungsverjährung unterbricht.

Mit dieser Ansicht ist der Berufungswerber im Recht; er übersieht jedoch, daß ein Rechtshilfeersuchen einer Bezirkshauptmannschaft grundsätzlich eine taugliche Verfolgungshandlung darstellt, die die Verfolgungsverjährungsfrist unterbricht:

§ 32 Abs.2 VStG bestimmt dazu folgendes:

"(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Nach Lehre und Judikatur zu dieser Bestimmung muß eine Verfolgungshandlung, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt,

  1. von einer Behörde (welche das VStG anzuwenden hat, aber nicht zuständig sein muß), ausgehen,
  2. gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten (also nicht bloß zur Ermittlung des noch unbekannten Täters) gerichtet sein,
  3. innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein (z.B. zur Post gegeben worden sein) und
  4. wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert, daß sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Es ist daher schon im Beschuldigten-Ladungsbescheid bzw. der Aufforderung nach § 40 Abs.2 VStG die Tat ausreichend zu konkretisieren (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 923).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht alle erfüllt:

Die sachlich und örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat zwar gegen den Beschuldigten Dr. P F am 22.10.1998 - und somit innerhalb der am 5.6.1998 begonnenen Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten - eine (an sich) taugliche Verfolgungshandlung, nämlich ein Rechtshilfeersuchen an die Bezirkshauptmannschaft M im Postwege abgesandt; das Rechtshilfeersuchen langte dort am 27.10.1998 ein.

Es wurden in diesem Ersuchen jedoch die angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht ausreichend bezeichnet:

Es war zwar der gesamte Verwaltungsakt dem Schreiben angeschlossen, doch fehlte eine Konkretisierung der angelasteten Verwaltungsübertretungen, da kein einziges Sachverhaltselement darin genannt wurde. Die bloße Nennung der verletzten Bestimmungen durch Zitierung der Paragraphen reicht zur Umschreibung der Tatanlastung jedenfalls nicht aus.

Somit wurde innerhalb der in § 31 Abs.2 VStG genannten Frist keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt, weshalb Verfolgungsverjährung eingetreten und eine Verfolgung des Berufungswerbers somit unzulässig ist (§ 31 Abs.1 VStG).

Da die eingetretene Verfolgungsverjährung in jedem Stadium des Strafverfahrens wahrzunehmen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der Erstbehörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, da seiner Berufung Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Leitgeb

Beschlagwortung:

Verjährung; Rechtshilfeersuchen

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