Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106393/14/Ga/Pe

Linz, 08.08.2002

VwSen-106393/14/Ga/Pe Linz, am 8. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

(Ersatzerkenntnis)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die - auf die Strafe eingeschränkte - Berufung des BM, vertreten durch Dr. JP, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Mai 1999, VerkR96-1643-1999-Pre, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben; die verhängte Geldstrafe wird auf 650 €, die Ersatzfreiheitsstrafe auf acht Tage, der auferlegte Kostenbeitrag auf 65 € herabgesetzt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24 VStG; § 19 VStG iVm § 34 Abs.2 StGB, § 51 Abs.1, 51c, § 64 f VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit dem eingangs bezeichneten Straferkenntnis (Faktum 1.) wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 21. März 1999 um 02.26 Uhr einen durch die Marke und das Kennzeichen bestimmten Pkw im Gemeindegebiet von Handenberg auf einem Güterweg in örtlich näher beschriebener Weise gelenkt und sich dabei auf Grund des bei ihm gemessenen Atemluftalkoholgehaltes von 0,85 mg/l in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Dadurch habe er § 5 Abs.1 StVO verletzt. Über ihn wurde gemäß "§ 99 Abs.1 a StVO" (nach dem ganzen Akteninhalt erkennbar gemeint: § 99 Abs.1 lit.a StVO) eine Geldstrafe von 16.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) kostenpflichtig verhängt.

Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung - ohne tatseitige Bestreitung, jedoch mit Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung - wies der Unabhängige Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 18. Juni 1999, VwSen-106393/3/Ga/Km, kostenpflichtig ab, welche Entscheidung, nach dagegen erhobener Beschwerde (mit der der Berufungswerber, auf den Punkt gebracht, die Begründetheit der sogen. Relevanzjudikatur iZm der als Verfahrensmangel zu prüfenden Nichtdurchführung einer öffentlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat als Tribunal unter Rückgriff auf Art.6 Abs.1 EMRK in Frage stellte), jedoch nun vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. April 2002, Zl. 99/02/0197 (eingelangt hier am 6.6.2002), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Begründend vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, es sei, weil der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (in der Berufung) beantragt habe, das Tribunal im Beschwerdefall verpflichtet gewesen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was der Beschwerdeführer zu Recht gerügt habe. Weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Tribunal bei Durchführung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, habe es in dieser Hinsicht den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Durch das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt das angefochtene Straferkenntnis vom 7. Mai 1999 neuerlich der Kognition durch das Tribunal, die sich in diesem Fall jedoch nur mehr auf die Richtigkeit und Angemessenheit des Strafausspruches zu erstrecken hat, weil der Berufungswerber mit Schriftsatz vom 20. Juni 2002 die Berufung, soweit sie auch die Schuldfrage erfasste, ausdrücklich zurückgezogen hat. Der Schuldspruch ist somit rechtskräftig (unangreifbar) geworden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete die Verhängung der gesetzlichen Mindestgeldstrafe in diesem Fall (16.000 öS; entspricht nunmehr gemäß Art.6 BGBl. I Nr. 32/2002: 1.162 €) auf der Grundlage der - wiedergegebenen - Kriterien des § 19 VStG mit dem grundsätzlichen Hinweis, dass "Alkoholdelikte zu den schwerwiegendsten Verfehlungen im Straßenverkehr zählen. Alkoholdelikte weisen einen hohen Unrechtsgehalt auf, weil diese Verstöße im besonderen Maße geeignet sind, die durch die Strafdrohung geschützten Rechtsgüter, Leben und Gesundheit von Menschen, zu gefährden. Alkoholbeeinträchtigte Kraftfahrzeuglenker stellen auf Grund der verminderten Reaktions- und Beobachtungsfähigkeit, verbunden mit erhöhter Risikobereitschaft, eine erhebliche Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer dar.

Auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (S 15.000,-- monatliches Nettoeinkommen, Unternehmen als Vermögen, Schulden in der Höhe von S 2 Mio., Sorgepflichten für 2 Kinder) wurde bei der Bemessung der Strafe Bedacht genommen. Strafmildernd war das Geständnis sowie die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten. Straferschwerende Gründe lagen keine vor."

Der Berufungswerber begehrt nunmehr die außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG und verweist begründend auf die von der belangten Behörde schon als besondere Milderungsgründe iSd § 34 StGB gewerteten Umstände seines "Geständnisses" und seiner absoluten Unbescholtenheit, welche Gründe für sich schon den Milderungstatbestand des § 20 VStG ins Blickfeld hätten rücken müssen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der unstrittigen Aktenlage zwar ein durchaus von Deliktseinsicht getragenes Verhalten des Berufungswerbers, aber kein - iSd Judikatur - als besonderer Milderungsgrund iSd § 34 Z17 StGB zu wertendes Geständnis vorliegt. Die Annahme der absoluten Unbescholtenheit hingegen stimmt mit der Aktenlage überein und wurde von der belangten Behörde zutreffend als besonderer Milderungsgrund iSd § 34 Z2 StGB gewertet.

Zur Begründung seines Milderungsantrages trägt der Berufungswerber weiters vor, es sei die in Rede stehende Verwaltungsübertretung im Rahmen einer normalen Verkehrskontrolle festgestellt worden, er habe an der Sachverhaltsfeststellung mitgewirkt, obwohl es ihm freigestanden wäre den Alkotest zu verweigern, er sei in keinen Verkehrsunfall verwickelt gewesen und es habe die Tat keinerlei nachträgliche Folgen nach sich gezogen.

Diese, aus der Aktenlage nicht zu bestreitenden Umstände vermögen jedoch noch keine besonderen Milderungsgründe iSd § 34 StGB zu belegen. Immerhin aber ist dieses Vorbringen nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates geeignet, die aus dem besonderen Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit abzuleitende Einschätzung, wonach eben deswegen der spezialpräventive Strafzweck gegenüber dem Beschuldigten in den Hintergrund zu treten hat, zu bestärken.

Zu Recht hingegen wendet der Berufungswerber die lange Verfahrensdauer in diesem Fall als besonderen Milderungsgrund iSd § 34 Abs.2 StGB ein ("Ein Milderungsgrund ist es auch, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat.").

Der Unabhängige Verwaltungssenat schließt sich der Auffassung des Berufungswerbers an, dass das von ihm seiner Berufungseinschränkung beigelegte Urteil des Eidgenössischen Bundesgerichtes vom 7. Juni 1991, Zl. 117 IV 124, Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Dabei folgt der Unabhängige Verwaltungssenat zur Frage, ob im Berufungsfall die Verfahrensverzögerung bereits als Verletzung des Beschleunigungsgebotes (Art.6 Abs.1 EMRK) zu werten sei, der Auffassung jenes Gerichtes, wenn es in den Erwägungen zur zit. Entscheidung wie folgt ausführt:

"Gemäss Art.6 Ziff.1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache innert einer angemessenen Frist gehört wird. Dieses sogenannte Beschleunigungsgebot gilt insbesondere auch im Strafverfahren. Die Frist, deren Angemessenheit zu beachten ist, beginnt mit der offiziellen amtlichen Mitteilung der zuständigen Behörde an den Betroffenen, dass ihm die Begehung einer Straftat angelastet werde (vgl. den Fall Eckle, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 15. Juli 1982, Publications de la Cour européenne des Droits de I´homme, Série A Vol. 51 = EuGRZ 1983, S.371 ff.; MIEHSLER/VOGLER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1986, Art.6 N 313). Es ist sachgerecht, auf diesen Zeitpunkt abzustellen, da der Betroffene von der Bekanntgabe des Schuldvorwurfes an dem Druck und den Belastungen strafprozessualer Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt ist (MIEHSLER/VOGLER, a.a.O.)

Der Endzeitpunkt, auf welchen es für die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ankommen soll, ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die letzte Entscheidung in der Sache; insbesondere sollen auch alle Verfahren vor Rechtsmittelinstanzen, einschliesslich Rückweisungen und Kassationen, mitberücksichtigt werden (MIEHSLER/VOGLER, a.a.O. N 314 mit Hinweisen)."

Dass in die vorliegend - aus dem Blickwinkel der sinngemäßen Anwendung des § 34 Abs.2 StGB - relevante Verfahrensdauer auch die Dauer des VwGH-Verfahrens grundsätzlich einbezogen werden muss, ist seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2001, B 4/01, klar gestellt. Davon ausgehend hält es der Unabhängige Verwaltungssenat nach den Umständen dieses Falles für gerechtfertigt, von einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes zu sprechen, wenn der Verwaltungsgerichtshof - ohne dass irgendwelche schwierige Rechtsfragen zu lösen gewesen wären - für die einfache, nicht weiter vertiefte Feststellung eines Verfahrensmangels infolge nicht durchgeführter öffentlicher Verhandlung ein (bis auf wenige Tage) dreijähriges Verfahren abführt. Diese somit nicht beim Tribunal, sondern beim Verwaltungsgerichtshof stattgefundene, zwar noch nicht exzessive, den Bereich des Üblichen allerdings schon überdehnende Verfahrensverzögerung war aus den vorgenannten Erwägungen vom Unabhängigen Verwaltungssenat im nunmehr zu erlassenden Ersatzerkenntnis als besonderer Milderungsgrund zu berücksichtigen.

War damit aber, zusammenfassend, von der Erfüllung des Tatbestandselementes gemäß § 20 VStG ("beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe") - bei Fehlen von Erschwerungsgründen - auszugehen, so war in Erfüllung des daher gegebenen Anspruchs des Berufungswerbers die vorliegend verhängte Mindestgeldstrafe auf das nun festgesetzte Ausmaß zu mildern.

Der beantragten höchstmöglichen Herabsetzung auf die Hälfte der Mindestgeldstrafe war jedoch nicht zu entsprechen, weil im vorliegenden Fall das Gewicht der "Beträchtlichkeit" des Überwiegens der Milderungsgründe noch nicht ganz das hiefür erforderliche, besondere Übermaß erreicht hatte.

Bei diesem Verfahrensergebnis war auch das Ausmaß der Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend zu mildern und der auferlegte Kostenbeitrag zu kürzen. Ein Beitrag zu den Kosten des Tribunalverfahrens war nicht aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 15.04.2005, Zl.: 2003/02/0029-7

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