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VwSen-106433/14/Ki/Shn

Linz, 27.09.1999

VwSen-106433/14/Ki/Shn Linz, am 27. September 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Johann Z, vom 7. Juni 1999 gegen das Straferkenntnis der BH Ried/I vom 21. Mai 1999, VerkR96-6808-1998, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 21. September 1999 zu Recht erkannt:

I. Hinsichtlich der Fakten 2 und 3 wird der Berufung Folge gegeben. Diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Hinsichtlich Faktum 1 wird die Berufung als unbegründet abgewiesen. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich nach der Maßgabe bestätigt, daß im zweiten Satz der zweite Halbsatz "..., bei dem zwei Personen leicht verletzt wurden." zu entfallen hat.

II. Hinsichtlich der Fakten 2 und 3 entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Hinsichtlich Faktum 1 hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 200 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

Zu II: §§ 64 und 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Ried/I hat mit Straferkenntnis vom 21. Mai 1999, VerkR96-6808-1998, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe

1. am 2.10.1998 um ca 09.20 Uhr den PKW in E auf der Wberger Straße zur Kreuzung mit der 1083 Mehrnbacher Straße gelenkt und sei dort nach links auf diese eingebogen. Dabei kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem zwei Personen leicht verletzt wurden. Er habe es nach diesem Verkehrsunfall unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug die Unfallstelle verlassen hat.

2. es nach dem im Punkt 1 angeführten Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt wurden, unterlassen, diesen Hilfe zu leisten oder unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen,

3. es nach dem im Punkt 1 angeführten Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt wurden, unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 wurden über ihn Geldstrafen in Höhe von jeweils 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 20 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 300 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

Als Begründung führt die BH Ried/I im wesentlichen an, daß den Rechtfertigungsangaben des Bw, wonach er irrtümlich einen Sachverhalt angenommen hätte, der die Rechtswidrigkeit der Übertretungen ausschließen würde, Glauben geschenkt werde. Aus der im Unfallprotokoll aufliegenden Übersichtsskizze ergebe sich, daß der PKW von Frau W nur wenige Meter nach der Kreuzung bzw nach der Unfallstelle auf dem rechten Gehsteig abgestellt war und es sich um eine gerade und übersichtliche Straßenstelle handelt. Von der Stillstandsposition des Bw aus müsse der gegenständliche PKW daher objektiv wahrnehmbar gewesen sein. Von jedem durchschnittlichen Autofahrer müsse verlangt werden, daß er sich nach einem Verkehrsunfall davon überzeuge, ob Absicherungsmaßnahmen notwendig sind, um weitere Schäden zu vermeiden. Im konkreten Fall hätten zumindest die auf der Fahrbahn befindlichen Glassplitter weggekehrt werden müssen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 4 Abs.1 lit.b StVO 1960. Dazu sei es selbstverständlich erforderlich, daß man aus dem Fahrzeug aussteige und die Unfallstelle besichtige. Außerdem sei es im Interesse jedes Autofahrers erforderlich, nach einem Verkehrsunfall zumindest die Schäden am eigenen Fahrzeug zu besichtigen. Jeder durchschnittliche Autofahrer werde daher nach einem Verkehrsunfall aus einem Fahrzeug aussteigen, dies sei von ihm aber unterlassen worden. Wäre er aus dem Fahrzeug ausgestiegen und hätte er die Unfallstelle besichtigt, so hätte er jedenfalls auch das gegnerische Unfallfahrzeug leicht wahrnehmen können. Da hätte ihm auch klar sein müssen, daß sein Unfallgegner nicht Fahrerflucht begangen habe und er hätte auch die Verletzungen des Unfallgegners bemerken müssen. Es sei ihm daher fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, weshalb er trotz des von ihm behaupteten Tatbildirrtums wegen fahrlässiger Begehung der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen bestraft werden müsse.

Hinsichtlich der Straffestsetzung führte die BH Ried/I aus, daß Übertretungen des § 4 StVO 1960 grundsätzlich schwerwiegende Verwaltungsübertretungen darstellen. Nachteilige Folgen seien nur deshalb unterblieben, weil die Unfallgegnerin das Kennzeichen ablesen konnte und durch Ermittlungen der Gendarmerie er als Lenker festgestellt werden konnte. Es hätten daher spürbare Strafen verhängt werden müssen. Strafmildernd wurde berücksichtigt, daß nur fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird und der Bw bisher unbescholten ist. Sonstige Straferschwerungs- oder Milderungsgründe seien nicht vorgelegen. Die Bestrafung sei auch den persönlichen Verhältnissen (ca 10.000 S Pension, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) angemessen.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 7. Juni 1999 nachstehende Berufung.

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen das Straferkenntnis der BH Ried i.I. vom 21.5.1999, Aktenzahl VerkR96-6808-1998

BERUFUNG:

Das Straferkenntnis wird in seinem gesamten Umfang angefochten.

Im Straferkenntnis gibt die Behörde an, daß sie mir Glauben schenkt, daß ich irrtümlich einen Sachverhalt angenommen habe, der die Rechtswidrigkeit der Übertretungen gemäß Punkt 1. und 2. des Straferkenntnisses ausschließen würde. Dies hat die Behörde richtig erwogen.

In der Folge geht die Behörde jedoch davon aus, daß ich, wenn schon nicht vorsätzlich, zumindestens fahrlässig die Rechtsvorschrift in § 4 Abs. 1 c und Abs. 2 1. Satz StVO 1960 verletzt hätte und dies ebenfalls strafbar sei. Gefolgert wird dies von der Behörde daraus, daß ich mich nach dem Verkehrsunfall davon überzeugen hätte müssen, ob Absicherungsmaßnahmen notwendig seien, um weitere Schäden zu vermeiden. Diese Verpflichtung ergäbe sich aus § 4 Abs. 1 b StVO 1960. Außerdem wäre es in meinem eigenen Interesse erforderlich gewesen, nach einem Verkehrsunfall die Schäden am eigenen Fahrzeug zu besichtigen. Dazu hätte ich aussteigen und die Unfallstelle besichtigen müssen und hätte in diesem Fall auch das gegnerische Unfallfahrzeug leicht wahrnehmen können. Wäre ich ausgestiegen, so hätte ich nach Ansicht der Behörde erkennen müssen, daß meine Unfallgegnerin nicht Fahrerflucht begangen habe und hätte auch ihre Verletzungen bemerken müssen, weshalb mir fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.

Diese Schlußfolgerung der Behörde ist unzulässig und falsch. Die gesetzliche Vorschrift des § 4 Abs. 1 b StVO hat nicht den Zweck, einen Beteiligten an einem Verkehrsunfall, der irrtümlich die Fahrerflucht seines Unfallgegners annimmt, dazu zu bringen, daß er aus seinem Fahrzeug aussteigt und seinen Irrtum dadurch erkennt. Die zitierte Vorschrift hat lediglich den Zweck, weitere Schäden für Personen oder Sachen als Folge des Verkehrsunfalls zu vermeiden. Aus der Tatsache, daß ich bezüglich eventueller Glassplitter auf der Straße - welche ich jedenfalls nicht bemerkt habe - nicht aus meinem Fahrzeug ausgestiegen bin, hat die Behörde unzulässigerweise meine Fahrlässigkeit in Bezug auf § 4 Abs. 1 c und Abs. 2 1. Satz StVO angenommen.

Darüberhinaus hat die Behörde mein eigenes Interesse daran, die Schäden an meinem eigenen Fahrzeug zu besichtigen, am Verhalten eines durchschnittlichen Autofahrers gemessen.

Auch dies ist unzulässig. Ich konnte, ohne aus dem Fahrzeug auszusteigen, feststellen, daß mein Fahrzeug nach wie vor verkehrstüchtig war und konnte daher - nachdem ich irrtümlicherweise die Fahrerflucht meines Unfallgegners angenommen hatte - meine Fahrt fortsetzen. Es ist unerheblich, ob ein durchschnittlicher Autofahrer nach einem Unfall aus seinem Fahrzeug aussteigen würde, um die Schäden an seinem Fahrzeug zu besichtigen. Auch wenn dies ein durchschnittlicher Autofahrer tun würde, dann hätte dies ebenfalls nicht den Zweck, einen Irrtum bezüglich der Fahrerflucht des Unfallgegners aufzuklären.

Sohin ist die gesamte Begründung der Behörde für ein angebliches fahrlässiges Verhalten meinerseits unrichtig. Ich habe bereits bei der Niederschrift vor der Gendarmerie Aurolzmünster am 2.10.1998 angegeben, daß ich nach dem Zusammenstoß stehengeblieben bin und gesehen habe, daß der andere PKW sehr schnell weggefahren ist. Für mich war also subjektiv die Fahrerflucht meines Unfallgegners zu erkennen und ich konnte das gegnerische Fahrzeug auch nicht mehr sehen. Es ist unerheblich, ob dieses Fahrzeug objektiv gesehen hätte werden können, Tatsache ist, daß ich dieses Fahrzeug nicht mehr gesehen habe und deshalb subjektiv berechtigt Fahrerflucht angenommen habe. Daß diese meine Angaben richtig sind, wird erhärtet dadurch, daß ich sowohl dem Lagerhausangestellten Johann Hr und auch der Sparkassenangestellten Monika F nach dem Unfall erzählt habe, daß ich Opfer einer Fahrerflucht geworden bin. Diese Zeugen wurden jedoch von der Erstbehörde nicht gehört, obwohl ich dies beantragt habe. Ich habe auch bereits in der Vorstellung angegeben, daß ich mich nach allen Seiten umgesehen habe und kein Unfallfahrzeug und keine Personen am Fahrbahnrand erkennen konnte. Da ich also einerseits den gegnerischen PKW aus dem Unfallkreuzungsbereich wegfahren gesehen und andererseits mich nach allen Seiten umgedreht habe und dabei nichts erkennen konnte, ist mir auch keine Fahrlässigkeit bezüglich meines Irrtums, Opfer einer Fahrerflucht geworden zu sein, vorzuwerfen.

Hätte die Erstbehörde die beiden von mir beantragten Zeugen gehört, dann hätte sie auch meiner Verantwortung bezüglich Punkt 3. des Straferkenntnisses Glauben schenken müssen. Ich habe beiden Zeugen in den direkt nach dem Unfall geführten Gesprächen erklärt, daß ich den Gendarmerieposten Aurolzmünster aufsuchen wolle, um den Unfall zu melden. Richtig ist, daß ich diese Meldung nicht unmittelbar nach dem Unfall gemacht habe. Auch dazu habe ich in meiner Vorstellung bereits angegeben, daß dies deshalb geschah, da ich mich nach dem Unfall nach Hause begeben habe, da ich etwas mitgenommen war. Ich habe jedoch die Absicht gehabt, noch am selben Tag den Vorfall bei der Gendarmerie Aurolzmünster zu melden. Bevor ich dies tun konnte, wurde ich jedoch von den Gendarmeriebeamten aufgesucht.

Eine Bestrafung nach § 4 Abs. 2 2. Satz StVO 1960 ist jedoch - abgesehen von meiner oben angeführten Begründung - schon allein deshalb unrichtig, da ich keine Ahnung davon hatte und haben konnte, daß bei diesem Unfall Personen verletzt wurden. Ich hätte dies schon deshalb nicht wissen können, da ich der Ansicht war, Opfer von Fahrerflucht geworden zu sein. Da ich das unfallgegnerische Fahrzeug wegfahren sah, konnte ich berechtigerweise annehmen, daß es in diesem Fahrzeug keine Verletzten gab. Ich selbst war ebenfalls unverletzt, sodaß ich aufgrund dieses Irrtums bezüglich des gegnerischen Fahrzeuges davon ausgehen konnte und mußte, daß keine Personen verletzt wurden. Ich war deshalb auch nicht verpflichtet, gemäß § 4 Abs. 2 2. Satz StVO sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Ich wurde deshalb im angefochtenen Straferkenntnis zu Unrecht wegen der Verletzung dieser Rechtsvorschrift bestraft.

Darüberhinaus wurde im Strafverfahren wegen dieses Unfalles vom BG Ried, Aktenzahl 3 U 172/98b, ein kraftfahrtechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter DI Franz Stollberger kam dabei zum Ergebnis, daß die Verletzungen meiner Unfällgegnerin und deren Beifahrerin aufgrund der vorliegenden Schäden und Massenverhältnisse aus technischer Sicht nicht objektivierbar sind. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als daß der gegenständliche Unfall nicht der Grund für die Verletzungen sein kann. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, daß bei diesem Verkehrsunfall Personen verletzt wurden. Es ist somit unberechtigt, daß ich gemäß § 4 Abs. 2 StVO 1960, und zwar sowohl nach dem 1. Satz als auch nach dem 2. Satz, bestraft werde.

Ich beantrage daher die Einstellung des Strafverfahrens bezüglich aller drei Punkte des Straferkenntnisses.

Ried/Innkreis, am 7.6.1999

S/d

Johann Z".

I.3. Die BH Ried/I hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung des den verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall betreffenden Aktes des BG Ried/I 3 U 172/98b. Weiters wurde am 21. September 1999 an Ort und Stelle eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei welcher der Bw in Begleitung seines Rechtsvertreters sowie ein Vertreter der BH Ried teilnahmen. Als Zeugen wurden die damaligen Insassen des unfallbeteiligten Fahrzeuges, Johanna B und Ursula Maria W, einvernommen.

I.5. Im oben angeführten Akt des BG Ried befinden sich Kopien von Ambulanzkarten des öffentlichen Krankenhauses der barmherzigen Schwestern Ried für Frau Ursula W sowie Frau Johanna B. Auf beiden Ambulanzkarten ist ausgeführt, daß die Betroffenen bei einem Verkehrsunfall näher bezeichnete Verletzungen erlitten hätten. Als Ambulanzzeit ist 13.46 Uhr (W) bzw 13.43 Uhr (B) festgehalten.

Im Gerichtsakt findet sich ferner ein kraftfahrtechnisches Gutachten des Dipl.Ing. Franz Stollberger vom 5. Dezember 1998, in welchem dieser Gutachter ua ausführt, daß aufgrund der vorliegenden Schäden und Massenverhältnisse aus technischer Sicht die Verletzung der Zweitbeschuldigten (W) und der Zeugin (B) nicht objektivierbar sei.

Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte der Beschuldigte im wesentlichen seine im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragene Argumentation. Er erklärte, daß es ihn durch den Verkehrsunfall auf die rechte Seite in seinem Fahrzeug geschleudert habe. Er sei dann zurück auf den Fahrersitz geklettert und habe das Fenster geöffnet. Er wollte schauen, wo der Unfallgegner ist. Das Fahrzeug des Unfallgegners sei zum Zeitpunkt des Unfalls hinter ihm gewesen, als er aus dem Fenster sah, sei das Fahrzeug jedoch dann weggewesen bzw habe er gesehen, daß der Fahrer weggefahren ist. Er habe dann kein Fahrzeug gesehen. Nachdem er feststellen konnte, daß sein Fahrzeug noch fahrbereit sei, habe er daraufhin die Unfallstelle verlassen.

Er habe die Gendarmerie verständigen wollen, habe jedoch zunächst zu Hause Tabletten genommen, weil ihm schlecht war. Er habe die Gendarmerie persönlich aufsuchen wollen, diese sei ihm jedoch zuvorgekommen. Bezüglich Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bestätigte der Bw im wesentlichen die von der BH Ried/I in der Begründung des Straferkenntnisses dargelegten Daten.

Frau B schilderte bei ihrer Einvernahme den Unfallhergang. Insbesondere führte sie aus, daß sie sehen konnte, wie es den Bw auf die rechte Seite in seinem Fahrzeug schleuderte. Er habe sich dann aufgerichtet und sein Auto gestartet und sei weggefahren. Zu diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug der Frau W noch im Bereich der Kreuzung gestanden. In der Folge sei das Fahrzeug der Frau W dann am Gehsteig abgestellt worden, es mußte abgeschleppt werden. Frau W habe dann mittels Handy die Polizei verständigt. Schmerzen habe sie zunächst keine verspürt, weil sie sich in einem Schockzustand befunden habe. Später habe sie dann Kopfschmerzen verspürt und es sei ihr schwindlig geworden, dies nach ca 20 bis 30 min. Nachdem dann das Fahrzeug in die Werkstatt verbracht wurde, hätten sie und Frau W (gegen Mittag) das Krankenhaus aufgesucht.

An Ort und Stelle zeigte dann die Zeugin, wo das Fahrzeug der Frau W genau abgestellt wurde. Der Standort befindet sich ca 10 m vom Schnittpunkt der Fahrbahnränder in Richtung Mehrnbach gesehen.

Frau W schilderte bei ihrer Einvernahme ebenfalls den Unfallshergang und sie erklärte, daß es den Bw in seinem Fahrzeug auf die rechte Seite geschleudert habe. Er habe sich in der Folge aufgerichtet und zu ihr herüber geschaut. Dann habe er das Auto gestartet und sei davon gefahren. Ihr Fahrzeug sei am Kühler beschädigt worden, es sei nicht mehr fahrbereit gewesen und mußte letztlich abgeschleppt werden. Der Bw habe weder Fenster noch Tür geöffnet. Nachdem der Bw weggefahren ist, habe sie die Polizei angerufen, dies noch im Bereich der Unfallausgangsstelle. Auf ausdrückliches Befragen erklärte die Unfallgegnerin, daß sie unmittelbar nach dem Unfall keine Schmerzen verspürte.

Der Rechtsvertreter des Bw stellte im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung den Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme von Frau Pauline B zum Beweis dafür, daß die Aussage der Zeugin Ursula Maria W, sie habe noch an der Unfallstelle ihr Fahrzeug verlassen und mit der Gendarmerie telefoniert, nicht stimmen könne.

I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in freier Beweiswürdigung wie folgt erwogen:

Es bestehen keine Bedenken, die Aussagen der Zeuginnen der Entscheidung zu-grundezulegen. Im wesentlichen stimmen die beiden Aussagen hinsichtlich des Unfallherganges bzw des Verhaltens des Bw überein. Daß letztlich Frau W im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung im Gegensatz zu ihrer im erstins-tanzlichen Verfahren getätigten Aussage bzw zur Aussage der Frau B angegeben hat, sie habe unmittelbar an der Unfallstelle die Gendarmerie mittels Handy verständigt, vermag den Gesamteindruck ihrer Glaubwürdigkeit nicht erschüttern. Es ist durchaus anzunehmen, daß sie sich doch im Hinblick auf den seit dem Vorfall verstrichenen Zeitraum nicht mehr so exakt erinnern konnte. Zu berücksichtigen ist, daß die Zeugen ihre Aussagen unter Wahrheitspflicht gemacht haben, sie wurden ausdrücklich belehrt, daß eine falsche Zeugenaussage strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Für die Richtigkeit der Aussagen der Zeuginnen spricht auch, daß das Fahrzeug der Frau W nicht mehr fahrtüchtig war und abgeschleppt werden mußte.

Was das Vorbringen des Bw anbelangt, so mag dieser die Situation subjektiv durchaus so empfunden haben, wie er sie im Verfahren geschildert hat. Objektiv gesehen dürfte er sich jedoch nach dem Unfall in einer Art Schockzustand befunden haben, welcher seine Wahrnehmungen für das tatsächliche Geschehen beeinträchtigt haben könnte.

Demnach wird der Entscheidung nachstehender Sachverhalt zugrundegelegt:

Unfallbedingt kamen beide Fahrzeuge im Bereich der verfahrensgegenständlichen Kreuzung zunächst zum Stillstand. Der Beschuldigte wurde durch den Unfall zunächst auf die rechte Seite seines Fahrzeuges geschleudert. Er konnte sich jedoch in der Folge wieder aufrichten. Offensichtlich hat er unmittelbar darauf sein Fahrzeug gestartet und die Unfallstelle verlassen.

Die Unfallgegnerin hat dies wahrgenommen und war zunächst bestrebt, das Fahrzeug vom unmittelbaren Unfallort wegzubringen. Zu diesem Zwecke wurde es an den bezeichneten Standort (Gehsteig ca 10 m nach der Kreuzung in Fahrtrichtung Mehrnbach) verbracht. Das Fahrzeug war nicht mehr fahrtüchtig, weshalb es in der Folge abgeschleppt werden mußte. Nachdem der Beschuldigte die Unfallstelle verlassen hat, hat Frau W, offensichtlich erst nachdem das Fahrzeug von der unmittelbaren Unfallstelle weggebracht wurde, telefonisch die Gendarmerie verständigt. Beide Damen haben zunächst keine Schmerzen verspürt, sie sahen auch keine Notwendigkeit, daß allenfalls die Rettung verständigt werden hätte müssen. Das Fahrzeug der Frau W wurde zunächst in eine Werkstätte geschleppt und erst in der Folge haben die beiden Zeuginnen dann das Krankenhaus aufgesucht, wo diverse Verletzungen festgestellt wurden.

Im Hinblick auf dieses Beweisergebnis, war die vom Rechtsvertreter des Bw beantragte Einvernahme einer Zeugin objektiv nicht mehr erforderlich, zumal ohnedies dem Vorbringen des Bw, er habe die Unfallstelle erst verlassen, als Frau W mit ihrem Fahrzeug bereits am Gehsteigrand bzw am Gehsteig gestanden ist, Glauben geschenkt wird.

I.7. In rechtlicher Hinsicht wird folgendes festgestellt:

I.7.1. Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Die Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes bedeutet, jedenfalls auf den konkreten Fall bezogen, daß der Unfallbeteiligte an der Unfallstelle verbleibt, damit die genauen Umstände, wie es zu dem Unfall gekommen ist, abgeklärt werden können. Es wären hiezu sofortige Erhebungen vor Ort notwendig gewesen. Überdies beinhaltet die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes auch, daß Feststellungen zur Person des beteiligten Fahrzeuglenkers in der Richtung getroffen werden können, ob dieser sich zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges geistig und körperlich in einem geeigneten Zustand befunden hat. Aus diesem Grunde wäre jedenfalls ein Verbleiben des Beschuldigten an der Unfallstelle erforderlich gewesen. Nachdem er jedoch unmittelbar nach dem Verkehrsunfall die Unfallstelle verlassen hat, ist er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen.

Daß der Bw möglicherweise einem Tatbildirrtum unterlegen ist, vermag ihn im vorliegenden Fall nicht zu entlasten. Wohl wird auch im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens die Rechtsfigur des entschuldbaren Tatirrtums anerkannt, doch macht sich der Täter bei einem solchen Tatbildirrtum hinsichtlich eines Fahrlässigkeitsdeliktes auch dann strafbar, wenn dieser Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht (vgl VwGH 96/17/0097 vom 21.4.1997).

Dazu muß festgestellt werden, daß von einem Kraftfahrer, welcher die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter und Willensstärke zu verlangen ist, daß er einen Schreck über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (siehe VwGH 94/02/0511 vom 74.1995).

Von jedem objektiv sorgfältigen Autofahrer muß verlangt werden, daß er die im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges relevanten Vorschriften kennt und sich auch danach verhält. Im vorliegenden Falle hätte der Bw demnach, offensichtlich war er dazu in der Lage, jedenfalls sein Fahrzeug verlassen müssen, um sich zu überzeugen, welche Folgen der Verkehrsunfall nach sich gezogen hat. In diesem Falle hätte er auch feststellen können, daß ihn im vorliegenden Fall die gesetzlich gebotene Mitwirkungspflicht trifft und er somit an der Unfallstelle zu verbleiben hätte. Er hat demnach jedenfalls objektiv sorgfaltswidrig gehandelt. Für ein fahrlässiges Verhalten des Bw spricht auch, wie in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angezogen wurde, daß von einem durchschnittlichen Autofahrer verlangt werden muß, daß er sich nach einem Verkehrsunfall davon überzeugt, ob Absicherungsmaßnahmen notwendig sind, um weitere Schäden zu vermeiden bzw daß es erforderlich ist, auch die Schäden am eigenen Fahrzeug zu besichtigen. Wenn diese Unterlassungen auch nicht vom Tatbestand des § 4 Abs.1 lit.c erfaßt sind, so zeigt die Unterlassung der gebotenen Maßnahmen auch einen deutlichen Hinweis auf ein fahrlässiges Verhalten.

Was nun die subjektive Komponente anbelangt, so wird auf die obzitierte Judikatur des VwGH im Zusammenhang mit einem Unfallschock verwiesen. Demnach ist zu verlangen, daß sich der Unfallbeteiligte trotz allfälliger Aufregungen soweit im Griff hat, daß er die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen setzt. Sollte er dazu nach den dargelegten Kriterien nicht in der Lage sein, so ist davon auszugehen, daß er ein Kraftfahrzeug überhaupt nicht in Betrieb nehmen dürfte und es ist in diesem Fall ein fahrlässiges Verhalten dahingehend vorzuwerfen, daß ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen wurde, obwohl nicht auszuschließen war, daß die Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften gewährleistet ist (sogenannte Einlassungsfahrlässigkeit).

Demnach wird festgestellt, daß der Tatbildirrtum des Beschuldigten auf dessen Fahrlässigkeit beruht, weshalb der Beschuldigte sein Verhalten auch in subjektiver Hinsicht in verwaltungsstrafrechtlicher Relevanz zu vertreten hat.

Es steht sohin fest, daß der hinsichtlich Faktum 1 erhobene Tatvorwurf zu Recht besteht, weshalb diesbezüglich die Berufung als unbegründet abzuweisen war.

Zur Strafbemessung (§ 19 VStG) wird festgestellt, daß die BH Ried/I vom Ermessen iSd Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Zu Recht hat die BH Ried/I festgestellt, daß Übertretungen des § 4 StVO 1960 grundsätzlich schwerwiegende Verwaltungsübertretungen darstellen. Dies kommt auch durch den vom Gesetzgeber im § 99 Abs.2 StVO 1960 festgelegten Strafrahmen (Geldstrafen von 500 S bis 30.000 S) zum Ausdruck. Unter diesen Umständen wurde hinsichtlich Faktum 1 sowohl die Geld- als auch die Ersatzfreiheitsstrafe durchaus milde bemessen.

Strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Bw berücksichtigt, im Rahmen der Tat- und Schuldangemessenheit wurde auch bewertet, daß nur fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Straferschwerungsgründe bzw weitere Milderungsgründe können auch seitens der erkennenden Berufungsbehörde keine festgestellt werden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse, welche vom Bw nicht bestritten wurden, wurden ebenfalls berücksichtigt. Eine Bestrafung ist weiters aus spezialpräventiven und generalpräventiven Gründen erforderlich, wobei seitens der Berufungsbehörde festgestellt wird, daß insbesondere spezialpräventive Gründe einer Herabsetzung der, wie bereits dargelegt wurde, ohnedies mild bemessenen Strafe entgegenstehen.

Der Bw wurde daher auch durch die Strafbemessung der BH Ried/I nicht in seinen Rechten verletzt.

I.7.2. Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die in Abs.1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Dazu wird hinsichtlich Faktum 2 (unterlassene Hilfe) festgestellt, daß eine Hilfeleistungspflicht nur dann bestehen kann, wenn diese - objektiv betrachtet - faktisch erforderlich ist. Demnach müssen die Verletzungen des Opfers derart sein, daß eine tatsächliche Hilfsbedürftigkeit vorliegt, etwa dadurch, daß die Rettung verständigt werden muß, erste Hilfe geleistet wird oder sonstige Maßnahmen getroffen werden, die einem Verunglückten seine Lage erleichtern. Im vorliegenden Fall haben die beiden Zeuginnen zunächst keine Schmerzen verspürt und auch nicht festgestellt, daß sie Verletzungen davongetragen haben. Die Unfallgegnerin des Bw war in der Lage, selbst mittels Handy die Gendarmerie zu verständigen, sie hat auch zunächst nicht die Rettung verständigt. Sie war auch in der Lage, dafür zu sorgen, daß ihr fahruntüchtig gewordenes Fahrzeug in die Werkstätte verbracht wurde und hat sich erst in der Folge ins Krankenhaus begeben. Dies trifft auch für ihre Mitfahrerin zu.

Aufgrund dieses Geschehensablaufes ist davon auszugehen, daß im vorliegenden Falle eine Hilfeleistung durch den Bw faktisch nicht erforderlich war, weshalb ihn objektiv keine entsprechende Verpflichtung treffen konnte.

Was den Vorwurf anbelangt, er habe einen Unfall mit Personenschaden nicht sofort der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle gemeldet (Faktum 3) so wird diesbezüglich festgestellt, daß für das Auslösen der Meldepflicht jedenfalls objektiv erkennbar sein muß, daß Personen tatsächlich verletzt worden sind. Diese objektive Erkennbarkeit ist im vorliegenden Fall insoferne nicht gegeben gewesen, als, wie beide Zeuginnen aussagten, diese zunächst keine Schmerzen verspürt bzw Verletzungen wahrgenommen haben. Daß letztlich zu einem späteren Zeitpunkt Schmerzen aufgetreten sind, vermag eine Verpflichtung, den Unfall iSd § 4 Abs.2 StVO 1960 sofort zu melden, im konkreten Falle nicht zu begründen. Der Berufung war daher auch in diesem Falle Folge zu geben.

Zum Vorbringen des Vertreters der BH Ried/I hinsichtlich einer allfälligen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 wird festgestellt, daß diese Frage nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist. Die Berufungsbehörde ist hier nicht berechtigt, eine Auswechslung der Tat vorzunehmen.

Die Spruchkonkretisierung war im Hinblick auf das Verfahrensergebnis erforderlich.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

§ 4 StVO - auch Einlassungsfahrlässigkeit begründet Strafbarkeit

§ 4 Abs.2 StVO - Hilfeleistungspflicht sowie Verletzungen müssen objektiv erkennbar sein

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