Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106562/10/Ga/Mm

Linz, 09.11.2000

VwSen-106562/10/Ga/Mm Linz, am 9. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Grof, dem Berichter Mag. Gallnbrunner und dem Beisitzer Dr. Schön über die Berufung des W, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 27. Juli 1999, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher Berufungsverhandlung am 2. November 2000 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 27. Juli 1999 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 5. Dezember 1998 zwischen 04.45 Uhr und 05.00 Uhr in einem Lokal in G vorsätzlich veranlasst, dass Frau T seinen Pkw in alkoholbeeinträchtigtem Zustand auf öffentlichen Straßen gelenkt habe, indem er trotz der hohen Alkoholbeeinträchtigung (über 1,6 Promille) der T diese überredet und gedrängt habe, dass sie mit seinem Pkw fahren solle, und ihr mit nachdrücklichem Begehren den Autoschlüssel übergeben habe.

Dadurch habe er § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO iVm § 7 VStG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO eine Geldstrafe von 16.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe) kostenpflichtig verhängt.

Mit der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, Aufhebung und Einstellung beantragenden Berufung bestritt der Beschuldigte die ihm angelastete Anstiftung im wesentlichen mit dem Vorbringen, er habe die Alkoholbeeinträchtigung der Frau T nicht erkannt und er habe auch nicht den ihm spruchgemäß angelasteten Tatbeitrag im Sinne des § 7 VStG geleistet, weil er Frau T weder überredet noch gedrängt und ihr auch nicht mit nachdrücklichem Begehren den Autoschlüssel übergeben habe.

Über diese Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat auf der Grundlage nur dessen, was in der öffentlichen Verhandlung - unter Teilnahme des Berufungswerbers und seines Rechtsfreundes, des Vertreters der belangten Behörde und der als Zeugin geladenen Haupttäterin - vorgekommen ist, erwogen:

Gemäß § 7 VStG ("Anstiftung und Beihilfe") unterliegt, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht ...., der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

Für die Tatbestandsmäßigkeit der Anstiftung muss also eine vorsätzliche Handlung (dh: absichtlich oder wissentlich oder direkt willentlich oder den nachteiligen Ablauf der Ereignisse nur bewusst hinnehmend) nachgewiesen sein und diese muss dazu geführt haben (Kausalität), dass eine andere Person den objektiven Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gesetzt hat (vgl zB: VwGH 25.4.1996, 92/06/0039).

Vor diesem Hintergrund umfasste das Beweisverfahren die eingehende Befragung des Berufungswerbers als beschuldigter Anstifter und die zeugenschaftliche Vernehmung der gemäß Tatvorwurf angestifteten Alkolenkerin. Neutrale Zeugen standen nicht zur Verfügung. Der vom Berufungswerber auch beantragte Sachverständigenbeweis war, weil nach den Umständen dieses Falles von vornherein zur weiteren Klärung der Tatfrage ungeeignet, nicht zu führen.

Danach war als maßgebend festzustellen:

Herr M und Frau T kannten einander bis zum Vorfall nicht. T hatte das Lokal zum ersten Mal, im Rahmen einer Weihnachtsfeier mit Arbeitskolleginnen, besucht; der Berufungswerber hatte sich dort - er war öfters Gast in diesem Lokal - ohne besonderen Anlass die ganze Nacht aufgehalten, dabei jedenfalls zuviel getrunken und war sich seiner Fahruntüchtigkeit bewusst.

Erst beim schließlichen Verlassen des Lokals gegen 05.00 Uhr früh ergab sich - im Bereich der Bar in Ausgangsnähe - der Kontakt mit T, die er bis dahin nicht wahrgenommen hatte. Irgendwie sah er die Chance auf einen günstigen "Aufriss" und schloss für sich aus dem kurzen ersten Gespräch mit T, dass sie einer gemeinsamen Unternehmung nicht abgeneigt schien. Bei diesem Anbandeln wurde nichts getrunken.

T wiederum - als Haupttäterin wurde sie wegen des Alkodeliktes rechtskräftig bestraft und es war ihr der Führerschein auf vier Monate entzogen - hatte sich um die angegebene Zeit auf die Stiege gesetzt und war schon sehr müde. Es war ihr bewusst, dass sie viel getrunken hatte und sie fühlte sich danach. Sie wollte nach Hause, aber ihre Arbeitskolleginnen wollten noch bleiben. In dieser Situation geschah das Kennenlernen des M, entweder hat er sie oder sie ihn angesprochen. Sie jedenfalls zog aus diesem Kurzgespräch den Schluss, dass sie M "nach Hause", genauer: zur Wohnung einer Arbeitskollegin bringen würde.

Festzuhalten ist, dass sich dieser Abriss des Lebenssachverhaltes im Vorfeld der angelasteten Anstiftung aus den insoweit übereinstimmenden Angaben der beiden Vernehmungspersonen ergab.

Zum weiteren Verlauf des Vorfalls allerdings widersprachen sich die Angaben auch in wesentlichen Punkten oder stimmten zumindest nicht überein, wobei Erinnerungslücken und Unsicherheiten noch stärker bei der Zeugin hervortraten.

So gab der Berufungswerber an, es sei Frau T vor ihm die ca. 30 Stufen hinauf zum Ausgang des Lokals gegangen und es sei dabei an ihrem Gang nichts Auffälliges gewesen. T hingegen sagte aus, sie hatte - noch vor dem Kontakt mit M - schon beim Stehen und auch beim Sprechen Schwierigkeiten; auch sei Herr M als Erster die Stufen zum Ausgang hinauf und sie sei hinter ihm gegangen. Der Berufungswerber führte aus, er habe noch im Zuge des kurzen Gesprächs beim Anbandeln festgestellt, dass er nicht mehr fahren werde, weil er schon zu viel getrunken habe und er habe seinen Autoschlüssel der T noch im Lokal gegeben, aber keinesfalls aufgedrängt und Frau T habe den Schlüssel ohne weiteren Kommentar entgegengenommen und dann seien sie, wie geschildert, die Stufen hinauf zum Ausgang gegangen. Beim Auto angekommen, habe dann T das Auto aufgesperrt und er habe sich ganz normal auf den Beifahrersitz gesetzt. Die Zeugin hingegen gab an, dass sie beide, M voraus, zum Auto gegangen sind (etwa 50 bis 70 m auf die andere Straßenseite); es habe heftig geschneit und es sei schon Schnee gelegen, und erst vor dem Auto habe Herr M dann zu ihr gesagt, "fahr Du, ich kann nicht mehr". Daraufhin habe sie, weil sie ja bei sich wusste, dass sie alkoholisiert gewesen ist, Bedenken wegen einer Polizeikontrolle geäußert und M habe diese Bedenken jedoch mit dem Hinweis, dass um diese Zeit eine Kontrolle nicht zu befürchten sei, zerstreut und ihr erst daraufhin den Autoschlüssel in die Hand gedrückt. Ob sie das Auto dann selber aufgesperrt hatte, wusste die Zeugin nicht mehr. Noch erinnern aber konnte sie sich daran, dass Walter M ihr einen Kuss gegeben hatte und dass sie dann gefahren sei. Im Zuge des Ausparkens habe ihr der Berufungswerber beim Anlegen des Sicherheitsgurtes sowie beim Einlegen des Rückwärtsganges und des ersten Ganges geholfen.

In der Würdigung dieses Beweisergebnisses war auch zu berücksichtigen, dass es für die Tatbestandsverwirklichung eines Anstiftungsgeschehens nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend auf die psychologische Gesamtsituation ankommt.

All dies berücksichtigend sieht das Tribunal die Glaubwürdigkeit des Berufungswerbers - abgesehen von seinen Erinnerungslücken - durch den aus seiner Vernehmung insgesamt hervortretenden, wenngleich nicht ungewöhnlichen Beweggrund, den Geschehensablauf in einem für ihn nicht ungünstigen Licht zu schildern, immerhin beeinträchtigt. Andererseits war zu den Erinnerungslücken und zur Unschärfe der Wahrnehmungen relativierend zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber selbst erheblich alkoholisiert gewesen ist. Daher konnte nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er die schwere Alkoholisierung der T nicht in der vollen Konsequenz wahrgenommen hat, einerseits und dass er den Vorsatzwillen nicht - auch nicht eventualiter - wirklich zu bilden in der Lage war, andererseits. Was in diesem Zusammenhang den Kuss anbelangt, so kann dieser zwar als Merkmal einer Überredung gedeutet werden, mit gleichem Gewicht aber könnte er schon als Teil des "Aufrisses", gewissermaßen als konkrete Einleitung dessen, worauf die Anbandelung schließlich nach allgemeiner Lebenserfahrung gerichtet gewesen ist, erklärt werden.

Was hingegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin anbelangt, ist - abgesehen von ihren noch stärkeren Erinnerungslücken - nicht recht begreiflich, warum sie die Unwahrheit sagen sollte. Objektiv besehen könnte sie damit für sich nichts mehr bewirken. Immerhin aber wären Rachegefühle, zumindest eine Revancheneigung gegen den Berufungswerber nicht undenkbar. In der öffentlichen Verhandlung ist dergleichen allerdings nicht spürbar gewesen. Im Hinblick auf die glaubhafte Schilderung ihres Zustandes, erscheint als nicht unplausibel, dass Frau T zunächst einmal die Chance geboten sah, einfach nach Hause zu kommen und daher nicht erst "überredet" zu werden brauchte. Dass Frau T auch nach der Anrede (dem Anbandeln) Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen hatte, ist nicht unmittelbar hervorgekommen. Dafür, dass Schwierigkeiten dieser Art nicht nach dem Anbandeln gänzlich aufgehört haben, spricht nach Auffassung des Tribunals zwar die Wahrscheinlichkeit, nicht unwahrscheinlich aber ist auch, dass sich Frau T zum einen in der Hoffnung auf den sich so unerwartet bietenden Transport nach Hause und zum anderen in der mehr oder weniger bewussten Erwartungshaltung auf einen günstigen Fortgang des Anbandelns "zusammengerissen" hatte.

Zusammenfassend hält das Tribunal nach all dem die Anstiftung durch den Berufungswerber zwar für möglich, ja für nicht unwahrscheinlich. Dennoch war festzustellen, dass ein - für die Bestätigung des Schuldspruchs erforderlicher - sicherer Nachweis der in Rede stehenden Anstiftung nicht gewonnen werden konnte. Blieben aber (Rest)Zweifel schon daran, ob der Berufungswerber die Alkoholisierung der Andrea T tatsächlich wahrgenommen und sich im Bewusstsein einer solchen Wahrnehmung dennoch entschlossen hat, Frau T zum Lenken seines Autos zu überreden bzw. sie mit dieser Zielsetzung zu bedrängen, so war in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo wie im Spruch zu entscheiden.

Dieses Verfahrensergebnis entlastet den Berufungswerber auch von seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Anlagen (Akt)

Dr. G r o f

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