Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106687/2/Br/Bk

Linz, 22.11.1999

VwSen - 106687/2/Br/Bk

Linz, am 22. November 1999

DVR. 0690329

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau A gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 27. September 1999, Zl. CSt.-25527/99, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird behoben. Der Einspruch vom 6. September 1999 ist als fristgerecht erhoben zu qualifizieren.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 63 Abs.5, § 32 Abs.2 und § 33 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 iVm §§ 24, § 49 Abs.1, 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998.

Entscheidungsgründe:

1. Von der Bundespolizeidirektion Linz wurde mit einer Strafverfügung vom 18. August 1999, Zl. CSt.-25527/99, wegen angeblicher Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit als Lenkerin eines Pkw, über die Berufungswerberin eine Geldstrafe im Ausmaß von 800 S, im Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2. Diese Strafverfügung wurde am 23. August 1999 beim Postamt hinterlegt und ab diesem Zeitpunkt für die Berufungswerberin zur Abholung bereit gehalten.

2.1. Mit Schreiben vom 6. September 1999 erhob die Berufungswerberin dagegen Einspruch. Im Ergebnis führt sie darin aus, sie habe wegen dieser Übertretung bereits eine Geldstrafe bezahlt. Dieses Schreiben übergab sie am 7. September 1999 der Post zur Beförderung an die Erstbehörde (Datum des Poststempels). Dort langte es am 8. September 1999 ein (Datum des Eingangsstempels).

2.1.1. Die Erstbehörde ließ in der Folge im Wege der SW Abteilung 2, Wachzimmer Kleinmünchen, die Ortsanwesenheit der Berufungswerberin zum Zeitpunkt der Hinterlegung der beeinspruchten Strafverfügung überprüfen. Das Ergebnis dieser Überprüfung wurde in einem Bericht vom 23.9.1999, AS 10, festgehalten. Darin gelangt zum Ausdruck, dass sich die Berufungswerberin während der Hinterlegungsfrist (v. 23.8.1999 bis 6.9.1999) auf einem von ihr gepachteten Grundstück in W aufgehalten habe, jedoch laut eigenen Angaben während dieser Frist mehrfach nach L zurückgekehrt sei, dabei jedoch den Briefkasten nicht entleert habe, 'weshalb von ihr das hinterlegte Schriftstück nicht zeitgerecht behoben werden konnte.'

Die Erstbehörde wies sodann mit dem hier angefochtenen Bescheid den Einspruch als um einen Tag verspätet erhoben zurück. Sie erblickte den Ablauf der Frist mit 6. September 1999 und qualifizierte somit die Erhebung des Einspruches erst am 7. September 1999 als verspätet. Keine Überlegungen stellte die Erstbehörde jedoch auf die bereits im Bericht vom 23. September 1999 zum Ausdruck gelangte weitgehende Ortsanwesenheit während der Hinterlegungsfrist der Strafverfügung an.

3. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer offenbar fälschlich mit 15.9.1999 (richtig wohl 15.10.1999) datierten und ebenso fälschlich als Einspruch bezeichneten, jedoch fristgerecht erhobenen Berufung.

Darin führt sie u.a. in hier entscheidungsrelevanter Substanz aus, dass sie einem Beamten der Erstbehörde (offenbar dem Erhebungsbeamten im Zuge der Überprüfung der 'Ortsanwesenheit') ihre Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuches erklärt habe.

4. Da sich die Berufung bloß gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, ist einerseits der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen, andererseits ist mangels gesonderten Antrages eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen gewesen (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt, woraus sich der für die Berufungsentscheidung wesentliche Sachverhalt ergibt.

5. Aufgrund der sich aus dem erstbehördlichen Akt ergebenden Beweislage ist hier von einer überwiegenden Ortsabwesenheit auszugehen und jedenfalls glaubhaft, dass sich die Berufungswerberin zumindest zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuches und dem Tag der Hinterlegung nicht an der Abgabenstelle aufhielt. Selbst wenn der von der Erstbehörde eingeholte Bericht konkret auf den Tag der Hinterlegung nicht Bezug nimmt, kommt darin zum Ausdruck, dass sich die Berufungswerberin während des Hinterlegungszeitraumes überwiegend nicht an der Abgabenstelle aufgehalten hat. Daher ist schon aus der Aktenlage in Verbindung mit den Ausführungen der Berufungswerberin durchaus glaubhaft nachzuvollziehen, dass hier zumindest am Tag der Hinterlegung von einer Ortsanwesenheit nicht ausgegangen werden kann. Dies hat die Berufungswerberin jedenfalls glaubhaft dargetan.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hiezu erwogen:

6.1. Die Berechnung des Beginnes des Fristenlaufes ist nach § 32 Abs.2 AVG vorzunehmen. Demnach begann der Fristenlauf nicht bereits am 23. August 1999, am Tag der Hinterlegung nach dem zweiten Zustellversuch, sondern erst zu einem späteren, dem Tag der Rückkehr an die Abgabenstelle folgenden, Tag. Daraus folgt, dass selbst bei einer Rückkehr an die Abgabenstelle schon am 24. August 1999 und somit einem Beginn des Fristenlaufes bereits mit diesem Datum, der am 7. September 1999 der Post zur Beförderung übergebene Einspruch bereits als rechtzeitig erhoben zu werten ist.

Von einer Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabenstelle zurückzulassen, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen (§ 17 Abs.2 ZustG).

Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereit gehalten wird (§ 17 Abs.3 ZustG).

Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

6.2. Wenngleich hier, wie oben schon ausgeführt, sich die Empfängerin zur fraglichen Zeit nicht geschlossen an der Abgabestelle (Wohnung) aufhielt, mag für den Zusteller eine Erkennbarkeit der Abwesenheit von der Abgabenstelle gemäß § 17 Abs.1 ZustellG nicht gegeben gewesen sein, sodass von ihm eine Hinterlegung der Sendung vorgenommen werden durfte. Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Anwendung des letzten Satzes des § 17 Abs.3 Zustellgesetz nach sich zieht, liegt dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie es z.B. im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes zutrifft. Eine beruflich bedingte Abwesenheit von der Wohnung während des Tages, die keine vorübergehende Abwesenheit darstellt, kann hier nicht erblickt werden (vgl. Erkenntnis vom 12. September 1985, Slg. 11.850/A). Dies geht hier insbesondere bereits aus dem von der Erstbehörde eingeholten Bericht hervor, worin eine weitgehende Ortsabwesenheit zum Ausdruck gelangt. Eine sinnrichtige Interpretation des Zustellgesetzes kann nicht zum Ergebnis führen, dass ein Rechtsuchender einen vollen Beweis über die Tatsache einer Ortsabwesenheit zu erbringen hätte. Der Sinn der Verfahrensvorschrift ist ja darin gelegen, eine den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Durchsetzung der materiellen Rechte der Partei zu gewährleisten, nicht aber darin, durch Formvorschriften die Durchsetzung dieser Rechte in größerem Maß als unbedingt erforderlich einzuschränken bzw. im Falle einer überzogenen Beweisführungspflicht im Ergebnis zu verunmöglichen. Zur Herbeiführung einer materiellen Sachentscheidung darf daher das Erfordernis an die Beweislast nicht überzogen werden. Es reicht vielmehr aus, eine derartige vorübergehende Abwesenheit, hier etwa am Tag des ersten Zustellversuches und/oder der Hinterlegung glaubhaft zu machen, was hier der Berufungswerberin gelungen ist; daher bewirkte hier die Hinterlegung nach dem zweiten erfolglosen Zustellversuch noch keinen Beginn des Fristenlaufes schon zu diesem Zeitpunkt (vgl. Hauer - Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, Seite 1.230, sowie auch VwGH 16. Februar 1994, Zl. 93/03/0128).

6.3. Da demnach der Einspruch hier als rechtzeitig erhoben zu werten ist, war der Zurückweisungsbescheid der Erstbehörde zu beheben. Dies sollte die Erstbehörde in die Lage versetzen, sich mit den inhaltlichen Einspruchsangaben, mit Blick auf den von der Berufungswerberin erhobenen Einwand, in dieser Sache bereits bestraft worden zu sein bzw. diese Strafe bereits bezahlt zu haben, inhaltlich auseinander zu setzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Ortsabwesenheit, Beweislast