Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106707/14/Le/La

Linz, 12.01.2000

VwSen-106707/14/Le/La Linz, am 12. Jänner 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Friedrich E, B, gegen die Spruchabschnitte 3. und 4. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 5.11.1999, Zl. VerkR96-5708-1999-Ro, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straf-erkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 1.200 S (entspricht  87,21 €) zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 5.11.1999 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber im Spruchabschnitt 3. wegen Übertretung des § 97 Abs.5 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden) und im 4. Spruchabschnitt wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 9.10.1999 um 2.07 Uhr einen näher bezeichneten PKW in Braunau gelenkt und dabei auf der Straße "Auf der H" in Richtung H bis zur Anhaltung auf der R nächst dem Feuerwehrzeughaus der FF H

3. der durch deutlich sichtbare Zeichen mittels Anhaltesignal (Leuchtschrift STOP und Blaulicht) gegebenen Aufforderung zum Anhalten zwecks Lenkerkontrolle durch ein Organ der Straßenaufsicht keine Folge geleistet und

4. sei in der H im Ortsgebiet um 50 km/h schneller als 50 km/h gefahren.

(Gegen die in den Spruchabschnitten 1. und 2. dieses Straferkenntnisses angelasteten Tatvorwürfe hat der Berufungswerber keine Berufung erhoben, weshalb diese rechtskräftig geworden sind).

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig mündlich zu Protokoll gegebene Berufung vom 22.11.1999, die durch ein Schreiben vom selben Tag näher ausgeführt wurde. Darin brachte der Berufungswerber vor, dass ihm der Dienstwagen der Polizei B von "Auf der H" bis zur R ohne sichtbare Aufforderung zum Anhalten gefolgt sei. Er hätte das Fahrzeug in Richtung R chauffiert und sei auch auf der dazwischen liegenden Haselbacherstraße nicht schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren. Der Polizeibeamte hätte auf der R das Blaulicht eingeschaltet, worauf er am rechten Fahrbahnrand angehalten habe. Eine Leuchtschrift "STOP" hätte er auch dort am Dienstwagen nicht bemerkt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 20.12.1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und diese in den Amtsräumen der Bezirkshauptmannschaft Braunau sowie an Ort und Stelle durchgeführt. Der Berufungswerber war dazu nicht erschienen; erst durch den als Zeugen vernommenen RI Johann P konnte in Erfahrung gebracht werden, dass sich der Berufungswerber derzeit in der Justizanstalt R aufhält. Der Berufungswerber selbst hat die Änderung seines Aufenthaltes der Berufungsbehörde nicht zur Kenntnis gebracht.

3.2. Aus der Aussage des unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen RI Johann P steht in Verbindung mit einem Lokalaugenschein auf der gegenständlichen Fahrstrecke folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Polizeibeamte RI P hatte zur Tatzeit Verkehrsüberwachungsdienst. Er war gerade im Begriff, in die Straße "Auf der H" einzubiegen, als er den Berufungswerber als Lenker eines BMW, der gerade auf dieser Straße "Auf der H" fuhr, erkannte. Da er wusste, dass dieser keine Lenkberechtigung hat, fuhr er ihm sofort nach. Bereits vor dem Kreisverkehr schaltete er das Blaulicht des Dienstwagens sowie die Leuchtschrift am Dach des Dienstwagens "STOP" mit einem Pfeil nach rechts ein. Dieser Lichtbalken befindet sich zwischen den Blaulichtern auf dem Dach des Dienstwagens; die Aufschrift "STOP" ist in Spiegelschrift angebracht, sodass sie auch im Rückspiegel gelesen werden kann.

Der Berufungswerber fuhr vom Kreisverkehr in der H mit sehr hoher Geschwindigkeit weg. Der Polizeibeamte konnte ihn mit dem Dienstwagen nicht einholen, obwohl er bereits mit mehr als 100 km/h fuhr. Vor der Kreuzung mit der R befindet sich eine relativ hohe Bodenschwelle, weshalb der Berufungswerber, der mit einem tiefer gelegten BMW unterwegs war, stark abbremsen musste, um nicht das Fahrgestell des Autos zu beschädigen. Er bog dann nach links ein und blieb stehen. Der Polizeibeamte blieb in der Folge hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers stehen und führte die Amtshandlung durch.

Der Zeuge RI P erklärte auf ausdrückliches Befragen, dass er sicherlich schon vor dem Kreisverkehr das Blaulicht und die Leuchtschrift "STOP" mit dem Pfeil nach rechts eingeschaltet hat; er gab auch an, das Folgetonhorn eingeschaltet zu haben.

Zur Höhe der Geschwindigkeitsübertretung gab der Zeuge an, dass der Tacho des Streifenfahrzeuges zwar nicht geeicht sei, dass die Polizeibeamten seines Postens den Streifenwagen jedoch schon mit dem Laser gemessen und dabei festgestellt hätten, dass der Tacho ziemlich genau anzeige. Überdies sei er mit mehr als 100 km/h dem Berufungswerber nachgefahren und habe sich der Abstand eher vergrößert, woraus er schloss, dass der Berufungswerber noch schneller unterwegs war.

Die Besichtigung der Fahrstrecke auf der H zwischen dem Kreisverkehr und der Kreuzung mit der R ergab, dass diese Strecke etwa 400 m lang ist. Auf Grund der örtlichen Verhältnisse wäre es bei trockener Fahrbahn fahrtechnisch durchaus möglich, mit einem entsprechend motorisierten Fahrzeug 100 km/h oder sogar etwas darüber zu erreichen. Dies allerdings nur bei extremer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.

3.3. Da der Berufungswerber an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen konnte, wurde ihm die bei der Verhandlung aufgenommene Niederschrift mit Schriftsatz vom 21.12.1999 zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.

Dieses Schreiben wurde dem Berufungswerber nachweislich am 23.12.1999 zugestellt.

Der darin enthaltenen Aufforderung, dazu binnen zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen, kam er innerhalb der eingeräumten Frist nicht nach.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Wenn in dem mit Berufung angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern durch Einzelmitglied. Ansonsten entscheiden sie, abgesehen von den gesetzlich besonders geregelten Fällen, durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit Geldstrafen in Höhe von je nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Nach § 97 Abs.5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen ... zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren steht fest, dass der Polizeibeamte bereits zu Beginn der Nachfahrt das Blaulicht und das zusätzliche Anhaltesignal in Form einer Leuchtschrift "STOP" mit einem nach rechts weisenden Leuchtpfeil eingeschaltet hatte. Dies ergibt sich aus der diesbezüglich eindeutigen Aussage des glaubwürdigen Zeugen RI P. Dies wird auch von der praktischen Lebenserfahrung bestätigt, wonach Polizeibeamte bei Nachfahrten stets das Blaulicht einschalten, wenn sie jemanden anhalten wollen. Der Polizeibeamte hatte den Berufungswerber bereits bei der Vorbeifahrt erkannt und wollte ihn stoppen, weil er wusste, dass der Berufungswerber keinen Führerschein besitzt. Es ist daher plausibel, dass er sofort das Blaulicht eingeschaltet hat.

Auf der anderen Seite dürfte auch der Berufungswerber das Polizeifahrzeug gesehen haben und versucht haben, der Anhaltung durch Flucht zu entkommen. Es wäre zwar möglich, dass der Berufungswerber die Lichtzeichen nicht gesehen hat, weil er doch erheblich alkoholisiert war (es wurde ein Wert von 0,81 mg/l Atemluftalkohol festgestellt) und er sich auf Grund der viel zu hohen Fahrgeschwindigkeit extrem darauf konzentrieren musste, das Auto auf der Straße zu halten.

Dies ändert jedoch nichts an seiner gesetzlichen Verpflichtung, einem solchen Lichtzeichen Folge zu leisten und anzuhalten. Wenn er durch den Alkoholgenuss und die zu hohe Fahrgeschwindigkeit in der Wahrnehmung der Lichtzeichen möglicherweise behindert war, so ist das kein Entschuldigungsgrund, weil er sich selbst in diesen Zustand versetzt hat .

Damit aber hat er diese ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen.

4.3. § 20 Abs.2 StVO bestimmt, dass, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h ... fahren darf.

Auf der H ist im gegenständlichen Bereich keine andere Geschwindigkeit verordnet, sodass die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt.

Wenngleich der Tachometer des Dienstwagens nicht geeicht war, kann doch auf Grund der erfahrungsgemäßen Genauigkeit dieses Tachometers (den die Polizeibeamten mit einem Laser-Messgerät kontrolliert hatten), der Nachfahrt mit mehr als 100 km/h, dem Umstand, dass sich dabei der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem BMW des Berufungswerbers eher noch vergrößert hat sowie der fahrtechnischen Möglichkeit, auf der H in diesem Bereich 100 km/h oder etwas mehr zu fahren, durchaus davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber tatsächlich mit 100 km/h auf dieser Straße im Ortsgebiet gefahren ist. Es ist daher auf Grund der Zeugenaussage und der Möglichkeiten an Ort und Stelle mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass der Berufungswerber tatsächlich mit 100 km/h gefahren ist. Dies ist aber ein offensichtlicher Verstoß gegen § 20 Abs.2 StVO, weshalb dem Berufungswerber diese Verwaltungsübertretung anzulasten ist.

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Diese gesetzliche Schuldvermutung trifft sohin bei den sogenannten "Ungehorsamsdelikten" zu. Bei den Ungehorsamsdelikten - die die meisten Verwaltungsdelikte darstellen - besteht das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Bereits die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Gebotes oder Verbotes genügt zur Strafbarkeit; ein (schädlicher) Erfolg muss dabei nicht eingetreten sein.

Auch die in den Spruchabschnitten 3. und 4. des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen sind derartige Ungehorsamsdelikte, weshalb für ihre Begehung die Verschuldensform der Fahrlässigkeit ausreicht. Es ist dem Berufungswerber nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft.

Somit ist auch die subjektive Tatseite verwirklicht.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde.

Der Berufungswerber hat zwar in seinem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein Vermögensbekenntnis abgelegt, aus welchem hervorgeht, dass er derzeit beschäftigungslos ist und Arbeitslosengeld bezieht. Überdies hat er Sorgepflicht für ein Kind und Schulden.

Wenngleich die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sind, ist dennoch in Anbetracht der Schwere der Gefährdung der Verkehrssicherheit durch die angelasteten Tathandlungen die Verhängung von Strafen in der im Straferkenntnis festgesetzten Höhe aus spezial- und generalpräventiven Gründen erforderlich. Obwohl kein Unfall passiert ist, so ist dennoch die Verkehrssicherheit im extremen Ausmaß gefährdet worden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde immerhin um 100 % überschritten. Damit aber ist die Verhängung von Strafen in der vorgesehenen Höhe erforderlich, um dem Berufungswerber das Unerlaubte seiner Tat vor Augen zu führen und ihn in Hinkunft davon abzuhalten, nochmals derartige Übertretungen zu setzen.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG (Absehen von der Strafe bzw. Ausspruch einer Ermahnung) sind nicht erfüllt, weil weder das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig ist noch die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da Geldstrafen in Höhe von insgesamt 6.000 S verhängt wurden, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 1.200 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Leitgeb

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