Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106748/2/BI/FB

Linz, 30.12.1999

VwSen-106748/2/BI/FB Linz, am 30. Dezember 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Dr. F S, A, F, Deutschland, vom 23. November 1999 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 5. Oktober 1999, VerkR96-5666-1999 Sö, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 300 S (entspricht 21,80 €) herabgesetzt.

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 30 S (entspricht 2,18 €), ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 - KFG 1967

Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 400 S verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems auf ihr schriftliches Verlangen vom 14. Mai 1999 nicht binnen zwei Wochen darüber Auskunft erteilt habe, wer das oa Kraftfahrzeug am 9. Jänner 1999 um 15.38 Uhr in Österreich auf der A bei km 40,986 in Richtung K gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 40 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses und begründet dies im Wesentlichen damit, er habe bereits darauf hingewiesen, dass ihm auf Grund des Zeitablaufs von mehr als 4 Monaten zwischen dem 9. Jänner 1999 und dem Zugang des Verlangens vom 15. Mai 1999 und der Tatsache, dass mehrere Personen das Kfz gelenkt hätten, eine Auskunftserteilung über den angefragten Lenker unmöglich gewesen sei. Er könne höchstens raten, wobei aber die Gefahr bestünde, dass er eine falsche Person belaste. Im deutschen Recht gebe es eine derartige Verwaltungsvorschrift nicht und auch die genannte Bestimmung des KFG sei mit dem deutschen Recht nicht vereinbar.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Laut Anzeige wurde der nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes Flensburg auf den Rechtsmittelwerber (Bw) zugelassene PKW am 9. Jänner 1999 um 15.38 Uhr auf der P A bei km 40,986 in Fahrtrichtung K mit dem stationären Radargerät MUVR 6FA Nr.216 mit einer Geschwindigkeit von 96 km/h gemessen, obwohl dort nur 80 km/h erlaubt sind. Nach Abzug der vom Hersteller vorgeschriebenen Toleranzwerte wurde der Anzeige eine Geschwindigkeit von 91 km/h zugrundegelegt.

Mit Schreiben der Erstinstanz vom 14. Mai 1999 wurde der Bw gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 als Zulassungsbesitzer des PKW aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens der genannten Behörde mitzuteilen, wer das Fahrzeug am 9. Jänner 1999 um 15.38 Uhr "gelenkt/verwendet bzw abgestellt" habe. Auf die Geschwindigkeitsüberschreitung auf der A wurde hingewiesen, ebenso darauf, dass die Nichterteilung der Auskunft oder die unrichtige Erteilung als Verwaltungsübertretung strafbar sei. Mit Schreiben vom 2. Juni 1999 übermittelte der Bw das dem Schreiben der Erstinstanz beiliegende Formular mit dem Hinweis, er könne keine Auskunft erteilen.

Mit Strafverfügung vom 22. Juni 1999 wurde dem Rechtsmittelwerber die Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, nämlich die Geschwindigkeitsüberschreitung, zur Last gelegt und über ihn eine Geldstrafe von 400 S (12 Stunden EFS) verhängt. Dagegen wurde fristgerecht Einspruch erhoben. Der Bw teilte darin mit, er sei zwar der Halter des PKW, aber für seine Lenkereigenschaft fehlten jegliche Beweise. Er könne nicht mehr feststellen, wer zum fraglichen Zeitpunkt der Lenker gewesen sei.

Bei seiner Einvernahme im Rechtshilfeweg bei der Polizeistation F verwies der Bw auf seine Verantwortung.

Daraufhin erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (vgl Erk v 31. Jänner 1996, 93/03/0156 ua). Daraus folgt, dass derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr. 23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf den Rechtsmittelwerber zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095 ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines KFZ jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua). Dieser Rechtsprechung hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung - dh auch ausländischer Kraftfahrzeuge - zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre.

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall war ausreichend bestimmt und auch leicht verständlich gehalten, zumal das Kennzeichen des auf den Bw zugelassenen PKW und eine bestimmte Lenkzeit darin enthalten waren. Auch ist eine bestimmte Frist, nach deren Verstreichen dem Zulassungsbesitzer mangelndes Erinnerungsvermögen zugebilligt wird, im Gesetz nicht enthalten, sodass eine Lenkeranfrage auch Monate nach dem die Anfrage auslösenden Vorfallszeitpunkt noch zulässig ist. Zu diesem Zweck verweist das Gesetz auf die Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen. Die Frist für die Erteilung der Lenkerauskunft, nämlich zwei Wochen ab Zustellung der schriftlichen Anfrage, ist gesetzlich vorgegeben und daher nicht von der Behörde erstreckbar.

Im gegenständlichen Fall stand die Lenkeranfrage mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nicht- oder nicht fristgerechten Erteilung der gewünschten Auskunft war unmissverständlich, sodass nach dem Wortlaut des Gesetzes der Bw verpflichtet gewesen wäre, fristgerecht Auskunft zu erteilen, wobei die Postaufgabe innerhalb der zweiwöchigen Frist ausreicht.

Zum Verschulden ist zu sagen, dass es sich bei der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG handelt, bei dem zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Eine solche Glaubhaftmachung ist dem Bw nicht gelungen. Vielmehr muss vom Zulassungsbesitzer (Halter) eines in Österreich gelenkten Kraftfahrzeuges verlangt werden können, dass er sich über die in Österreich für ihn geltenden gesetzlichen Bestimmungen rechtzeitig informiert und gegebenenfalls entsprechende Aufzeichnungen führt, wenn er den PKW so vielen Personen zum Lenken überlässt, dass ihm eine solche Auskunftserteilung ohne Führung von Aufzeichnungen nicht möglich ist. Auf dieser Grundlage war im gegenständlichen Fall zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt aus diesem Grund zu der Überzeugung, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zum Einwand des Bw, die Erstinstanz habe seinen akademischen Titel "unterschlagen", indem sie die von den deutschen Behörden übermittelten Personalangaben nicht korrekt verwendet habe, ist zu bemerken, dass die Daten des Halters vom Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg stammten und dort der Bw als "F S, A, F", also offenbar ohne akademischen Titel, geführt wird. Eine andere Möglichkeit zur Ermittlung der weiteren Daten bestand für die Erstinstanz ebensowenig wie ein Anlass für Zweifel an der Vollständigkeit der übermittelten Daten. Die Nichtanführung des akademischen Titels wird daher bedauert, es lag dem keine böse Absicht zugrunde.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 103 Abs.2 KFG 1967 bis zu 30.000 S bzw 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des Straferkenntnisses nichts als mildernd gewertet, aber auch keine straferschwerenden Umstände angeführt. Die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw ergibt sich aber aus dem vorliegenden Verfahrensakt und stellt einen wesentlichen Milderungsgrund dar. Die Erstinstanz hat ihren Überlegungen ein geschätztes Einkommen von umgerechnet 2.000 DM sowie das Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten zugrunde gelegt. Dem hat der Bw nicht widersprochen.

Grundsätzlich ist der Unrechtsgehalt einer Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 nicht als geringfügig anzusehen, zumal durch die Nichterteilung der gewünschten Lenkerauskunft die Ausforschung und Bestrafung des tatsächlichen Lenkers erschwert bzw wie im gegenständlichen Fall unmöglich gemacht wird. Es entfallen daher Präventivmaßnahmen, die im Sinne des Verkehrssicherheitsdenkens erforderlich gewesen wären, um den tatsächlichen Lenker von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten.

Unter Bedachtnahme auf all diese Überlegungen sowie den Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit und die unbestritten gebliebene Schätzung der finanziellen Verhältnisse iSd § 19 VStG gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, dass mit der nunmehr herabgesetzten Strafe das Auslangen gefunden werden kann. Die verhängte Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und hält auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Aus der Nichtverhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe erwächst dem Bw kein rechtlicher Nachteil (vgl VwGH v 21. Jänner 1988, 87/02/0202).

Selbst wenn diese Verwaltungsstrafe in Deutschland nicht vollstreckt werden sollte, rechtfertigt dies keineswegs eine Einstellung des Verfahrens allein aus dieser Überlegung heraus und ändert das auch nichts an ihrer Vollstreckung in Österreich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

§ 103 Abs.2 - Aufforderung gilt auch für ausländische Zulassungsbesitzer, weil Tatort = Ö, Herabsetzung der Geldstrafe.

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