Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106771/9/Br/Bk

Linz, 15.02.2000

VwSen - 106771/9/Br/Bk

Linz, am 15. Februar 2000

DVR. 0690329

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. Oktober 1999, Zl. VerkR96-9447-1999-O, nach der am 15. Februar 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird behoben. Der Einspruch vom 6. Oktober 1999 ist als fristgerecht erhoben zu qualifizieren.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 63 Abs.5, § 32 Abs.2 und § 33 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 iVm §§ 24, § 49 Abs.1, § 51 Abs.1, 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999.

Entscheidungsgründe:

1. Von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurde mit der Strafverfügung vom 15. September 1999, Zl. VerkR96-9447-1999-O, wider den Berufungswerber wegen angeblicher Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit am 22.7.1999 um 23.37 Uhr auf der B127, als Lenker eines nach dem Kennzeichen benannten Pkw´s, eine Geldstrafe im Ausmaß von 3.000 S, im Nichteinbringungsfall 72 Stunden als Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

2. Diese Strafverfügung wurde ihm laut Datum am Rückschein am 21. September 1999 im Wege des Postamtes ausgefolgt. Ein Zustellversuch und eine nachfolgende formale Hinterlegung war laut Rückschein der Zustellung (Ausfolgung) offenbar nicht vorausgegangen.

2.1. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1999, welches der Post am 7. Oktober 1999 zur Beförderung übergeben wurde, erhob der Berufungswerber dagegen Einspruch. Im Ergebnis bestreitet er darin den Tatvorwurf.

2.1.1. Die Erstbehörde wies mit dem angefochtenen Bescheid den Einspruch, gestützt auf § 49 Abs.1 VStG und unter Hinweis auf den scheinbaren Zeitpunkt der Übernahme (Zustellung) der Strafverfügung am 21. September 1999, als verspätet zurück.

3. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fälschlich als Einspruch bezeichneten und ebenfalls als innerhalb offener Frist eingebracht zu wertenden Berufung vom 25. November 1999. Sie wurde am 26. November 1999 der Post zur Beförderung übergeben.

4. Da sich die Berufung bloß gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Auf Grund des spezifischen Vorbringens anlässlich der vorgängigen Einräumung eines Parteiengehörs war zwecks Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK intendierten Rechte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt, ferner durch Einholung einer Äußerung zum Verspätungsvorhalt, durch Erhebung des Behebungszeitpunktes der zweiten Postsendung (Zurückweisungsbescheid) im Wege des Postamtes H und durch Anhörung des Berufungswerbers anlässlich der am 15.2.2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, anlässlich welcher das Originalkuvert vorgelegt wurde, worin die Strafverfügung zugestellt wurde. Auch legte der Berufungswerber seinen Reisepass zur Einsicht vor.

Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung nicht teil.

5. Auf Grund des vom Berufungswerber vorgelegten Kuverts erweist sich der Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung mit dem auf der Übernahmebestätigung vermerkten Datum als unzutreffend. Der Berufungswerber belegte anhand des Kuverts, das der im Akt erliegenden Übernahmebestätigung zweifelsfrei zuzuordnen war, dass die Sendung zumindest noch am 22. September 1999 in der Sphäre der Post gewesen sein muss. Dies ergibt sich durch einen Abdruck des Poststempels an der Rückseite des Kuverts, wobei dieser das Datum "22.9.99" trägt. Offenkundig wurde die Sendung dem Berufungswerber persönlich beim Postamt ausgefolgt, wobei aber evident ist, dass diese Sendung an der Abgabestelle weder dem Zustellgesetz entsprechend zuzustellen versucht worden sein dürfte noch hinterlegt wurde. Allenfalls wurde das Datum "21.9.99" anlässlich eines beabsichtigten Zustellversuches an der Abgabestelle bereits handschriftlich vom Zusteller angebracht, ehe evident wurde, dass der Adressat nicht anzutreffen war. Nach der Rückleitung an das Postamt dürfte folglich der Poststempel mit dem Datum "22.9.99" angebracht worden sein. Dies wäre keinesfalls möglich gewesen, wäre die Sendung (das Kuvert) bereits am 21.9.99 in die Hände des Berufungswerbers gelangt. Er wird schließlich anlässlich des Unterzeichnens bei der Ausfolgung bzw. Zustellung der Sendung in einen der folgenden Tage das auf dem Kuvert bereits handschriftlich angebrachte Datum nicht mehr beachtet haben, sodass der fast zwingende Eindruck einer erfolgten Zustellung bereits am 21.9.99 entstehen musste. Nur durch die Vorlage des mit der Empfangsbestätigung mit Sicherheit übereinstimmenden Kuverts konnte vom Berufungswerber der gegenteilige Beweis erbracht werden!

Es ist somit dem Berufungswerber dahingehend zu folgen gewesen, dass ihm die Strafverfügung kaum vor dem 23. September 1999 zugekommen sein konnte, sodass der am 7. Oktober 1999 der Post zur Beförderung übergebene Einspruch noch innerhalb der offenen Frist gelegen ist.

Schließlich wurde vom Berufungswerber ebenfalls eine Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt 5. November 1999, dem Zeitpunkt der Hinterlegung des Zurückweisungsbescheides glaubhaft gemacht. In seinem Reisepass befinden sich betreffend die zweite Jahreshälfte 1999 mehrere Ein- und Ausreisestempel in östliche Nachbarländer.

Während seitens des Postamtes H anlässlich der ersten telefonischen Anfrage über den Behebungszeitpunkt des Zurückweisungsbescheides ein Datum nicht angegeben werden konnte, wurde in einer nachfolgenden fernmündlichen Mitteilung schließlich der 12. November 1999 als Behebungsdatum genannt. Da der Berufungswerber ferner zumindest auch glaubhaft zu machen vermochte, dass er sich zum Zeitpunkt der Hinterlegung - am 5. November 1999 - nicht an der Abgabestelle aufhielt, wird letztlich von einer Rückkehr an die Abgabestelle am 12. November 1999 ausgegangen. Damit wird der Verantwortung des Berufungswerbers dahingehend gefolgt, dass ebenfalls seine Berufung am 26. November 1999 noch binnen offener Frist erhoben wurde.

Im Hinblick auf die Beweiswürdigung zu Gunsten des Berufungswerbers kommt hier zusätzlich dem Faktum spezifische Bedeutung zu, dass jedenfalls im Falle der 'Zustellung' der Strafverfügung erhebliche Mängel unterlaufen sind.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Die Berechnung des Beginnes des Fristenlaufes ist nach § 32 Abs.2 AVG vorzunehmen. Demnach begann der Fristenlauf einerseits nicht mit dem Datum auf dem Rückschein, welches sich mit 21.9.99 nachweislich als unzutreffend darstellt (betreffend die Strafverfügung) und ebenfalls nicht am Tag der Hinterlegung nach dem zweiten Zustellversuch am 5.11.99 betreffend den Zurückweisungsbescheid, sondern jeweils erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich dem Tag der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag. Daraus folgt, dass einerseits bei einer frühest denkbaren Zustellung der Strafverfügung am 23. September 1999 und anlässlich der Rückkehr an die Abgabestelle am 12. November 1999 und somit einem Beginn des Fristenlaufes erst ab diesem Datum, einerseits der am 7. Oktober 1999 der Post zur Beförderung übergebene Einspruch als auch die am 26. November 1999 erhobene Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als rechtzeitig erhoben zu werten sind.

Hinterlegte Sendungen gelten nämlich nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte; doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte, bewirkt (hier: behoben werden konnte).

6.2. Es kann dahingestellt sein, ob für den Zusteller eine Erkennbarkeit der Abwesenheit von der Abgabestelle gemäß § 17 Abs.1 ZustellG gegeben war. Der Berufungswerber machte glaubhaft, dass er nicht bloß vorübergehend ortsabwesend war, was die Anwendung des letzten Satzes des § 17 Abs.3 Zustellgesetz nach sich zieht (vgl. VwGH 12. September 1985, Slg. 11.850/A).

Die Vollzugspraxis des Zustellgesetzes darf nicht zum Ergebnis führen, dass ein Rechtsuchender etwa einen vollen Beweis über die Tatsache einer Ortsabwesenheit zu erbringen hätte. Der Sinn einer Verfahrensvorschrift ist ja vorrangig darin zu erblicken, eine den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Durchsetzung der materiellen Rechte der Partei zu gewährleisten, nicht aber darin, durch zu enge Auslegung von Formvorschriften die Durchsetzung dieser Rechte in größerem Maß als unbedingt erforderlich einzuschränken bzw. im Falle einer überzogenen Beweisführungspflicht substanziell überhaupt zu verunmöglichen. Zur Herbeiführung einer materiellen Sachentscheidung darf daher das Erfordernis an die Beweislast nicht überzogen werden. Es reicht vielmehr aus, eine derartige Ortsabwesenheit, hier etwa am Tag des ersten Zustellversuches und/oder der Hinterlegung glaubhaft zu machen. Dies tat der Berufungswerber mit seinen Ausführungen und einem Vorbringen anlässlich der Berufungsverhandlung; daher bewirkte hier die Hinterlegung nach dem zweiten erfolglosen Zustellversuch noch keinen Beginn des Fristenlaufes schon zu diesem Zeitpunkt (vgl. Hauer - Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, Seite 1.230, sowie auch VwGH 16. Februar 1994, Zl. 93/03/0128).

6.3. Da demnach einerseits der Einspruch wie auch die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als rechtzeitig erhoben zu werten ist, war der Zurückweisungsbescheid der Erstbehörde zu beheben.

Dies versetzt die Erstbehörde in die Lage sich mit den inhaltlichen Einspruchsangaben im Rahmen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens auseinander zu setzen und in der Sache zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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